Buddy & Julie Miller Written In Chalk, Blue Rose Records, 2009 |
Buddy Miller | Vocals, Guitars | |||
Julie Miller | Vocals, Acoustic Guitar | |||
Chris Donohue, Dennis Crouch, Byron House | Bass | |||
Brady Blade, Bryan Owings, Jay Bellerose | Drums | |||
Larry Campbell | Fiddle, Mandolin | |||
Stuart Duncan | Fiddle | |||
Kami Lyle | Trumpet | |||
Patty Griffin, Robert Plant, Emmylou Harris, Regina & Ann McCrary | Vocals | |||
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01. Ellis County | 07. Chalk | |||
02. Gasoline And Matches | 08. Everytime We Say Goodbye | |||
03. Don't Say Goodbye | 09. Hush, Sorrow | |||
04. What You Gonna Do Leroy | 10. Memphis Jane | |||
05. Long Time | 11. June | |||
06. One Part, Two Part | 12. The Selfishness In Man | |||
Bei manchen Platten spürt man dieses gewisse Etwas, dieses Prickeln, diese Gewissheit, es mit einem ganz großen, vorzüglichen Album zu tun zu haben schon sofort beim ersten Hören. Das hat nichts mit schnell greifbaren Hooklines oder plakativen Textzeilen zu tun, sondern eher mit der schlüssigen Gesamtkonzeption und einer tiefen und wahrhaftigen Emotionalität, die quasi aus jeder Rille perlt. Was heißt hier Rille? Es ist schon seltsam, dass man immer noch in diesen alten Idiomen spricht, doch bei diesem neuen Buddy & Julie Miller Album passt es wirklich ganz trefflich ins Bild. Übrigens, es wird auch eine limitierte 180 Gramm Vinyl Version angeboten. Das Cover-Artwork, das ein Gemälde des Künstlers Brian Kershisnik ziert, bietet sich geradezu an für eine große 33er Scheibe.
Mit "Written In Chalk" hat das beliebte, bewunderte und vielbeschäftigte Roots-Musiker-Ehepaar gewissermaßen einen Meilenstein der neueren Americana-Geschichte eingetütet. Ob die Herrschaften dies während der Aufnahmen ebenfalls gespürt haben und sich im Zuge dessen zu andauernden Höchstleistungen inspiriert fühlten, ist mir natürlich nicht bekannt. Aber, und das bleibt ausschlaggebend, es fühlt sich so an.
"Written In Chalk", Buddy und Julies Zweitwerk und erste gemeinsame Veröffentlichung seit 2001 (mal abgesehen von dem Sampler "Love Snuck Up") stellt sich also komplett in den Dienst der Gefühle, weckt insbesondere mit seinen bewegenden und anrührenden Balladen Emotionen wie Trauer und Mitgefühl und die Gewissheit, dass Julie und Buddy dem Hörer schlicht und einfach aus der Seele sprechen. Die Eröffnungszeilen dieses Albums, die in Zeiten wachsender Globalisierung und sich auftürmender Probleme um so schwerer wiegen, entlocken einem schon einen tiefen Stoßseufzer, der zwar letztlich voller Pathos gen Himmel steigt, aber deswegen nicht unechter wird: "Take me back when times were hard but we didn't know it, if we ate we had to grow it. Take me back when all we could afford was laughter and two mules instead of a tractor." Ja, ja, früher war alles besser, so denken doch nur die Alten, kriegt man dann vorwurfsvoll an den Latz geknallt, aber dieses Gefühl kann man nicht einfach so abschütteln wie eine lästige Fliege. Ein Lied wie Don't say goodbye rührt einen dann endgültig zu Tränen. Und ich sag euch was, man fühlt sich gut danach.
"Written In Chalk" klingt fett, vollmundig, offen und analog, klingt wie "echte Band spielt sich im Aufnahmestudio die Herzen heiß". Das Klavier von John Deaderick ist durchweg grandios, so ökonomisch wie schön gespielt, und diese herrlichen Akustikgitarren, Applaus. Applaus, und, nicht zu vergessen die Mandoline von Larry Campbell in Hush, Sorrow landen einen Treffer nach dem anderen. Bei Julies Jazz-Ballade Long time meint man sogar der Geist von Chet Baker oder Miles Davis sei durch die gestopfte Trompete von Bläser Kami Lyle gehuscht.
Bleiben noch die wunderbaren Gesangsdarbietungen von Buddy und Julie, sowie die der eingeladenen Gäste: Patty Griffin (gleich 2x), Robert Plant, Emmylou Harris, Regina und Ann McCrary. Fantastische Duettleistungen.
Julie, die übrigens einen Großteil der Songs im Alleingang komponierte, singt noch besser und spürbar reifer als zu Zeiten ihres glanzvollen Soloalbums "Broken Things" von 1999. In June, dem steinerweichenden Abschiedssong an June Carter Cash, erinnert Julies Stimme gar an das fragile und dennoch unverwüstliche Hauchen einer Grande Dame wie Rickie Lee Jones.
Hier noch weiter auf die Vorzüge der einzelnen Songs einzugehen, gliche dem sprichwörtlichen Eulen-Nach-Athen-Tragen. Auf "Written In Chalk" versammelt sich von Song Eins bis Zwölf feinste Qualität auf sehr hohem Niveau. Ich sagte ja eingangs bereits, ein Meilenstein, nicht mehr und nicht weniger. Und wenn die Plant/Krauss Kollaboration "Raising Sand" (Buddy Miller spielte immerhin auch in Plant/Krauss' Touring Band) einen Grammy eingeheimst hat, was ich persönlich schon überraschend fand, weil deren Qualitätskurve tatsächlich einige Dellen aufwies, dann müsste "Written In Chalk" kommendes Jahr zumindest zum Nominiertenkreis gehören und vielleicht sogar einen Grammy gewinnen. Ich würd's den Beteiligten wünschen, zumal Buddy sich im Februar nach einem Herzinfarkt einer schweren Bypass-Operation unterziehen musste und solche Glücksmomente dem Herzen nur guttun können.