Abstürzende Brieftauben 25 Jahre sind genug!, Tank Records, 2009 |
Konrad Kittner | Gesang, Gitarre, Schlagzeug, Bass | |||
Mirco "Micro" Bogumil | Gesang, Gitarre, Schlagzeug, Bass | |||
Oliver "Olly" Rosthal | Gesang, Schlagzeug | |||
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DVD 1 (142 Min 10 Sek): | ||||
01. Wir war'n die Tauben - Dokumentation | 03. Outtakes | |||
02. Die Brieftauben im Tonstudio 2006 | 04. Punkrockrente (Audio) | |||
DVD 2 (129 Min 08 Sek): | ||||
Macht's noch einmal Tauben - Live in der Glocksee Hannover - 10.08.2002: | ||||
01. Das Grauen kehrt zurück | 11. Die Luzie | |||
02. Zu spät | 12. Betzy Fraitag | |||
03. Nicht mit mir | 13. Love Song | |||
04. Faxen 88 | 14. Du brauchst es | |||
05. Was ich nicht mag | 15. Aber klar | |||
06. Mama | 16. Vorbei | |||
07. Die süße Barmieze | 17. Lonely Boy | |||
08. Siegesmund | 18. Räubermärchen | |||
09. Der Letzte macht die Tür zu | 19. Tränen | |||
10. Heute Doof & Morgen Doof | ||||
Ausser Kontrolle - Live im Tor 3 Düsseldorf - 26.04.1991: | ||||
01. Das Grauen kehrt zurück | 11. Lass mich | |||
02. Schluckauf | 12. This Old Man | |||
03. Zu spät | 13. Love Song | |||
04. Siegesmund | 14. Du brauchst es | |||
05. Konrad K. | 15. Steht ein Mädchen... | |||
06. Räubermärchen | 16. Vorbei | |||
07. Lonely Boy | 17. Betzy Fraitag | |||
08. Nicht mit mir | 18. Heute Doof & Morgen Doof | |||
09. Der Letzte macht die Tür zu | 19. Tränen | |||
10. Hör doch bitte wieder auf | ||||
Die Videoclips: | ||||
01. Das Grauen kehrt zurück | 04. Fett & Hässlich | |||
02. Im Strandbad | 05. Zuviel ist nicht genug | |||
03. Du brauchst es | 06. Das Herz eines Boxers | |||
Im Oktober des Jahres 1983 tun sich in Hannover Konrad Kittner und Mirco “Micro“ Bogumil zusammen um fortan gemeinsam, von den TOY DOLLS beeinflussten, Fun-Punk zu machen. Sie verpassen ihrem Projekt, wohl als Verhohnepiepelung des Bandnamens EINSTÜRZENDE NEUBAUTEN, den verdrehten Namenszug ABSTÜRZENDE BRIEFTAUBEN. Das Duo nimmt 1993 den Drummer der Band MIMMI’S Oliver “Olly“ Rosthal als drittes Mitglied auf. Kurze Zeit später ist, nach etlichen Veröffentlichungen und vielen Konzerten, schließlich Schicht im Schacht. Nach einem finalen Gig in Berlin (1996) löst sich das Trio 1997 auf. Eine 2001 ins Gespräch gebrachte Reunion scheitert an Mircos Veto. Am 10. August 2002 findet der allerletzte Auftritt von Konrad und Mirco als ABSTÜRZENDE BRIEFTAUBEN in Hannover statt. Der völlig überraschende Tod von Konrad im Mai 2006 entzieht dann der Hoffnung auf eine eventuelle Wiederbelebung dieser Band jede Grundlage.
Nun können anhand der doppelten DVD ’25 Jahre sind genug!’ die gesamte Historie, zwei Auftritte und verschiedene Videos der Formation nachvollzogen bzw. in Augenschein genommen werden.
Disc Nr. 1 legt das Hauptaugenmerk auf die ca. zweistündige Dokumentation ’Wir war’n die Tauben’. Hier wird mit einfachsten Mitteln sehr informativ, interessant und umfassend die Geschichte der ABSTÜRZENDEN BRIEFTAUBEN abgehandelt. In erster Linie kommen die beiden Bandgründer Konrad K. und Mirco “Micro“ Bogumil zu Wort. Beide geben völlig ohne Allüren und bereitwillig Auskunft über ihre gemeinsame Zeit. Beinahe jeder Aspekt im Bezug auf die Karriere wie z.B. ihre Platten, die Shows, das Leben unterwegs und vieles mehr, wird beleuchtet. Sie machen dem Zuhörer klar, dass das alles letztlich ein Riesenspaß war. Löblicherweise unterbleibt jeglicher Versuch, etwas zu beschönigen. Auch weniger erfreuliche Kapitel, wie Erfahrungen mit rechtem Gesindel auf Tour oder ihre Trennung werden realistisch geschildert. Aufgelockert wird das Interview mit Filmschnipseln von Tourneen, Videoaufnahmen, Gesprächen und einigem mehr. Außerdem kommen neben Oliver “Olly“ Rosthal, noch jede Menge Zeitzeugen wie Musiker anderer Bands, ein ehemaliger Fanclubleiter, ein Roadie, Hape Kerkeling (wegen der Dreharbeiten zu seinem Film “Kein Pardon“) und noch einige mehr zu Wort. Trotz der ziemlich langen Dauer ist dieser Bericht zu keinem Zeitpunkt irgendwie langweilig oder zähflüssig. Es ist einfach viel zu viel Verrücktes und weniger Verrücktes passiert.
Der Kurzfilm über die Einspielung des letzten Songs unter dem Banner ABSTÜRZENDE BRIEFTAUBEN Punkrockrente bietet einen recht netten Einblick in die Studioatmosphäre.
Die Outtakes sind nicht wirklich Aufsehen erregend.
Die Audioversion der bereits genannten allerletzten Nummer Punkrockrente bildet den Schlusspunkt der ersten Scheibe.
Auf Disc Nr. 2 sind zwei Konzertmitschnitte zu finden. Der erste ging am 10. August 2002 im Rahmen eines Festivals zum 30-jährigen Jubiläum des Clubs Glocksee in Hannover eben dort über die Bühnenbretter. Der Laden ist ziemlich klein und offenbar nicht ganz voll. Dafür haben die Leute vor der Bühne jede Menge Energie zum Freisetzen dabei. An den inszenierten Mitsing- und Mitklatschspielchen beteiligen sie sich gerne und pogen wie die Wilden. Des Weiteren frönen die Zuschauer dem Stagediving, vor allem zum Ende hin, bis zum Exzess. Die beiden Musiker lassen sich davon aber zu keinem Zeitpunkt stören, sondern agieren routiniert, aber trotzdem noch spontan. Das Besondere an den Auftritten des Duos ist die Tatsache, dass sie immer wieder die Instrumente tauschen. Konrad spielt zuerst Gitarre und Mirco Schlagzeug. Nach etwa der Hälfte der Spielzeit wechselt Konrad an die Drums und Marco an die Gitarre. Die Zugabe bestreitet dann wieder Konrad an der Gitarre, während Mirco erneut trommelt. Die (zu 2/3 kampferprobten und bereits 1991 gespielten) simplen und eingängigen Nummern haben sowohl spaßige, als auch immer wieder anarchische Texte, enthalten jedoch ebenso klare und unmissverständliche Aussagen gegen Faschismus (z.B. Love Song und Räubermärchen). Neben den weit in der Überzahl vertretenen komplett eigenen Stücken bauen die beiden zwei Coverversionen (das ursprünglich von Kinderstar Heintje, dem “Erfinder des Punk Rock“, gesungene Mama und Lonely Boy von den SEX PISTOLS) und zwei veränderte Fremdlieder (Siegesmund frei nach Was kann der Sigismund dafür, dass er so schön ist? vom Karkoff-Orchester, Love Song auf der Basis des von Markus interpretierten Ich will Spaß) in ihr Programm ein. Ganz zum Schluss gibt es dann noch Always Look On The Bright Side Of Life von Monty Python vom Band. Insgesamt macht der Gig viel Freude und am Ende sind alle vor und auf der Bühne zufrieden und glücklich, aber auch vollkommen ausgepowert.
Das zweite Gastspiel datiert auf den 26. April 1991, fand im Verlauf der Tour zum Album ’Ausser Kontrolle’ im Düsseldorfer Tor 3 statt und ist, im Gegensatz zur Live-Aufnahme von 2002, nicht ganz vollständig vertreten. Hier wurde einige Male geschnitten. Die Live-Atmosphäre wird trotzdem authentisch ins heimische Fernsehzimmer transportiert. Die Location ist erheblich geräumiger als die Glocksee, aber trotzdem voll, und die Bühne größer. Es gibt einen richtigen Vorspann mit dem Bandlogo. Die Lightshow und die Gestaltung des Bühnenhintergrundes ist aufwändiger. Man merkt schon, dass es damals die Hochzeit, Hitparadenplatzierungen und erfolgreiche Tourneen inklusive, des Duos K./Bogumil war. Außerdem ist der Film mit Einblendungen von Fotos, Zeichnungen und anderen “Spezialeffekten“ ein wenig aufgemotzt. Die Stimmung ist mehr als gut und die Leute gehen voll mit. Das Ritual des mehrfachen Instrumentenwechsels kommt natürlich ebenso zum Tragen, wie das von der Bühne eingeforderte Mitsingen und -klatschen der Besucher. Auf der Tagesordnung stehen in erster Linie wohlbekannte Tunes (13 Überschneidungen mit 2002). Die Mischung aus Spaß und Ernst ist ausgewogen und genau richtig. Erwähnenswert ist der Titel Konrad K., in dem Konrad Sprüche, die fremde Leute auf seinem Anrufbeantworter hinterließen, verarbeitet. Neben dem im ersten Konzertvideo bereits präsentierten Lonely Boy (s.o.) covern die Jungs hier noch das traditionelle britische Kinderlied This Old Man. Siegesmund und Love Song waren ebenfalls schon im ersten Film zu bewundern (s.o.). Auch dieses mal kommt zum Abschied der größte Hit der Pythons aus der Konserve. Zurück bleiben jede Menge fröhliche und abgekämpfte Menschen, die ihr Kommen garantiert nicht zu bereuen hatten.
Die sechs Videoclips ermöglichen einen aus heutiger Sicht amüsanten Blick auf die Produktionsweisen und -techniken früherer Zeiten. Die zunächst noch etwas hölzern wirkenden Schauspielversuche der beiden Hauptdarsteller gewinnen von Film zu Film an Konturen und Qualität. Manchmal sind sie sogar regelrecht witzig. Erwähnenswert sind vor allem der Film zum Anti-Drogen-Song Zuviel ist nicht genug und die recht gelungene optische Umsetzung der Coverversion des von Max Schmeling gesungenen Liedes Das Herz eines Boxers.
Außer einem Blatt mit den jeweils 19 Titel umfassenden Setlists der beiden gefilmten Shows verfügt dieses DVD-Set über keinerlei Hardwareausstattung.
Das Bild weist das Format PAL und das Seitenformat 4 : 3 auf. Als Ton steht Dolby Stereo zur Verfügung. Es wird natürlich ausschließlich deutsch gesprochen und meist gesungen. Die zwei Silberlinge sind ab 12 Jahre freigegeben.
Bei der Dokumentation sind sowohl das Bild, als auch der Ton größtenteils in Ordnung. Lediglich bei den älteren Einspielungen erreicht die Bildqualität der Aufnahmen meist in etwa Heimvideoniveau. Der Auftritt von 2002 weist eine gute Bild-, dafür aber eine recht dürftige Tonqualität auf. Die Songtexte und Ansagen sind oft nur sehr schwer oder gar nicht zu verstehen. Das bessert sich dann in der weiten Hälfte aber. Die Show von 1991 wurde 2007 nachbearbeitet. Die Qualität der Bilder ist trotzdem schlechter als bei dem anderen Mitschnitt. Dafür ist aber der Sound erheblich besser und Texte, sowie Ansagen, deutlich zu verstehen. Die Clips kommen, was Bild und Ton betrifft, nicht immer über Heimvideoqualität hinaus.
’25 Jahre sind genug!’ ist ein bemerkenswertes Stück jüngerer Musikgeschichte. Konrad K. und Mirco “Micro“ Bogumil beherrschten weder ihre Instrumente virtuos, noch sangen sie allzu toll und waren trotzdem erfolgreich. Sie standen eben hinter dem, was sie da machten und wirkten dementsprechend echt. Die Präsentation des hier zusammengetragenen Materials wird der Aufgabe, trotz wohl geringer Budgetierung, würde- und stilvoll an die Fun-Punk Band ABSTÜRZENDE BRIEFTAUBEN zu erinnern, mit Abstrichen gerecht. Abgesehen davon, soll das Ganze ja ohnehin keinen zu perfekten Eindruck machen. Es geht hier schließlich um Punk.