Fates Warning

Aschaffenburg, Colos-Saal, 11.03.2012

( English translation by Google Translation by Google )

Konzertbericht

Reviewdatum: 15.03.2012
Stil: Progressive Metal

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Redakteur(e):

Marc Langels


Fates Warning,
Aschaffenburg, Colos-Saal, 11.03.2012

Auf manche Ereignisse lohnt es sich zu warten. So zum Beispiel auf ein Konzert der Prog-Metal-Götter FATES WARNING. In meinem Fall musste ich knapp 40 Jahre warten. Nun gut, dass ist in diesem Fall etwas übertrieben, denn Prog-Metal im Allgemeinen und FATES WARNING im Speziellen höre ich erst sein 1989, als mir Through Different Eyes beim Headbanger’s Ball auf MTV auffiel. Dadurch kam ich zu “Perfect Symmetry“ und zu der Band, die - wenn auch weitestgehend im Untergrund – mehr für das Genre getan hat als unzählige andere und seit ihrer Gründung in jeder Dekade aus meiner Sicht mindestens zwei wegweisende Alben veröffentlicht hat (1980er: “Awaken The Guardian“, “Perfect Symmetry“; 1990er: “Parallels“, “A Pleasant Shade Of Gray“; 2000er: “Disconnected“, “FWX“). Und aus diversen Gründen blieb es mir bislang immer verwährt, diese Band einmal live zu sehen.

Aber dieser Bann wurde am 11. März 2012 endlich gebrochen. Um kurz nach 20 Uhr gehen die Lichter aus und das Intro vom “Disconnected“-Album beginnt, ehe FATES WARNING mit einem ihrer düstereren und härteren Songs, One, die Bühne entern und die knapp 350 Fans sofort in ihren Bann ziehen. Vor allen Dingen Frontmann Ray Alder versprüht von der ersten Sekunde an unbändige Freude, hält sich fast immer nah am Bühnenrand auf und interagiert fast non-stop mit dem Publikum, auch non-verbal über Gesten, Mimik und Blicke. Neben ihm ist zudem Basser Joey Vera der Aktiv-Posten der Band und fast ständig in Bewegung.

Dabei hat sich die Band die ja nicht gerade große Bühne des Colos-Saal strategisch aufgeteilt: vom Publikum aus Rechts steht Frank Aresti, der seit einigen Jahren wieder beständig zumindest als Tour-Gitarrist dabei ist. Er verharrt aber fast das gesamt Konzert über an seinem Platz und damit in der Nähe des Mikrofons für die Backing-Vocals. Daneben Vera, der eine wahre Clinic in Sachen moderner Rock-Bass abzieht. Er groovt sich sehr fett klingend durch das Material und dominiert damit fast die gesamte Zeit über den Sound. Daneben braucht Aresti bis etwa zur Hälfte des Sets bevor er mit seinen Sahne-Soli wirklich wahrnehmbar wird. Der Mittelpart der Bühne gehört Ray Alder und dahinter dem riesigen Drumkit von Bobby Jarzombek, der ob seiner Größe fast schon beängstigend nah an den Scheinwerfern sitzt. Die linke Seite bleibt FATES WARNING-Mastermind Jim Matheos vorbehalten, der aus seinem Bewegungsraum aber so gut wie keinen Nutzen zieht, sondern mit einer Seelen-Ruhe seine Gitarren-Parts präzise wie ein Chirurg zelebriert. Dabei verzieht er kaum einmal eine Miene und wirkt dadurch wie ein entrückter Professor, der über eine schwierige Forschungsaufgabe sinniert.

Musikalisch gibt es an diesem Abend nichts zu meckern. Matheos und Aresti spielen ihre Parts mit höchster Konzentration und beeindruckender Perfektion. Es ist einfach wunderbar zu sehen, wie diese beiden Gitarristen sich nahezu blind verstehen und sich die Bälle in Form verzwickter Riffs, Arpeggios und Soli nur zu zuspielen. Joey Veras Bass dürfte noch in den Außenbezirken Aschaffenburgs als drohendes Grollen wahrnehmbar gewesen sein. Und Jarzombek wirbelt sich durch die diffizilen Breaks, Synkopen und Rhythmuswechsel seines Vorgängers Mark Zonder. Leider fehlt mir persönlich dabei ein wenig die Fähigkeit Zonders, diese komplizierten Trommelwirbel auch immer noch grooven zu lassen. Jarzombek spielt sehr präzise aber Zonder gefiel mir persönlich einfach besser. Hier bietet sich ein Vergleich zu TOTO an, als diese ihren Drummer Jeff Procaro auf so tragische Weise verloren und durch Simon Phillips ersetzen mussten. Klar war und ist Phillips ein technisch über jeden Zweifel erhabener Drummer, aber den Groove von Rosanna konnte er nicht exakt so wie Porcaro spielen – und hier geht es mir bei FATES WARNING ähnlich. Aber das ist das fast schon gewohnte Jammern auf dem ganz hohen Niveau der Spielkunst. Und Alder ist ein Frontmann par Excellence. Er singt sehr gut – auch wenn er die ganz hohen Passagen früherer Tage (etwa bei Through Different Eyes) meidet. Er geht auf das Publikum ein, feuert es an und ist dann sichtlich glücklich und zufrieden, wenn die Fans jedes Mal voller Inbrunst mitsingen oder –klatschen.

In der Setlist werden natürlich auch dieses Mal nur die Alben mit Alder berücksichtigt. Einen musikalischen Verweis auf die glorreichen Anfangsjahre mit John Arch erwartet man vergebens. Aber das ist wohl vor allem dem Umstand geschuldet, dass die Band ja nun bereits sieben Alben mit Alder aber nur drei mit Arch aufgenommen hat (ähnlich verhält es sich ja mittlerweile auch bei MARILLION-Konzerten, dort hört man auch kaum mehr Stücke aus der FISH-Ära). Und die Setlist ist auch angesichts dieser Tatsache wieder zum „mit-der-Zunge-schnalzen“. Vier Stücke von “Parallels“, drei von “Inside Out“, je zwei Songs von der Götter-Gabe “A Pleasant Shade Of Gray“, “Disconnected“, “FWX“ und “Perfect Symmetry“ sowie eines von “No Exit“. Damit wird jedes Album der Alder-Ära berücksichtigt. Einfach perfekt. Traurig ist alleine der Umstand, dass hier nicht The Ivory Gate Of Dreams nicht komplett sondern nur durch Quietus ausschnittsweise dargeboten wurde.

Aber es ist dafür eine wahre Freude, die Band hier sehen und dabei zu hören. Niemand verpackt Nachdenklichkeit so passend in Noten, niemand vertont Melancholie und Traurigkeit so packend und erhaben, niemand begeistert mit solcher Verspielt- und Vertracktheit. Das ist es, was FATES WARNING auch nach fast 30 Jahren so einzigartig im Bereich der progressiven Musik macht.

Geradezu sensationell ist aber auch die Leistung des Publikums an diesem Abend. Bei The Eleventh Hour singen die 350 Gäste die Chor-Linie in einer Lautstärke wie knapp 3500 und erzeugen dadurch eine Atmosphäre wie rund 35.000, wenn diese bei IRON MAIDENs Fear Of The Dark mitsingen. Das treibt selbst Stoiker Jim Matheos ein kurzes, schüchternes Lächeln ins Gesicht. Aber auch die aus tiefster Seele mitgesungenen Refrains von Through Different Eyes oder insbesondere die fast schon übermenschliche Leistung bei Point Of View sorgen bei Ray Alder kurzzeitig für feuchte Augen der Rührung. Dieser Abend wäre wirklich einen Live-Mitschnitt wert gewesen.

Am Ende der knapp 98 Minuten bleiben die Zuschauer zunächst ungläubig stehen und applaudieren einfach frenetisch. Das Gefühl macht sich breit, dass es das doch noch nicht gewesen sein kann, nein es nicht gewesen sein darf. Eine kleine Stimme im Kopf ruft: „Da muss doch noch was kommen“. Aber genauso, wie kein Schiedsrichter jemals auf den Druck der Zuschauer eine Entscheidung zurückgenommen hat, genauso wenig lassen sich FATES WARNING von ihren Fans beknien, noch einmal auf die Bühne zurückzukehren und noch weiter zu spielen. Mit diesem Wermutstropfen endet dieser magische Abend. Endlich, es ist vollbracht: es war das erste Mal live mit FATES WARNING und das Warten hat sich gelohnt. Aber es wird definitiv nicht das letzte Mal gewesen sein.

Vielen Dank an dieser Stelle noch an Matthias vom Colos-Saal für die freundliche Akkreditierung.

Marc Langels, 11.03.2012

 

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