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Soapbox

Berlin, Mudd Club, 07.06.2005

( English translation by Google Translation by Google )

Konzertbericht

Reviewdatum: 07.06.2005

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Redakteur(e):

Ralf Stierlen

Peter Tenzler


Berlin, Mudd Club, 07.06.2005

Nach langer Zeit endlich mal wieder ein Konzert im hübschen Kellergewölbe des Mudd Club, und man war allenthalben sehr gespannt auf die drei Briten von AMPLIFIER, deren eigentlich schon 2004 erschienenes Debüt aufgrund üblicher Irrungen und Wirrungen der Plattenfirma nun zum Glück unter die Fittiche von SPV geraten ist und jetzt nochmals aufgelegt wurde (sogar in einer Special Edition, mit Bonus-EP samt Videos), die mächtig frischen Wind in die britische Rockszene blasen und sich selbst vollmundig "the biggest three piece in the world" nennen. Mal schauen, ob es die Jungs drauf haben.
Aber zunächst ein Überraschung: Der Konzertbeginn ist für 21.00 Uhr angekündigt, aufgrund des zu erwartenden Andrangs (der Mudd Club ist ja auch nicht gerade riesig) ist man auch mal pünktlich und punkt 21.10 Uhr legt die Support Band SOAPBOX los. Ob solcher Pünktlichkeit ist man in Berlin erst mal ziemlich verwirrt.

Soapbox Und die Jungs aus dem Odenwald schlagen sich mehr als prächtig. Nach Angaben von Sänger und Gitarrist Jens Siefert zählt AMPLIFIER zu ihren Lieblingsband, weshalb sie es sich nicht nehmen ließen, die hin und zurück knapp 1.400 Kilometer in Kauf zu nehmen, um als Support dabei zu sein. Und diesen Spaß, heute Abend auf der Bühne zu stehen, merkt man ihnen an, mit Enthusiasmus und Spielfreude zelebrieren sie ihren harten, griffigen Alternativerock der Marke HELMET, der mit leicht düsteren Klängen und immer wieder lustvollen Noisesequenzen durchsetzt ist.
Soapbox Wenn man weiß, dass sie ihre erste Scheibe bei blu-noise von Guido Lucas herausgebracht haben und Bassist Timo Kumpf für das Noisepollution-Label verantwortlich ist (das jährlich einen Sampler und Festivals hervorbringt), wenn der Hooked on Music-Leser schon was über HARMFUL und FREEZEEBEE gelesen hat, weiß man in etwa, wo der Hase langläuft. Irgendwie gibt es im Rhein-Main-Hessen-Großraum einfach verdammt gute Rockmusik.
SOAPBOX erweisen sich auch als prächtige Livematadore und ihr fünfundvierzigminütiger Auftritt als Support macht entschieden Lust auf mehr. Ihre Einschätzung, dass die Zusammenarbeit mit AMPLIFIER angenehm und problemlos ist, können wir übrigens voll und ganz bestätigen, deren Tourmanager war äußerst nett, höflich und entspannt.

Amplifier Und damit kommen wir auch langsam zu dem Trio aus Manchester.
Ihrem Namen machen sie alle Ehre, denn Gitarrist Sel Balamir bedient neben seiner Klampfe nicht weniger als zweiundzwanzig verschiedene Effektgeräte. Es ist ohnehin fast unglaublich, wie viel Druck, Energie und Volumen die drei Briten freisetzen, immer wieder den reizvollen Kontrast nutzend zwischen Balamirs klarer, harmonischer, fast sanfter Stimme und den eruptiven, Wah-Wah-getränkten Saitenausbrüchen, die wie eine Klanglawine über das Publikum einbrechen. Dabei schöpfen AMPLIFIER mit dem ganz großen Löffel aus der Rockgeschichte, da schimmern PINK FLOYD, LEP ZEPPELIN, THE TEA PARTY, MUSE und häufig auch TOOL durch, da wird das ganze mit trocken-groovenden Stonerrhythmen a la KYUSS durchsetzt und klingt letztendlich doch alles hundert Prozent nach AMPLIFIER. Und wie sagten einst schon die BEASTIE BOYS: "Amateure borgen, Profis stehlen."

Amplifier Unglaublich die schiere Power von Drummer Matt Brobin und der druckvolle Groove von Bassist Neil Mahoney. Sel Balamir setzt dann allem das Sahnehäubchen auf mit seinen spacigen, heavy psychedelischen oder einfach trocken abrockenden Exkursen, wobei sich mehrfach innerhalb der Songs auch die Windrichtung ändert. Gerne nimmt man auch ein bisschen verfrickelten Alternative dazu, in jedem Falle muss es laut sein, pathetisch und mit alles wegspülender Wucht.
Im Grunde genommen ist AMPLIFIER die Inkarnation der lauten Trio-Rockmusik, der tongewordene Größenwahn und der Vollwaschgang für alle britpop-verstopften Ohren. Ein guter Song, das ist ja auch schon das Credo auf der CD von AMPLIFIER gewesen, fängt erst jenseits der sechs Minuten an, was manchen zu der ketzerischen Bemerkung verleiten mag, dass Songwriting ja eben erst in der Reduktion auf das Wesentliche eine Kunst darstellt. Aber hier wird keine Kleinkunst geboten, sondern das ganz große Drama.

Amplifier AMPLIFIER mögen nicht als große musikalische Erneuerer in die Geschichte eingehen. Aber es hat in den letzten Jahren selten eine Band gegeben, die aus altbekannten Zutaten mit derartig fähiger Hand, solchem Selbstbewusstsein und Wissen um das eigene Können ein derart überwältigendes Klangkosmos geschaffen hat, dass der Zuhörer regelrecht fortgespült wird von der Wucht der Töne. Auch im proppenvollen Mudd Club sperrten alle die Augen und Ohren weit auf und nickten versonnen im Takt.
Nach etwa 100 Minuten Vollbedienung durch AMPLIFIER, die zu zwei satten Zugaben getrieben wurden, gingen alle glücklich beseelt, der eine oder andere mit ein wenig Ohrensummen nach Hause. Die Jungs haben es wirklich drauf.

Ralf Stierlen, 17.06.2005

Bilder: Peter Tenzler, 07.06.2005

 

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