BAP Lebenslänglich, Universal Music, 2016 |
Wolfgan Niedecken | Gesang, Mundharmonika | |||
Werner Kopal | E-Bass, Kontrabass, Chor | |||
Michael Nass | Klavier, Hammondorgel, Wurlitzer, Chor | |||
Rhani Krija | Percussion, Chor | |||
Anne de Wolff | Geige, Bratsche, Cello, Harmonium, Autoharp, Vibraphone, Posaune, Akkordeon, Chor | |||
Ulrich Rode | E-Gitarre, Akustikgitarre, Baritongitarre, Banjo, Dobro, Mandoline, Saz, Pedalsteel Guitar, Chor | |||
Sönke Reich | Schlagzeug, Percussion, Chor | |||
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01. Alles relativ | 08. Auszeit | |||
02. Absurdistan | 09. Vision vun Europa | |||
03. Da Herrjott meint et joot met mir | 10. Zeitverschwendung | |||
04. Die Ballade vom Vollkasko-Desperado | 11. Schrääsch hinger mir | |||
05. Miehstens unzertrennlich | 12. Sankt Florian | |||
06. Et ess lang her | 13. Komisch | |||
07. Dausende vun Liebesleeder | 14. Unendlichkeit | |||
Ja, was denn nun? Niedecken oder BAP? Mag sich mancher denken, aber erstens firmiert die Band schon seit dem “Märchen vom gezogenen Stecker“ wieder unter diesem Banner und zweitens hieß die Band bis 1980 ja auch “Wolfgang Niedeckens BAP“. Also, das hätten wir gleich zu Beginn geklärt. Außerdem ist die Umstrukturierung der Band mittlerweile wohl auch abgeschlossen und Alt-Fans müssen inzwischen auch auf Jürgen Zöller am Schlagzeug verzichten. So ist also Niedecken als letzte Verknüpfung, zu den gelobten alten Zeiten und den Rockpalast-Nächten, an die sich wohl einige wehmütig erinnern, verblieben.
Bei uns läuft das Dingens weiterhin schlicht unter BAP. Schon der Ordnung halber.
Hat alles nix zu bedeuten und nix zu heißen, denn die Songs und Texte waren schon immer “Wolles“ Ding und so kann man sich zurecht auch auf das neue BAP-Album freuen.
Klar, heutzutage, kommen die Akustikgitarren häufiger zum Einsatz und man stürzt sich selten in halsbrecherische Sturzflüge a la Waschsalon, aber die Qualität ist zweifellos erhalten geblieben, hat oft sogar noch gehörig zugelegt.
Als wollte Niedecken zu hohen Erwartungen an ein “Rockalbum“ vorbeugen, startet er ganz sachte mit “seiner ganz persönlichen Relativitätstheorie“. Die zart gezupfte Akustikgitarre beginnt und so nach und nach gesellen sich die anderen Musiker hinzu, lassen sich von den Lebenserinnerungen des Sängers mittreiben, wie der Vater Rhein, der ganz am Anfang plätschert.
Neben ein paar “warmen Worten“ als Einleitung im Booklet, sind natürlich alle Texte abgedruckt und zu jeder Nummer gibt’s noch ein paar Erläuterungen. Zusammenhänge, Ursprünge, Gedanken und Erinnerungen. Äußerst interessant. Hat man nicht anders erwartet.
Der Zorn mag nicht mehr so überschäumen, wie Anno 1979, aber die Worte sind mindestens so deutlich. Da macht Niedecken in Absurdistan klar, wo wir leben, aber letztlich hat jeder die Lösung selbst in der Hand und so bleibt nur, den Hörern den Spiegel vorzuhalten und mit “Kyrie Eleison“ nach Erbarmen zu rufen.
Mit ein paar STONES-Riffs wird die Dä Herrjott meint ett joot met mir auf den Weg gebracht. Ja, das rockt in der Tat richtig gut und da sollten man mal die Lautstärke entsprechend hochfahren. Das dürfte live so richtig krachen!
Aufschlussreich ist nicht nur die Ballade vom Vollkasko-Desperado selbst, sondern auch die “Liner-Notes“. Der Song gibt sich leicht sphärisch und verklärt, sowohl musikalisch als auch im Text. Da muss man ein ums andere Mal grinsen und zustimmend nicken. Ist nicht nur Zuckerschlecken, das Rockstar-Leben.
Ich will jetzt nicht alle “Geheimnisse“, aus den Erläuterungen zu den Songs verraten. Eigentlich ist eh besser, man hört erst einmal und liest dann. Gedanken macht man sich so und so und Lieder wie Miehstens unzertrennlich geben sicher den Anstoß, für eigene Erinnerungen. Ob man will, oder nicht.
Nochmal zur Qualität der Band: Das ist schon toll, wie die harmonieren. Auch wenn da bestimmt wenig zur gleichen Zeit eingespielt wurde, aber zum Beispiel Ett ess lang her, das findet man auch bei Dylan, Petty oder Mellencamp nicht besser gespielt. Natürlich fällt besonders die Multi-Instrumentalistin Anne de Wolff auf, aber auch der Rest der aktuellen Truppe ist absolute Oberklasse. Da greift nicht mal mehr der Meister selbst zur Gitarre.
Der “Gruß an Kölle“ darf natürlich nicht fehlen, und kommt hier in der Form von Dausende vun Lieberleeder. Hat die Stadt vielleicht gerade jetzt besonders nötig…
Nötig haben wir es auch, bei Songs wie Vision vun Europa zuzuhören. Sowas wird wahrscheinlich nicht im Radio gespielt, aber nötig wäre es allemal, den Blick wieder etwas zu klären und Zusammenhänge zu realisieren. Schluckt man schon ein paar Mal schwer, bei dem Text.
Klar, zum Nachdenken gibt’s schon Einiges, jedoch ist dies ja keineswegs Zeitverschwendung und mit solch munteren Country-Nummern, wie Sankt Florian kommt zwischendurch auch echtes Good-Time-Feeling, im New-Orleans-Stil, um die Ecke.
Gegen Schluss hätte man sich vielleicht noch etwas mehr “Party“ gewünscht, aber die wird ja unzweifelhaft auf der Bühne stattfinden, wenn BAP ihr Tour zum 40jährigen Bestehen begehen, und so darf auch dieses Album eher melancholisch/besinnlich enden. Könnte durchaus die Scheibe für die Nachmittage und Abende werden, an denen man sich zu Hause durch Kartons mit alten Fotos oder Kleiderkisten wühlt. Oder einfach nur den Geschichten dieses Troubadours zuhört und sich von ihnen mit auf die Reise nehmen lässt.