Chris Kramer Chicago Blues, Blow Till Midnight Records, 2010 |
'Crazy' Chris Kramer | Gesang, Mundharmonika | |||
Pinetop Perkins | Klavier | |||
Bob Stroger | Bass | |||
Willie 'Big Eyes' Smith | Schlagzeug | |||
Frank Karkowski | Guitar | |||
Mick Taylor | Gitarre | |||
Riley Osborne | Orgel | |||
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01. Harp Boogie | 07. Froschkönig Blues | |||
02. Jedesmal | 08. Was geschehen ist, ist geschehen | |||
03. Ich bat um einen Kuss zum Abschied | 09. ich beiss mich da jetzt durch | |||
04. Es gibt gut, besser und es gibt mich | 10. Ich sitz hier und warte | |||
05. Die Frau von meinem Vermieter ist krank | 11. Ich wach heute morgen auf | |||
06. Darf ich bitten | 12. Viel zu lang gewartet | |||
Preisfrage: Was kommt heraus, wenn ein Musiker aus Marl, der das Ruhrgebiet selbstredend als seine Heimat empfindet, nach Austin (Texas) düst, um mit alten gestandenen Muddy Waters Kumpanen eine Platte aufzunehmen? Chistin Blues oder Aucago Blues? Blödquatsch. Heraus kommt im Falle des preisgekrönten Blues-Harp-Meisters Crazy Chris Kramer nichts anderes als eine Huldigung an die elektrischen Wurzeln des Blues, sprich ein sattes und prall gefülltes Album namens "Chicago Blues".
Damit ist eigentlich schon alles gesagt. Bluesexperten wissen was hinter dem Idiom Chicago Blues steckt. Bluesexperten könnten aber auch ihre Probleme mit Chris Kramers Bluesinterpretationen bekommen, insbesondere womöglich Hardliner und Puristen, die die Vertonung altehrwürdiger Bluesschemata mit deutschen Lyrics als blaspemisch abtun. Denen ist dann eh nicht zu helfen und diese Puristen müssen es sich in ihrem knorrigen Wurzelwerk so einrichten, wie sie es mögen.
In der Rückschau hatte ich ja auch so meine anfänglichen Probleme mit Kramers Philosophie, als ich ihn vergangenes Jahr im Zuge der "... unterwegs" Rezension kennenlernte. Man muss sich ein wenig einhören und auf die deutsche Wortwahl, die mitunter etwas ungewöhnlich daherkommt, einlassen. Das geht sehr wohl, zumal Kramer mit einer gewissen Leichtigkeit und der dem Ruhrgebiet innewohnenden Schnoddrigkeit Texte ausbreitet, die einen gewissen kumpeligen Charme und eine nette Portion Witz transportieren.
Dass dieses Album, welches mit alten Strategen wie Pinetop Perkins (Piano), Willie Smith (Drums) und Bob Stroger (Bass) mehr als adäquat besetzt ist und in Stuart Sullivan einen kongenialen Tonmann findet, sein Motto "Chicago Blues" handwerklich geschickt und durchaus gefühlsecht rüberbringt, darf sich der verrückte Chris Kramer als berechtigten Lohn in seiner Erfolgsbilanz verbuchen. Mick Taylor, der alte STONES-Gitarrist macht auf zwei Titeln auch noch mit, doch das kennen wir ja schon vom "... unterwegs" Album. Da gibt es dann eben auch zwei Titelüberschneidungen: Es gibt gut, besser und es gibt mich, sowie Ich beiß mich jetzt da durch, was nicht weiter schlimm ist, denn die Songs sind gut und haben ihre Berechtigung unter Beweis gestellt. Der Rest ist neu und ebenso gut. Kramer und die Herren grooven sich durch sämtliche Schattierungen des Chicago Style, unterstützt von einem weiteren Deutschen, dem Gitarristen Frank Karkowski, der mit tollem Sound und authentischem Feeling seine E-Gitarre streichelt und herzt, so dass man sich bisweilen an den frühen Peter Green zu Zeiten des FLEETWOOD MAC Debutalbums erinnert fühlt. Klasse Leistung. Kramer selbst bläst seine Blues-Harp wie immer in Hochform, juchzt und jauchzt wie ein Besessener und brilliert nicht nur in den Instrumentaltiteln mit feurigen Soli.
Für mich persönlich stellt sich der absolute Höhepunkt ganz zum Schluss ein, wenn die Combo mit dem siebenminütigen Slow Blues Viel zu lang gewartet eine herrliche Atmosphäre kreiert, die, getragen von schwebend rotierenden Hammond B-3 Kaskaden, eine Verschmelzung von Chicago Style und frech forschem British Blues Boom abfeiert. Ganz wunderbar. Erneut also ein empfehlenswertes Album aus dem Chris Kramer Lager. Nur weiter so.