Carl Carlton

Aschaffenburg, Colos-Saal, 29.03.2017

( English translation by Google Translation by Google )

Konzertbericht

Reviewdatum: 03.04.2017
Stil: Roots Rock

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Redakteur(e):

Epi Schmidt


Carl Carlton,
Aschaffenburg, Colos-Saal, 29.03.2017

Carl Carlton, der Mann, dem die Männer vertrauen. Jedenfalls wenn ihre Nachnamen Westernhagen, Lindenberg oder Maffay lauten. Und auch Niedecken wollte ihn in seiner Leopardefell-Band haben.
Dabei ist Carl längst als eigenständiger Künstler etabliert und auch die Frauen schenken ihm ihr Vertrauen, wie man am Mittwochabend im Colos-Saal sehen konnte. Da hätten zwar noch ein paar Besucher mehr in den Raum gepasst, aber dafür, dass Carl Carlton drei Tage vorher im nur ein paar kräftige Steinwürfe entfernten Frankfurt gespielt hat, muss man mit dem Besuch sehr zufrieden sein.

“Songs & Stories – From Tobacco Road To Graceland“ nennt sich der 2. Teil seiner Tournee, die uns mit “Woodstock & Wonderland“ bereits ein tolles Live-Album bescherte.
Rhythmisches Getrommel stimmt auf den Abend ein - ich denke unwillkürlich an POTHEADs Indian Song - und schon steigen Carl und seine Band mit dem Klassiker Tobacco Road in den Abend ein. Der Sound ist bestens, Carltons Gitarrensound klasse, wie immer, und der Rhythmus durch Wizard (ja, genau der MOTHER’S FINEST-Bassist!) und Dion Murdock an den Drums sorgt für Bewegung in Kopf und Beinen.

Carlton entpuppt sich schnell als norddeutsche Plaudertasche. Die “Stories“ gibt’s also nicht nur musikalisch und seine Ansage “Ihr habt doch bisschen Zeit mitgebracht? Das kann durchaus etwas länger werden heute“, ist kein oberflächlicher Spruch.
Zunächst gilt es aber Tribut zu zollen und wie zum Gebiet faltet der Sänger die Hände, geht kurz in die Knie, und würdigt mit dem folgenden Sweet Little Sixteen natürlich den Godfather des Rock’n’Roll: den kürzlich verstorbenen Chuck Berry. Carls Stimme, der jetzt nicht der Shouter vor dem Herrn ist, kommt hier richtig kernig und rockig. Wie sein Gitarrensound.

Dann folgen schon die ersten Geschichten, mit denen er uns auf die Reise des Blues, von seinen afrikanischen Ursprüngen über die Sklavenzeit bis in die heutigen Tage mitnimmt. Viel erfährt man über Interpreten wie Leadbelly, dessen Midnight Special sowie dessen Evergreen Goodnight Irene im Programm sind. Zum Teil mit 12-Saitiger Akustikgitarre gespielt. Ganz wie das Vorbild. Gelegentliche Seitenhiebe auf intolerante Zeitgenossen und Administrationen gibt es natürlich auch, ohne das Carl die Stimmung dadurch runterkommen lässt.
Jimmy Reed ist ein weiterer Blues-Star, dem mit Baby What You Want Me To Do Ehre widerfährt. Der Klassiker wird sehr rockig interpretiert und alle vier Bandmitglieder übernehmen Teile des Gesanges. Hier spielt sich denn auch Pascal Kravetz mit einem richtig tollen Orgelsolo so richtig in den Vordergrund. Auch er ein Künstler, der gern und viel von Kollegen gebucht wird.
Vor dem nächsten Song verlassen Carls Kollegen aber die Bühne und ganz allein erzählt dieser die berührende und beklemmende Geschichte von Billie Holiday und dem von ihr gesungenen Song Strange Fruit. Wäre nicht Carls intensiver Gesang, man hätte wohl eine Stecknadel fallen hören können, ob dieses Textes. War mir, muss ich gestehen, bisher nicht bewusst.
Auch zu He Gave The Names, die Band ist mittlerweile wieder komplett, einem Song vom Songdogs-Album “Love & Respect“, hat Carlton die passende – und nicht zu kurze! – Geschichte parat. Hier geht es um Südafrika und von dort geht die Reise hinüber in die Karibik, nach Jamaika. Jimmy Cliffs Hit The Harder They Come, aus dem gleichnamigen und einflussreichen Film sorgt wieder für Stimmung und scharrende Tanzbeine. Neben den historischen Exkursen streut Carl Carlton auch immer mal Infos aus der Musikentwicklung mit ein. Wem hier langweilig wird, dem ist nicht zu helfen.

Von der Karibik aus ist der Schritt nach New Orleans nicht mehr so weit und die Funk-Legende THE METERS sind die Urheber des nächsten Songs, Cissy Strut. Mit solch kompetenten Rhythmiker wie Wizard und Murdock, groovt das Teil natürlich wie die Hölle!
Und wo wir Louisiana sind, präsentiert uns Carlton einen weiteren Fan dieser Musik: Theo. Natürlich gibt’s die ausführliche Geschichte dazu (Theo ist eigentlich sein Arzt…), aber ich freu mich besonders, dass dieser mit Heart Of Soul hier ein Intermezzo gibt. Seine Soul-Stimme sorgt hier für noch besseren Sound. “Er kommt später nochmal wieder, versprochen“, verkündet Carlton.
Inzwischen folgt der BUFFALO SPRINGFIELD-Hit For What It’s Worth, natürlich mit zugehörigen Infos. Die Nummer mündet in ein absolut cooles Jam-Duell zwischen Kravetz und Carlton.
Der Song, der mir noch Tage danach nicht aus dem Kopf geht, und hier noch weitaus besser als auf dem Live-Album klingt, ist Moonlight In New York. Da kann man nicht viel beschreiben, das muss man hören. Hervorragend von allen Beteiligten gespielt.

Und die Reise ist längst nicht zu Ende! Nicht nur Carls langjährigem – und inzwischen ebenfalls verstorbenen – Kumpel Levon Helm zu Ehren, wird THE BANDs funkiges Don’t Do It gespielt, bevor mit Let It Rain ein weiterer Ohrwurm folgt.
Wir sind mittlerweile den Mississippi hochgefahren und wenn man in Memphis eintrifft, da darf ein Elvis-Song nicht fehlen. Blues Suede Shoes stammt zwar nicht aus dessen Feder, rockt und rollt aber trotzdem verdammt gut.
Little Sister, an Ry Cooders Version angelehnt, reiht sich dahinter und auch das sorgt für Stimmung.
Eine Life Long Guarantee kriegt zwar nur seine Tochter, aber wir die Garantie, dass es hier noch eine Weile weitergeht. Wizard tritt bei Keep On Swinging, vom “Songs For The Lost And Brave“-Album, in den Vordergrund, bevor bei der Zugabe wieder Theo mit auf der Bühne, bzw. am zweiten Keyboard sitzt. Erinnert mich irgendwie optisch ein bisschen an Harrison Ford, der Mann…

God’s Gift To Men, der rockende Opener vom ersten Songdogs-Album, kommt mit Theos Unterstützung gleich noch etwas druckvoller. I Wanna Thank You, eine Homage an die großen Soul-Interpreten, ist dann Theos Paradenummer und lässt uns an der Drei-Stunden-Marke kratzen. Die wird mit Bob Dylans I Shall Be Released denn auch erreicht. Ob es allen anwesenden Maffay- und Lindenberg-Fans so gefallen hat, wie mir, kann ich nicht sagen, aber es scheinen mir doch die Allermeisten zufrieden.
Von einem Einzelkünstler drei Stunden Programm, das sind schon springsteen’sche Dimensionen. Das Ganze, trotz der, vor allem im ersten Teil, längeren Geschichten so unterhaltsam zu halten, ist eine fantastische Leistung, die wohl keiner der Anwesenden vergessen wird. Ich werd’ den Abend jedenfalls in bester Erinnerung behalten und künftig die Scheiben von Carl Carlton noch lieber auflegen, bzw. noch genauer hinhören, wenn der wieder als “Angestellter“ bei Udo oder Peter auf der Bühne steht. In vollstem Vertrauen.

Epi Schmidt, 29.03.2017

 

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