Berlin, Mudd Club, 23.09.2004 | |
Doch, es gibt genügend Rockmusik in der Hauptstadt. Nicht nur Elektronisches in den Klubs, nicht nur Trash Pop, nicht nur die ÄRZTE, die BEATSTEAKS oder die unsäglichen MIA. Der rockige Untergrund in Berlin lebt, und um dies zu beweisen, hat Setalight Records den Sampler "Berliner Ring" herausgebracht, auf dem sich 14 Bands verewigt haben, die die etwas härtere, gitarrenorientierte Gangart bevorzugen. Gemeinsam mit B.E.A.P. Entertainment entstand die Idee, das Ganze auch im Rahmen einer Record Release Party auf die Bühne zu bringen und so kam es dazu, dass an einem verregneten Donnerstag Abend ein heftiges Gewusel im Mudd Club auf und um die Bühne herum herrschte.
Letztlich standen 12 Bands an diesem Abend auf der Bühne (SULA BASSANA, bekanntlich das Soloprojekt des Ex-LIQUID VISIONS-Bassisten Dave Schmidt und ELECTRIC LIZARD fehlten) um jeweils zwei Songs zu spielen. Da jede Band auch ihre entsprechende Anhängerschaft mitgebracht hatte (wobei sich natürlich auch große Schnittmengen bildeten), war der Mudd Club ziemlich gut besucht.
Den Anfang machten BEACH mit recht lebendigem, schön sperrigem Alternativerock, durchzogen von gepflegten Noiseattacken.
Das erinnerte ein wenig an MUSE, ohne deren Pathos und nervigen Gesang zu übernehmen. Ein gelungener Auftakt.
Die nachfolgenden ARVID NOIR hatten deutlich spürbar eine Menge Fans dabei und machen nach eigenen Angaben "unkonventionelle Rockmusik". Tatsächlich entzieht sich ihr energiegeladener Sound jeglichen Schubladen und gegen Ende kamen die beiden Gitarren richtig in Schwung.
Viel umjubelt auch der Auftritt von ORWO 6, die eine instrumentale, bluesig-harte Stonervariante im Stile von KARMA TO BURN auf die Bühne brachten. Insgesamt lief es teilweise ein wenig unrund, vor allem beim zweiten Song hakte es ab und zu, aber die Band hat durchaus Potential zum Liveabräumer.
Mit DRIVE BY SHOOTING wurde es dann ein klein wenig punkiger. Kick Ass Rock im, ich nenne es jetzt mal so, schwedischen Stil von Angel, Timo und Brumm mit Schmackes aufgetischt.
Sänger Angel fehlen vielleicht ein paar Dezibel zum veritablen Rockshouter, aber ansonsten lief es ganz flüssig.
Danach waren die Stoner von SAMAVAYO an der Reihe... die kamen aber nicht, sondern nur ein Fragment, bestehend aus dem Drummer (der eigentliche Gitarrist) und Basser (hier an der Gitarre) von SAMAVAYO plus einem zusätzlichen Mann. Ungeprobt und erst einen Tag vor diesem Konzert zusammengestellt - also das war leider nix. Mit dem Rücken zum Publikum wurde eher zähflüssig im Drone-Stil vor sich hin gedaddelt und am Ende fiel irgendwie auch noch alles auseinander. Das hat man schon deutlich besser von der Band gesehen (wenn sie in Normalform zu viert auftreten), schade drum. Aber das ist der Vorteil an einem derartigen Abend: kein langes Wundern oder Ärgern, keine große Verschnaufpause, die Umbaupausen waren wider aller Befürchtungen allesamt im erträglich Rahmen, so dass es schnell weiterging.
Der nächste reguläre Auftritt von SAMAVAYO findet am 05.11.2004 im Berliner Knaack statt.
LUCIES BRAINFUCK waren für die Punk- und Hardcorefraktion zuständig und lieferten eine Auftritt Marke schnell, hart, kompromißlos ab.
Danach waren dann die Berliner Psychedelic-Helden LIQUID VISIONS an der Reihe.
Mit zwei etwas härteren Songs, mit ausgedehnten Parts des von Katja Wolff bedienten Theremines, gelang es ihnen tatsächlich, ein wenig Räucherstäbchen-Stimmung aufkommen zu lassen und trotzdem heftig abzurocken. Ein erster Höhepunkt.
Lange nichts mehr gehört hatte man leider von OJO ROJO mit ihrem Amphetamine Rock (zu schnell, um Stoner Rock zu sein).
Die Band hat, was doch einigen Berliner Formationen fehlt: mit Matt Rosta einen klasse Sänger. Und natürlich den Hans-Dampf an der Gitarre Olli Wong. Nach einem krachig-rockigen Set mußte man wieder feststellen, dass zwei Songs einfach zu kurz sind.
Einen etwas relaxter-groovigen Ansatz haben die STONEDUDES, die mit vielen Southern- und Blueselementen aufwarten können. Leider ging der Gesang reichlich unter, so dass der Eindruck am heutigen Abend einigermaßen zwiespältig blieb.
ROTOR spielen heftigen Wüstenrock der Marke KYUSS, allerdings rein instrumental in entsprechend ausufernden Stücken. So sehr ich Stonerrock und langausgedehnte Gitarrenausflüge liebe, fehlt mir hier doch (zumindest bei den heute live gespielten Sachen) so etwas wie eine Songstruktur und ein kompositorischer roter Faden. Andererseits ist das, was Tim, Marco und Milan auf die Bühne bringen so schön unkommerziell, dass man es dennoch lieben muss.
Als vorletzte Band des Abends brachte KIND ein wenig mehr Aggressivität ins Spiel. Ihr moderner Metal mit Thrash und Doom-Anleihen pushte nochmals mächtig auf, genau das Richtige zu solch vorgerückter Stunde.
Und schließlich als Schluß- und weiterer Höhepunkt ein dunkel-metallischer Auftritt von THE OCEAN, die es tatsächlich schafften innerhalb (für ihre Verhältnisse) kürzester Zeit alles aus sich herauszuholen und einen derartig energiegeladenen Set ablieferten, der Publikum und Band regelrecht erschöpft zurückließ. Großartig.
Fazit: Ein sehr langer und trotzdem kurzweiliger Abend, der klarmachte, dass Berlin in Sachen Rockmusik lebendig und spannend ist. Die Tatsache, dass die zwei Songs oftmals zu wenig waren, sowohl für Band als auch Zuhörer, darf ja als Ansporn für die beteiligten Musiker gewertet werden, da für fast alle galt: Mehr davon!