BAP

Alles Fliesst

( English translation by Google Translation by Google )

CD-Review

Reviewdatum: 25.09.2020
Jahr: 2020
Stil: Rock
Spiellänge: 71:16
Produzent: Ulrich Rode und Anne de Wolff

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Plattenfirma: Universal Music


Redakteur(e):

Epi Schmidt


s. weitere Künstler zum Review:

Carl Carlton

Titel
01. Hauptjewinn
02. Jeisterfahrer
03. Ruhe vor'm Sturm
04. Mittlerweile Josephine
05. Amelie
06. Du häss dich arrangiert
07. Volle Kraft voraus
 
08. Für den Rest meines Lebens
09. Alles zoröck op Ahnfang
10. Jenau jessat: Op Odysee
11. Besser du jehss jetz
12. Verraten un verkauft
13. Huh die Jläser, huh die Tasse
14. Wenn ahm Ende des Tages
Musiker Instrument
Wolfgang Niedecken Gesang
Werner Kopal Bass, Kontrabass, Gesang
Michael Nass Piano, Wurlitzer, Orgel, Rhodes, Cembalo, Harmonium, Akkordeon, Gesang
Anne de Wolff Geige, Bratsche, Cello, Percussion, Harmonium, Microkorg, Gesang
Ulrich Rode E- und Akustik-Gitarre, Pedalsteel-Gitarre, Mellotron, Dulcimer, Piano, Mandoline, Una Corda, Gesang
Sönke Reich Schlagzeug, Percussion
Axel Müller Saxophon, Flöte, Klarinette
Christoph Moschberger Trompete, Flügelhorn, Piccolotrompete
Johannes Goltz Posaune

Ja, es sind tatsächlich schon wieder vier Jahre vergangen, seit das letzte BAP-Album, “Lebenslänglich“, erschienen ist. Dessen Titel ist im Prinzip immer noch gültig, denn auch mit dem 70. Geburtstag in Sicht, lässt Wolfgang Niedecken keine Amtsmüdigkeit erkennen. Auch in den Jahren seit der letzten Bandplatte, wurden Tourneen gespielt, Bücher und Soloscheiben veröffentlicht und was sonst noch zum Leben eines Rock'n'Rollers im Herbst der Karriere dazugehört. In Niedeckens Fall ist es nicht zuletzt so, dass er ein gern und viel frequentierter Gesprächs- und Interviewpartner ist und so auch entsprechend oft zu diesem und jenem Talk eingeladen wird.

In einem (oder mehreren) Interview(s) zur neuen Scheibe kürt er das 1984er “Zwesche Salzjebäck un Bier“-Album zu seinem Lieblingsalbum aus der Frühphase von BAP und erzählt bei der Gelegenheit, dass ihn das neue Album sehr daran erinnert. Was sich in den Ohren von etlichen Fans gut anhören dürfte und in der Tat kommt “Alles fliesst“ mit viel jugendlichem Schwung daher. Will sagen: Niedecken und Band haben Bock auf Rock.

Wem der Hauptjewinn gewidmet ist, kann sich jeder selbst denken. Die “Ziehung“ von diesem erfolgt mittels einiger leicht sphärischer Sounds, als müsste das Radio noch justiert werden, und dann geht’s schon recht kernig los. Hat so'n bisschen was von Carl Carlton's Roots Rock und natürlich sind die Lyrics wieder vom Feinsten. Das kommt Niedecken locker über die Zunge, denn “Man muss kei'm mehr was beweisen“, um, mit gewissem Schalk im Nacken, gleich anzufügen “noch nicht mal Florian Silbereisen“. Der Sound ist ebenfalls erstklassig, das haben Anne de Wolff und Ulrich Rode einen ebenso tollen Job gemacht, wie die Band, die wirklich exzellent spielt. In dieser Nummer finden sich ebenso schroffe Gitarren, wie in der Bridge deutliche BEATLES-Anleihen, die sogar in der Bach-Trompete (der aus Penny Lane nicht unähnlich) gipfeln. Macht jetzt schon Lust auf BAP-Live im nächsten Jahr. Hopefully!

Wuchtige Akkorde eröffnen Jeisterfahrer in WHO-Manier und der Song gibt auch ziemlich Gas. Erinnert mich etwas an Dausende vun Liebesleeder rockt, dank Ulrich Rode, aber noch mehr und ist auch insgesamt rauer.

Ruhe vor'm Sturm erinnert nicht nur durch diesen Titel an eines der besten und wichtigsten BAP-Lieder: Kristallnaach. Nach wie vor ist Niedecken am Puls der Zeit und in dieser leicht bedrohlichen Nummer gelingt es ihm wieder, dass es einem bei Zeilen, wie “Spürs du die Ruhe vor'm Sturm? Kütt dir nit ir'ndjet bekannt vüür?“ eiskalt über den Rücken läuft. Ulrich Rode tut mit seinem Solo-Einwürfen ein Übriges. Bereits an dieser Stelle ein Highlight.

Mittlerweile Josephine reiht sich ein, in die wunderbaren BAP-Balladen mit Frauennamen (auch wenn hier mal mit mehr als vier Buchstaben). Neben Rode sollte hier ruhig mal der altgediente Michael Nass für seine einfühlsame Tastenarbeit gewürdigt werden. Tja, und mit Amelie, ab dofür geht’s gleich wieder rockig weiter. Zu dem fast punkigen Song passt ein Refrain, wie “Naja, driss passiert.... ab dafür!“ natürlich wie die Faust aufs Auge. Ein Trompetensolo in so einem Stück ist dagegen schon fast gewagt.

Nicht dass sich jemand zu sehr in Sicherheit wiegt! Die bekannt nachdenklich, warnenden Töne sind auch auf diesem Album vorhanden. Jedoch nicht unbedingt mit dem Anspruch der alleinigen Weisheit: “Wer weiß, ahm Engk häss du jo rääsch“.

Volle Kraft hat der Sänger wohl ebenso als Mutmacher für altersmäßig vorgerückte Herrschaften gedacht, wie als Ansporn für sich selbst. Da werden Baggersee-Erinnerungen beschworen, STONES-Songs zitiert und mit “Hühr mir joot zo, lass dich nit hänge, ahle Mann“ klare Worte gesprochen. Beziehungsweise gesungen. Und die Band rockt, mit leicht melancholischen Unterton. Dass hier viel live eingespielt wurde, hört und fühlt man den Aufnahmen absolut an.

Eine Tradition im BAP-Kosmos sind auch auch die Akustik-Songs. Ob Jupp  oder Wellenreiter. Irjendwo dazwische pendelt Für den Rest meines Lebens. Übrigens schön, dass die Texte abgedruckt sind, denn es macht wirklich Sinn, diese – selbst ohne Musik – zu studieren.

Was spielt sich “Naahs zwesche Frankfurt un Hanau“ ab? Da wird erneut kurz am Radio gedreht und in Alles zoröck op Ahnfang gibt’s dann die Auflösung. Herrlich untermalt von Rodes Slide-Gitarre.

Die ein, zwei Jahre, die Niedecken einst als Laufzeit seiner musikalischen Karriere erwartete, sind bekanntlich zu mittlerweile vier Jahrzehnten mutiert. Die Reflektion erfolgt in Jenau jessat: Op Odysee in verschärfter Rock-Manier – nahezu Pogo – und mit dem Glaubensbekenntnis: „Wie Ronnie, Keith un Bob will ich leever rocken, bess dä Herrjott säht: Kumm rop!“. Alles klar!

Tja, und in Besser du jehss jetz wird das Gaspedal eher noch weiter durchgedrückt. Gelegenheit für Rode seine treibenden Riffs unterzubringen und für Michael Nass ein paar Keyboard-Breitseiten abzufeuern.

Verrate un verkauft ist dann wieder so ein Niedecken-Song, der zum nachdenken, zum reflektieren, anregt und gleichzeitig als Warnung dient, es nicht so weit kommen zu lassen. Wenige haben das schon seit den ersten Scheiben so in Worte kleiden können, wie der Kölner Barde. Vielleicht eines seiner größten Verdienste.

Na, jetzt haben wir aber fast bis zum Schluss warten müssen, bis der Reggae doch noch kommt. Spätestens seit dem unsterblichen Müsli Man und dem nicht mehr wegzudenkenden Aff un zo möchte man den im Repertoire nicht mehr missen. Und auch in der schmissigen Fassung hier, verfehlt er seine Wirkung nicht. Also dann: Huh die Jlässer, huh, die Tasse, denn hier wird mal angestoßen, auf Krankenpfleger, Feuerwehrleute, Altenpfleger, Leute, die sich um Asylanten kümmern, und wer sonst noch so alles – außerhalb von Corona-Zeiten – gern übersehen wird.

Man kann ein Album wohl nicht besser beenden, als mit Wenn ahm Ende des Tages. Und wie zu Beginn, ist der Song an den Lebenspartner adressiert. Vielleicht arg sentimental, aber auch das muss mal sein und rundet letztlich diese Scheibe ab, die ansonsten überwiegend und – für mich – überraschend rockig daher kommt. Dann hoffen wir mal, dat dä Herrjott et joot mit uns meint, und wir nächstes Jahr ein paar Mal 70. mit Wolfgang Niedecken auf der Bühne feiern können. Lust darauf macht “Alles fliesst“ auf jeden Fall.

 

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