Chris Stamey

Lovesick Blues

( English translation by Google Translation by Google )

CD-Review

Reviewdatum: 27.02.2013
Jahr: 2013
Stil: Singer-Songwriter

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Chris Stamey Homepage



Redakteur(e):

Steffen Frahm


Chris Stamey
Lovesick Blues, Yep Roc Records, 2013
Produziert von: Jeff Crawford Länge: 49 Min 24 Sek Medium: CD
01.Skin07.The Room Above The Bookstore
02.London08.Wintertime
03.Astronomy09.Occasional Shivers
04.Anyway10.Lovesick Blues
05.You n Me n XTC11.If Memory Serves
06.I Wrote This Song For You

Die dB's haben letztes Jahr nach 25 Jahren ohne neue Platte mit "Falling Off The Sky" in Originalbesetzung ein bei Kritikern und Fanbase sehr willkommen geheißenes Reunion-Album veröffentlicht, mit dem sie problemlos an ihre ersten 4 zwischen 1981 und 1987 erschienenen Werke anknüpfen konnten. Chris Stamey gründete zwar die Band, spielte aber nur auf "Stands For Decibels" (1981) und "Repercussion" (1982) mit.

"Lovesick Blues" ist sein erstes Solo-Album seit der 2005er Kollaboration mit Hobokens long-time-indierock-darlings YO LA TENGO titels "A Question Of Temperature". Man sollte auch erwähnen, daß Stamey in den 70ern mit Alex Chilton gespielt hat, womit sein Name nochmal mit dem Semi-Legendären verknüpft wäre.

"Lovesick Blues" ist ein durch und durch gediegenes (und das meine ich nichtmal negativ, auch wenn's nicht so total meine Tasse Teewurst ist), über weite Strecken akustisch instrumentiertes... ja, wie nennt man das... Die dB's galten als Vertreter, wenn nicht gar Aushängeschilder des Jangle Pop (ein Begriff, der sich wahrscheinlich einer bestimmten Haltung zum Gitarrespielen verdankt: BYRDS-informierte, cleane, vielleicht gephase'te Sounds halt).
Power Pop war eine andere Bezeichnung, aber die ist eigentlich irreführend, denn jeder neue austauschbare Bumsmusik-Klon für's Formatradio hat in terms of production mehr Power als die dB's oder Chris Stamey, aber solche Zuschreibungen muß man wohl vor dem Hintergrund ihrer Zeit sehen, und Chris Stamey macht sehr hochwertige, aufrechte, menschliche Musik, keinen Micky-Maus-Scheiß.
Kammerpop habe ich anderswo gelesen, aber das haut für mich auch nicht hin. Wenn ich "Kammerpop" lese, muß ich eher an so extrem manirierte, betont kunstvoll und mehr oder weniger exzentrisch geschraubte Elaborate wie XTCs "Apple Venus Vol. I" (2006) denken. Chris Stamey geht trotz eines sehr angstfreien Umgangs mit Holzblasintrumenten (z.B. in der virtuos ausufernden Instrumentalpassage des Titelstücks) doch eher in der Tradition amerikanischer Rockmusik mit Country- und Folk-Elementen an die Sache. Trotzdem habe ich XTC nicht erwähnt, weil mit grad' nichts Besseres einfiel: Andy Partridge, Ex-Valiumjunkie und vor allem Ex-XTC (XXTC, ächz...)-Mastermind wollte leider nicht auf You n Me n XTC mitsingen (wäre ihm wohl zu offensichtlich gewesen), nahm aber als externer Berater Anteil an der Produktion und den Arrangements. Die letztlich also ohne ihn eingespielte Hommage ist ein sich wunderbar im eigenen Groove wiegender Rockpop-Smasher, zu dem man Autofahren und in Erinnerungen schwelgen möchte. Westerngitarren, Streicher, Trompeten, mehrstimmige "Aaaaaah"s - Stamey spart nicht mit barocker Reichlichkeit, trotzdem bekommt man kein Sodbrennen von dieser Musik. Sie ist nicht wie schweres, fettiges Essen, eher wie ein Gericht aus vielen, painstakingly genau abgemessenen Zutaten, die man alle rausschmeckt und die die Mahlzeit zum Vergnügen machen. Hinterher ist man gesättigt (nicht vollgefressen), die Geschmacksnerven räkeln sich auf kleinen Chaiselongues, und man fühlt sich bereichert.

Anyway haut mit würdevoll voranschreitendem Rockbeat in die gleiche Kerbe: Stameys relativ dünne (deskriptiv gemeint!), insgesamt irgendwie neutral anmutende Stimme erinnert an George Harrison, geht manchmal leicht ins Brian-Wilsoneske, er läßt Pausen zwischen den knappen Zeilen, in denen der Song atmet, die Geigen und Celli sich auffächern wie große amerikanische Film-Scores, und irgendwann bläst ein Saxophon los. Da müssen Menschen wie ich an Gerry Rafferty denken, ohne sich dabei komisch zu fühlen.
I Wrote This Song For You offenbart (stellvertretend für alle anderen Songs) ausgebufftes Songwritertum, was man besonders an dieser Bridge mit dem kurzen Klarinettensolo merkt. Diese handwerklich makellos gedrechselte Ausgearbeitetheit kann man auch maniriert finden, wie man Bye, Bye, Miss American Pie maniriert finden kann, aber Leute, die solche Sachen mögen, könnten mit diesem Album muckelig werden. Und wenn Stamey im anschließenden The Room Above The Bookstore die allgemeine Stimmung etwas düsterer macht und singt, es wäre ein "... Leonard Cohen morning...", wird es nicht wirklich abgründig. Es bleibt temperiert und schön.

Chris Stamey hat mit "Lovesick Blues" ein Album vorgelegt, wie man es nur hinbekommen kann, wenn man einige Jahre Erfahrung auf dem Buckel hat. Man kann froh sein, daß er seine Musik dabei nicht in totaler Altmeisterlichkeit verharzen läßt, sondern Frische und Leichtigkeit rüberbringt. Sehr gut!

Steffen Frahm, 24.02.2013

 

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