Bolus Delayed Reaction, Eigenvertrieb, 2010 |
Nick Karch | Gesang, Gitarre, Bass & Keyboards | |||
Mat Keselman | Schlagzeug, Percussion, Gesang & Flöte | |||
Gastmusiker | ||||
Daniel Avner | Bass, Bass-Pedale & Gesang | |||
Kyle Grounds | Keyboards & Gesang | |||
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01. Those Who Saved Us | 07. He And I Like | |||
02. Outside | 08. Doorstep Thoughts | |||
03. Instructions | Drawing A House In Perspective | |||
04. Postman | 09. Home Is Where The Heart Is | |||
05. Push To Exit | 10. Paranoia Safehouse | |||
06. White Window | 11. Steps Under Shelter | |||
Der erste Eindruck ist kein guter: Das Cover-Artwork von Jodi Sandler zu “Delayed Reaction“ der zweiten Veröffentlichung der Kanadier BOLUS gehört sicherlich zu den ganz heißen Anwärtern auf den Titel des fürchterlichsten Covers des noch jungen Jahres. Damit steht es aber in der Tradition des ersten Albums, denn “Watch Your Step“ von 2005 war auch keinen Deut besser. Jeder Kunststudent hätte das bei einer groben ersten Skizze wohl besser hinbekommen. Aber wie heißt es so schön im englischen: never judge a book by its cover. Und selten war der Sinnspruch so zutreffend, wie in diesem Falle.
Denn der Inhalt steht im diametralen Gegensatz zur Verpackung: BOLUS servieren Progressive-Rock der spielerischen und kompositorischen Spitzenklasse. Als Referenzen fallen – wie immer bei kanadischen Bands – RUSH als Erste ein. Dies ist schon beim Opener Those Who Saved Us evident, aber hier zeigen Teile der Gesangs-Passagen im Zusammenspiel mit den cleanen Gitarrenstrukturen eine Parallele zu Bands wie SIEGE’S EVEN oder SUBSIGNAL auf. Aber darüber hinaus haben die beiden Musiker Nick Karch (Gesang, Gitarre, Bass & Keyboards) und Mat Keselman (Schlagzeug, Percussions, Gesang & Flöte) aber auch genau bei Bands wie YES, KING CRIMSON, GENESIS oder aber den BEATLES hingehört. Aber die Musik klingt nicht rückwärts gewandt, sondern schließt auch Einflüsse von modernen Bands wie etwa FATES WARNING oder PORCUPINE TREE ein.
BOLUS beherrschen die gesamte Bandbreite von hart bis zart; und das meist sogar noch innerhalb eines Songs. Sie verbinden ihre wechselvollen und clever arrangierten Longtracks stets mit unwiderstehlichen, ohrwurmartigen Melodien, die schon beim ersten Hören bleibenden Eindruck hinterlassen, aber auch beim 20. Hördurchgang immer noch fesselnd klingen. In vielerlei Hinsicht erinnern mich BOLUS an HEART OF CYGNUS und das nicht nur, weil beide Bands aus jeweils nur zwei Musikern bestehen. Auch im Hinblick auf ihre musikalische Tradition stehen sie sich sehr nahe und bei der Qualität der Kompositionen begegnen sich BOLUS und HEART OF CYGNUS auf Augenhöhe.
Dabei beweisen BOLUS auf “Delayed Reaction“ sogar den etwas weiter gefassten musikalischen Background, denn ein Stück wie Postman mit seinem zwischenzeitlichen Raggae-Rhythmen oder das sehr elektrische Doorstep Thoughts sorgen zwischen den rockigen Stücken immer wieder für besondere Aufmerksamkeit – eben weil sie komplett aus dem Rahmen fallen. Es sind auch solche Stücke, die neben den Rock- und Metal-Songs dafür sorgen, dass “Delayed Reaction“ so eine runde Sache geworden ist und eben nicht einfach nur in einem Stil daherkommt. Insofern sind alle Prog- und Rock-Freunde gut beraten, sich nicht von dem Cover abschrecken zu lassen. Der Inhalt dieser Scheibe ist pure musikalische Glückseligkeit.
P.S.: Ach ja, wer sich übrigens über den Bandnamen BOLUS wundert, dem sei gesagt, dass das lateinische Wort (ursprünglich stammt der Begriff aus dem griechischen und bedeutet dort: Wurf oder Schuss) sowohl im medizinischen Bereich für die einmalige intravenöse Gabe eines Medikaments steht, oder aber pharmakologisch eine große Pille ist. Wahrscheinlicher dürfte aber sein, dass die Karch und Keselman diesen Namen aus der gestaltenden Kunst gesucht haben. Dort bezeichnet ein Bolus einen Klumpen Ton.