Working On A Dream, Sony BMG, 2009 | ||||
Bruce Springsteen | Guitar, Harmonica, Percussion, Glockenspiel, Keyboards, Vocals | |||
Nils Lofgren | Guitar, Vocals | |||
Clarence Clemons | Saxophone, Vocals | |||
Patti Scialfa | Vocals | |||
Roy Bittan | Organ, Piano, Accordion | |||
Danny Federici | Organ | |||
Garry Tallent | Bass | |||
Soozie Tyrell | Violin, Vocals | |||
Patrick Warren | Piano, Keyboards | |||
Max Weinberg | Drums | |||
Steve Van Zandt | Guitar, Vocals | |||
Jason Federici | Accordion | |||
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01. Outlaw Pete | 08. Tomorrow Never Knows | |||
02. My Lucky Day | 09. Life Itself | |||
03. Working On A Dream | 10. Kingdom Of Days | |||
04. Queen Of The Supermarket | 11. Surprise, Surprise | |||
05. What Love Can Do | 12. Last Carnival | |||
06. This Life | 13. Wrestler (Bonus Track) | |||
07. Good Eye | ||||
Der Boss wird dieses Jahr am 23.September 60 Jahre alt. Da kann man schon mal sentimental werden und auch einer wie Springsteen schaut dann gerne mal zurück, driftet in seine Jugendjahre, denkt an all die schönen, alten Melodien mit denen er einst groß wurde. Mitte der Sechziger war Springsteen 16, 17 Jahre und da bevölkerten etliche Bands und Künstler die amerikanischen Charts, die mit Sha-la-la's und Na-na-Na's und zuckrigen Harmonien, mit schönem Gesang und aufgeplusterten Arrangements das Volk für sich einnahmen und zum Mitträllern animierten. "Working On A Dream" ist ein Album in diesem Geiste, hantiert mit großen Gesten, ausladenden Arrangements (in fast schon Phil Spector'schen Ausmaßen) und scheut sich nicht, hin und wieder die Grenzen zu Schmalz und Pathos zu überschreiten. Spötter werden wohl lamentieren, der Boss habe hier ein zu großes Fass angestochen, er sei auf dem schmalen Grat zwischen Kunst und Kitsch ein wenig ausgeglitten. Doch ein Künstler von seinem Format macht das, wozu er Lust und Laune hat, lässt sich nicht beirren. Springsteen jedenfalls hat mit seiner E-STREET BAND und dem erneut an den Schalthebeln sitzenden Produzenten Brendan O'Brien ein rundes und konzeptionell gut angelegtes Album aufgenommen.
Die Hörer, denen eine gewisse Affinität zu süßholzraspelndem Pop abgeht und die lediglich auf den kantigen, eckigen, hemdsärmeligen Boss schwören, wird "Working On A Dream" wahrscheinlich die Sorgenfalten auf die Stirn treiben. Songs wie This life, Queen of the supermarket oder auch Surprise, Surprise klingen in ihrer Schmalzigkeit schon recht heftig, bergen aber dennoch, vorausgesetzt man lässt sich von seinen Ressentiments nicht übertölpeln, einige wundervolle, schwelgerische Momente, allertollste Ohrwurmmelodien und jede Menge Wohlfühlpotenzial. Ein Lied wie Queen of the supermarket entwickelt nach zwei-, dreimaligem Hinhören einen irrwitzigen, magischen Sog und lässt einen nicht mehr los. Der Titelsong Working On A Dream , den ich zu gerne mal vom unvergessenen Roy Orbison intoniert gehabt hätte, hebt auf unvergleichliche Weise die Laune eines jeden Pessimisten. Ein Radiohit, wie gemalt und nicht nur wegen der naheliegenden Korrelation zu Neupräsident Barack Obama schon jetzt einer der Songs des Jahres.
Die verzerrte und kreischende Bluesadaption von Good eye wirkt da schon fast wie ein Fremdkörper innerhalb des Albumkonzepts, das im Anschluss an die ebenfalls schon recht poplastigen ""Magic""-Sessions ersonnen wurde. Wer vom letzten "Magic"-Album so fabelhafte Songs wie Girls in their summer clothes nicht sonderlich mochte, braucht sich mit "Working On A Dream" gar nicht erst großartig beschäftigen, der soll sich die E-STREET BAND, die Springsteen hier erneut mit ins Boot genommen hat, in ihrer ""The Rising""-Phase anhören oder eben noch ältere Sachen auflegen. Es gibt ja zum Glück genügend Ausweichmaterial.
Ja, richtig, die gute alte E-STREET BAND macht hier mal wieder ordentlich Dampf. Alle sind wieder mit dabei, selbst der im vergangenen April leider verstorbene Tastenmann Danny Federici (R.I.P.) ist hier noch auf einigen Tracks präsent. Clarence Clemons, der hünenhafte Saxofonist, mag dem einen oder anderen im Laufe der 12 Songs (plus einem Bonus-Track) ein wenig unterrepräsentiert vorkommen, Soozie Tyrell und ihre Fiddle findet auch kaum statt, Gitarrensoli (ob nun von Lofgren, van Zandt oder dem Chef selbst) spielen eine extrem untergeordnete Rolle, aber dafür gibt's dann reichlich Geigen und jede Menge vielstimmiger Sha-La-La's und Na-Na-Na's, Pfeifen, Jauchzen und Jubilieren und den einen oder anderen bittersüßen, melancholischen Moment.
"Working On A Dream", ein Album, das nicht jedem Boss-Fan gefallen wird. Man muss es ja nicht lieben, man sollte es sich aber zwei- oder dreimal in Ruhe anhören und versuchen, die zahlreichen, liebenswerten Momente zu entdecken. Es gibt sie, garantiert.
Die vom eingefleischten Patrioten Springsteen vielzitierte Kluft zwischen Traum und Wirklichkeit (American dream versus American reality) wird mit diesem Album zwar nicht unbedingt kleiner, aber ein paar kuschelig warme Augenblicke haben schließlich noch niemandem geschadet.