Berlin, Lido, 06.11.2006

Noch relativ neu in der Berliner Konzertlandschaft ist das Lido, ein früheres Kino nahe dem Schlesischen Tor in Kreuzberg, das im Mai diesen Jahres die Pforten auch für Konzerte öffnete. Äußerst ideal gelegen ist es für die Macher von Nois-O-lution um den an diesem Abend leider abwesenden Arne, befindet man sich doch in der selben Straße. Und somit war es auch fast schon ein Heimspiel für CLAUS GRABKE und seine Band, hatten sich diese doch im Zuge der Vorbereitung zur Veröffentlichung des Doppelalbums "Dead Hippies - Sad Robot" ausgiebig hier umgetan. Man durfte allerdings gespannt sein, ob der Abend reibungslos über die Bühne gehen würde, waren als Headliner doch NICK OLIVERI & THE MONDO GENERATOR vorgesehen. Und bei dem Berufs-Weirdo am Bass kann man ja nie so ganz sicher sein, ob er sich nun auf der Bühne auszieht oder mit dem Mann am Mischpult prügelt. Das geplante Konzert in Hamburg fiel bereits einem Unfall mit dem Tourbus zum Opfer (das wurde wohl nur so kolportiert, gut unterrichtete Kreise berichten indess, dass Oliveri und seine Leute breit wie die Nattern in Amsterdam abhingen, Anm. d. Red.), aber ansonsten teilte Claus Grabke im Vorfeld schon mal mit, dass die amerikanischen Brachialstoner bisher verhältnismäßig pflegeleicht gewesen seien. Na ja, so lange Nick seine Hosen immer wieder findet jedenfalls.

Claus Grabke

Den Auftakt machte der Skaterpabst Grabke, am heutigen Abend ohne Sven Pollkötter (der ja auch schon bei den ALTERNATIVE ALLSTARS dabei war) an den Drums, der dem Ruf von Steve Reich zu einer Aufführung in Paris gefolgt war, aber durchaus adäquat ersetzt wurde. Bassistin Lena Jäckel, auf der Bühne ziemlich cool, legte gleich das genial knarzende Riff zum Urschrei-Song Cause I Can vor, der so etwas wie eine musikalische Rückmeldung aber auch Befreiung von Grabke symbolisiert. Dieser wirkte mit seinem Holzfällerhemd, dem Käppi und Retro-Gitarre wie ein britischer Pubrocker und lieferte dementsprechend eine Show ab, die zwar oberflächlich einige Klischees zu tage förderte (Blues- und Rockabillyeinflüsse, Reminiszenzen an die THE STOOGES, dazu passendes Posing und in den Tonabnehmer reinbrüllen), aber trotzdem den Eindruck vermittelte, dass hier jemand mit richtig Bock bei der Sache ist, egal was andere davon halten. Mag das ein bisschen altmodisch sein oder nicht, Grabke bringt seinen straighten, ungefilterten Rock authentisch rüber und erzielt damit im Vergleich zur Konserve (obgleich die ja auch quasi live und ohne Overdubs eingespielt war) noch ein paar Pluspunkte.

Claus Grabke

Praktisch das komplette "Dead Hippies" Material wird abgefeuert (die aufwändigen Arrangements und sphärischen Töne von "Sad Robot" würden im Rockkonzert-Umfeld untergehen und sollen in einem anderen Rahmen aufgeführt werden), Like A Wildman, Look Who's Bad Right Now, I'm Dangerous oder Start Walking The Walk tut der Bühnenschweiß sichtbar gut und mit 110% Rock findet selbst ein Titel der oft geschmähten ALTERNATIVE ALLSTARS zwanglos Anschluss an die restliche Setlist.
Abschließend gibt es dann noch Ode To My Solitude, das Melodien geschwängerte Sahnehäubchen, ganz wie auf dem Silberling. Das Publikum in dem sich zusehends füllenden Lido ist dann auch angetan von der gut halbstündigen Portion ehrlichen Geradeaus-Rocks und würdigt den knackigen Auftritt mit beherztem Zugriff am Mechandising-Stand. Die Live-Umsetzung von "Dead Hippies" darf man als absolut gelungen betrachten. Man darf gespannt sein, ob das mit "Sad Robot" auch gelingt.

Mondo Generator

Dann kam erstmal eine standesgemäße Umbaupause, schließlich mussten die Verstärkeranteile angemessen hochgefahren werden. Aber irgendwann war es dann doch soweit und der Headliner mit einem erfreulicherweise zumindest in der unteren Körperhälfte bekleideten Oliveri stand auf der Bühne.
Von früher MONDO GENERATOR hat man sich jetzt umbenannt in NICK OLIVERI & THE MONDO GENERATOR, wofür nicht nur markstrategische Gründe ausschlaggebend waren, war es Herr Oliveri wohl offensichtlich Leid, ständig mit dem Sticker Ex-QUEENS OF THE STONE AGE auf den Konzertplakaten konfrontiert zu werden. Natürlich ließ man es richtig krachen, irgendwo zwischen Stoner, Doom, Metal, Punk und Wüstensounds, garniert von ständigen Brüllattacken Oliveris und arbeitete in erster Linie das aktuelle Album "Dead Planet: Sonic Slow Motion" ab.
She Only Owns You, das messerscharfe Lie Detector, Like A Bomb, Life Of Sin, I Never Sleep (das glaubt man gerne, Anm. d. Red.), Sonic Slow Motion Trails, All The Way Down, Mental Hell und Basket Case sind dominanter Bestandteil einer umfangreichen Setlist, die fast alle Phasen Oliveris Schaffens umfasst (sieht man einmal von KYUSS und den DWARVES ab).

Mondo Generator

Denn natürlich gibt es noch einiges vom Vorgängeralbum "A Drug Problem That Never Existed" mit dem maßgeschneiderten Opener Here We Come, F.Y. I'm Free, Jr, High Love, So High, So Low und Open Up And Bleed For Me, sowie aus der Frühzeit von MONDO GENERATOR Shawnette und als fulminanten Rausschmeißer 13th Floor vom Album "Cocaine Rodeo". Allem Knatsch zum Trotz werden auch die QUEENS OF THE STONE AGE nicht ausgespart und finden mit Gonna Leave You (von "Songs For The Deaf") sowie Ode To Clarissa und Auto Pilot (von ""Rated R") ihre wohlverdiente Würdigung, natürlich in angemessen brutalem Soundgewand. Und schließlich gibt es ein SUBHUMANS-Cover, dass Nick Oliveri als solches auf den Punkt bringt: Wake Up Screaming. Insgesamt, da viele Songs ja nur kurz sind und regelrecht herausgeschleudert werden, ist man nach einer guten Stunde schon durch mit dem Programm, aber Nick und seine Mitstreiter Ian Taylor und Spud an der Gitarre und Hoss (ehemals JUD und damit ein guter Bekannter der oben angesprochenen Nois-O-lution-Crew) haben mitsamt Zugaben alles aus sich und dem Publikum herausgeholt, so dass nach einer derartigen Vollbedienung keine Wünsche offen bleiben. Und alles ging sogar ohne Skandälchen ab. Ein rundum gelungener Abend der etwas härteren Gangart im sonst eher Indiepop gewohnten Lido, das mit seinem fünfziger Jahre Charme eine echte Bereicherung für die Berliner Musikszene darstellt.

Ralf Stierlen, 29.11.2006

Bilder: Peter Tenzler, 06.11.2006

 

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