Dein Schatten Jeden Tag ein Kreativschub, Interview |
Dieter Bornschlegel zählte in den frühen Siebzigern als Mitglied von Bands wie GURU GURU, ATLANTIS oder RAMESH zu den Pionieren deutscher Rockmusik, die im englischsprachigen Ausland milde belächelt und halb liebevoll, halb spöttisch als 'Krautrock' tituliert wurde. Seit damals bereichert der von Kritikern hochgeschätzte Gitarrist die Musiklandschaft, ließ sich stilistisch nie festnageln und ist im Jahr 2004 unter dem Pseudonym 'BornZero' mit dem Projekt DEIN SCHATTEN tief in die schwarze Szene eingetaucht. Das Debüt "Das ewige Eis" gehört zu den großen Überraschungen des Jahres und gerne nahmen wir die Chance wahr, mit einem kleinen E-Mail-Interview noch etwas mehr Licht in den Schatten zu bringen. Hooked on Music: Das DEIN SCHATTEN-Debüt ist ja nun schon eine Weile erhältlich. Wie waren so allgemein die Reaktionen darauf? Bist Du zufrieden mit den Resonanzen? BornZero aka Dieter Bornschlegel: Wie das halt so ist mit ewigem Eis. Es währt Ewig. Kalte Füße habe ich allerdings noch nicht bekommen. Im Gegenteil es läuft immer besser. Grund meiner Freude sind die vielen positiven Reaktionen auf dieses Album und das wachsende Interesse an meiner Arbeit. All die wahnsinnig viele Arbeit an den Songs und ebenso das hartnäckige Durchhalten bei der Promotion hat sich gelohnt. Eigentlich war ich mir sicher gewesen, dass mein Songwriting, sowie meine Erfahrung am Instrument wie auch im Leben allgemein, etwas Neues in die heimische Musikszene bringen würde.
Als BMG bzw. Devman im Jahre 2001 die Vereinbarung nicht einhielt und der Vertrag mit Drakkar Records nicht zustande kam, war das erstmal ein kleiner Schock. Da beginnt man dann so gut wie von vorn. Das kostet Kraft und nagt am Selbstwertgefühl. Aber mit der Zeit entwickelt man ein dickeres Fell, obwohl ich hin und wieder immer noch mal einen kleinen Koller kriege. HOM: Das Album ist auf fünfhundert Exemplare limitiert. Gilt das nur für die Erstauflage, um einfach mal abzuchecken, ob es überhaupt einen Markt für DEIN SCHATTEN gibt? Und wie ist der derzeitige Stand? Ist die nächste Auflage schon geordert? D.B.: Da sind wir gleich wieder bei einem weiteren meiner "Lieblingsthemen": Record Labels. :-( Ein Horror, ein Fiasko. Wir haben jetzt 6 oder 7 Labels durch. Von BMG bis zur kleinen Klitsche. Alles Käse. Alle Wege führten ins Nichts, in die Irre. Nebulöse Versprechungen allerorten. Zeitverschwendung. Die "Firma" Badd Boyzz Roxx, die unsere CD ja eigentlich momentan verkaufen sollte, gibt es auch nicht mehr. Die sind pleite bzw. die hatten eigentlich wie sich herausstellte nie Geld. Es ist ja nicht so dass wir Unmögliches fordern würden. Die CD sollen sie pressen, mehr nicht. In Russland arbeiten wir zum Glück mit Irond Record zusammen. Sehr gute Leute. In USA vertreibt CD Baby unser Album. Ebenfalls ein hervorragend organisierter Betrieb. Nur zu empfehlen. HOM: Du hast im Laufe Deiner Karriere ja schon eine ganze Menge unterschiedlicher Musik gemacht. Am bekanntesten dürfte dabei Deine Krautrock-Phase mit GURU GURU, ATLANTIS und Inga Rumpf sein. Warum jetzt ein Dakwave/Gothic-Album? Um die Vita zu komplettieren? Oder einfach nach Motto: Was Witt & Rammstein können, das kann ich auch? D.B.: Rockmusik fristete damals mehr oder weniger ein Außenseiterdasein. Es gab vielleicht ein zwei Sendungen pro Woche im Radio die sich damit beschäftigten. Und dann auch vorwiegend mit englischsprachigen Bands/Titel. CAN und Co. hatten kaum eine Chance gespielt zu werden. Aber man sieht daran, dass nicht immer alles bis zum gehtnichtmehr vermarktet werden muß um irgendwann erfolgreich zu sein. ATLANTIS und GURU GURU waren ohne Frage wichtige Stationen meines Lebens. ATLANTIS noch mehr als die Gurus. Ich war damals erst 18 Jahre, als ich in die Band um Inga Rumpf einstieg. Die damalige Plattenfirma wollte die Band richtig gross rausbringen. Wir waren überall präsent. Von Bravo und den anderen Pop Gazetten bis TV europaweit. Wenn man, wie ich, aus der tristen grauen Dortmunder Nordstadt kommt und im Arbeitermillieu aufgewachsen ist, dann ist das extrem spannend durch die verschiedensten Ländern zu touren und in einer Villa mit eigenem kleinen Park und Wald in den Harbuger Bergen nähe Hamburg zu wohnen. Der Grund, warum ich jetzt Gothic und angeschwärzte Songs schreibe, ist ein grosser Zufall. 1999 lernte ich Ussama "Ussi" Christian Absi dessen Frau und Kind während eines Urlaubs mit meiner Frau und unserer kleinen Tochter kennen. Wir verstanden uns auf Anhieb und besuchten uns nach diesen Ferien fortan regelmässig. Während eines dieser Besuche überredete mich Ussi, ein ehemaliger "Gruftie", doch mal einen Darkwave Song zu schreiben. HOM: Du hast "Das ewige Eis" praktisch im Alleingang aufgenommen und produziert. Für einen Musiker, der seine Wurzeln in den Siebzigern hat, ist das eher eine unübliche Vorgehensweise. D.B.: Es stimmt schon, dass viele Musiker meiner Generation bei Aufnahmen im Kollektiv zusammenarbeiten. Zum Unterschied hat alleine zu produzieren bei mir eine lange Tradition. Vielleicht liegt das daran, dass mir die Kollegen oftmals zu langsam gearbeitet hatten. Oder das "viele Köche verderben den Brei"-Syndrom. Schon vor 20 Jahren, bei ...TJA! war das so, dass ich die Songs vor den Proben alleine komplett ausarrangierte. Und selbst aus der Zeit vor dem ersten Mal bei GURU GURU, immerhin 30 Jahre her, habe ich viele Soloaufnahmen von mir, die ich noch im Ping Pong-Verfahren auf ein Tonband verewigte. HOM: Wird es DEIN SCHATTEN irgendwann einmal in einer bühnentauglichen Inkarnation, sprich als richtige Band geben? Sind Konzerte angedacht? D.B.: Ja. Schon eine ganze Weile bin ich am überlegen, wie das ganze auf die Bühne kommen und es am gescheitesten präsentiert werden könnte. Es ist der definitiv wichtigste und nächste Schritt für das Gelingen, DEIN SCHATTEN voll zu etablieren. HOM: Welchen Stellenwert nimmt DEIN SCHATTEN im Vergleich zu Deinen anderen Projekten im Laufe der Karriere ein? Ist es momentan das Lieblingskind, weil das Jüngste? D.B.: DEIN SCHATTEN nimmt mich seit Jahren voll in Anspruch. Es ist bereits ein Teil von mir wie mein wahrhaftiger Schatten. ...TJA! wird allerdings in meinem Herzen wohl immer die Nr.1 sein. Da spielen sentimental Journeys, goldene Zeiten, eine große Liebe und andere wichtige Dinge eine große Rolle. Aber wer weiß wie es aussieht wenn die Schattenband gut harmonisiert und wir über einen längeren Zeitraum unterwegs waren und Erinnerungen teilen können? HOM: My name is Luc(if)a ist ja geradezu eine geniale Adaption von Suzanne Vegas Tom's diner mit einer handfesten Anspielung auf Luka. Wie kommt man denn auf so eine Idee? D.B.: Den Song Luka fand ich schon immer gut. Joni Mitchell, ich vermute mal Suzanne Vegas Idol, schreibt zwar die besseren Songs, aber das ist ein anderes Kapitel. Joni Mitchel ist für mich nämlich die unübertroffene Meisterin der Melancholie. Die Virginia Wolf, die Patricia Highsmith der Popmusik. Von Suzanne Vegas Tom's diner gab es darüber hinaus mal eine groovige Coverversion für die Tanzflächen. Kann sein, dass mich beides inspiriert hat, beide Lieder miteinander zu verquicken. HOM: Wie viel an den Texten ist Deine persönliche Sichtweise, wie viel ist die Aufarbeitung klassischer Gothic-Themen. Konkret: Schuld und Sünde. D.B.: Schuld und Sünde ist natürlich schon echt extrem. Ich bin neuapostolisch getauft, und meine Mutter war sehr gläubig. Mein Schwiegervater ist Theologieprofessor und Pastor. Aber es hilft alles nichts, ich will einfach nicht an die Existenz von Jesus oder Gott glauben. Da haben sich in meinen Augen vor tausend Jahren Menschen irgendwas zusammenfantasiert, das muss ich jetzt nicht übernehmen. Je älter, desto resoluter wehre ich mich gegen diese Behauptung von der Existenz Gottes. Auch wenn Millionen von Menschen Beweise zu liefern meinen, so lass ich mich nicht beirren, dass das alles erfunden ist. Theologen leben ja schließlich von dem Glauben/Geld der anderen Menschen. HOM: Ist "Das ewige Eis" Dein Synonym für die gefühlskalte, entfremdete Gesellschaft unserer Tage? D.B.: Ja so ist es, da hast Du sicherlich Recht. Und leider spüre ich die Entfremdung auch oft in mir selbst. Ich bin eben ein Teil dieser Gesellschaft in der wir leben. Kürzlich war ich in Schwarzafrika. Die Menschen dort nehmen sich mehr Zeit fürs Miteinander. Die sitzen zusammen und quatschen und quatschen, lachen, streiten und albern. Den halben Tag lang. Wir hier sind viel zu viel im Laufrad eines Hamsters " ... und am Ende fragen wir uns was das denn war!"... hechel, hechel. Wir sind alle durchdrungen vom Glauben an den ewigen Fortschritt. Auf der einen Seite in Erwartung an eine gesicherte goldene Zukunft (mittlerweile voller Zukunftsängste) und auf der anderen Seite technikhörige, getriebene, einsame Gesellen, die ihr Urvertrauen verloren zu haben scheinen. Die Medien fördern diese Diskrepanz. Teilweise leben sie von unserer schizophrenen Lebenseinstellung. Vorneweg das Fernsehen. Bequem, bunt, bekloppt. Jeder schaut rein, lässt sich einlullen von irgendwelchen Quatsch und Nonsens. HOM: Die schwarze Szene kokettiert gerne mit hohem künstlerischen Anspruch und ausgeprägter Ernsthaftigkeit. Man hat geradezu das Gefühl, dass viele zum Lachen in den Keller gehen. Ist Hallo! - übrigens mein Lieblingssong auf dem Album - Dein Statement, dass Humor auch in diesem Umfeld nicht zu kurz kommen sollte? D.B.: Ja, es scheint, ich bin wohl auch ein wenig zum Spaßmacher und Entertainer geboren. Es bereitet mir ein großes Vergnügen Geschichten zu erzählen, die Menschen in eine andere (meine) Welt zu entführen und zu unterhalten. Dazu gehört auch eine Prise Humor. Ich würde nie eine Geschichte erzählen wollen, wo ich die Menschen am Schluss mit einem unangenehmen Gefühl allein zurücklasse. Egal wie duster die Geschichte auch ist, am Ende müssen die Menschen wieder versöhnt werden, Hoffnung haben, erleichtert lachen können, weil ich sie dann aufkläre, alles war nur ein Scherz. HOM: Die Gothic-Szene gilt allgemein als ein etwas elitärer, in sich geschlossener Zirkel. Verspürst Du da als Quereinsteiger Vorbehalte? Gibt es überhaupt Interaktion mit der Szene, oder bist Du eher der Außenstehende, der einfach mal seinen Hut in den Ring geworfen hat und nun der Dinge harrt, die da kommen? D.B.: Ich habe ein gutes Gefühl. Die Leute, die ich bislang kennen gelernt habe, sind wirklich okay. Das ist schon meine Wellenlänge. Seit mehreren Jahren habe ich regen Kontakt mit einigen "Grufties". Wäre ich jünger, wer weiß, ich könnte mir gut vorstellen, auch in dieser Szene zu verkehren. Aber es sind ja nicht nur Fans von Gothic, die DEIN SCHATTEN anspricht. Auch aus der Metalecke und von Freunden des Progrock kommt fleißig Zustimmung. Letztlich fühle ich mich allerdings keiner Szene verpflichtet. HOM: Wird "Das ewige Eis?" eine einmalige Angelegenheit bleiben, oder dürfen wir auf weitere Veröffentlichungen von DEIN SCHATTEN hoffen? D.B.: DEIN SCHATTEN wird bald ein fester Bestandteil des Musikzirkus sein. Es gibt bereits jetzt schon einen leckeren Nachschlag. "Propheten", die Nachfolge CD ist längst fertig. Aber veröffentlicht wird sie erst, wenn der Boom um "Das Ewige Eis" signifikant abflacht. Aber das ist momentan noch nicht der Fall und der Schatten von "Das Ewige Eis" wird länger und länger und länger......................... Vielen Dank an Ussi für die Unterstützung und natürlich an BornZero für die überaus ausführlichen, offenen und spannenden Statements. Martin Schneider, 21.11.2004 |