Dio

Von den Drachen habe ich mich getrennt

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Interview

Reviewdatum: 01.06.2006

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Redakteur(e):

Martin Schneider


Dio
Von den Drachen habe ich mich getrennt, Interview

RAINBOWs "Long live Rock 'n' Roll' war meine erste selbst gekaufte LP, die ich mir damals mühsam vom Taschengeld zusammensparte. So etwas prägt. Ob mit RAINBOW, BLACK SABBATH, oder DIO, Ronnie James Dio und seine Musik nahmen immer eine exponierte Rolle in meinem Leben ein. Keine Frage, dass der kleine Sangesgott auf der imaginären Liste meiner Wunschinterviewpartner ganz weit oben steht. Da macht es dann auch fast gar nichts, dass der Zeitpunkt des Interviews nicht optimal ist. Schließlich gibt es vom neuen Live-Album "Holy diver live" abgesehen kaum Gesprächsthemen, die sich zwingend aufdrängen. Manche Chancen muss man aber einfach wahrnehmen, wenn sie sich bieten... und wie sich im Gespräch später herausstellt, geht es Ronnie James Dio da genauso wie mir selbst.
Ich treffe Ronnie backstage in seiner Garderobe im LKA in Stuttgart, knapp zwei Stunden vor seinem Auftritt. 'Fünfzehn Minuten!' schärft mir der Tourmanager nochmals ein. Also hinein ins Vergnügen...

HOM: Du hast gerade mit "Holy diver live" ein neues Live-Album veröffentlicht. War es Deine Idee das erste DIO-Album noch einmal komplett live aufzuführen und aufzunehmen, oder ging das eher von Deiner Plattenfirma aus?

Ronnie James Dio: Im Grunde ging der Vorschlag von unserem Tour-Agenten aus. Für uns stand eine England-Tour auf dem Programm und er erzählte uns, dass andere Bands etwas ähnliches gemacht haben. QUEENSRYCHE zum Beispiel mit "Operation mindcrime" oder DEEP PURPLE, die ihr komplettes "Machine head"-Album aufgeführt haben. Die Leute möchten das scheinbar haben. Ein weiterer Aspekt war, dass das Album ja 1983 erschienen ist, vor mehr als zwanzig Jahren und dieses Jubiläum nie in irgendeiner Form gewürdigt wurde. Wir dachten uns also, das könnte ganz interessant werden. Irgendwann kam der Vorschlag das Ganze auf DVD festzuhalten. Soweit ich weiß, war es ursprünglich gar nicht als Audio-Veröffentlichung vorgesehen. Aber Du weißt ja wie Plattenfirmen sind. Sie wollen so viel Geld wie möglich machen, also kam das Ganze auch als Audio-CD auf den Markt. Ich bin aber stolz darauf wie es klingt, weil ich am Audio-Mix selbst beteiligt war. Das ganze Projekt war okay für mich. Ich sagte, ja wir machen es, aber es war nicht meine Idee.

HOM: Ihr tourt jetzt aber nicht mit dem selben Programm in Deutschland.

RJD: Nein. Wir spielen aufgrund der zeitlichen Begrenzung jetzt drei Songs von "Holy diver". In England spielten wir zweieinhalb Stunden, jetzt haben wir starke zwei Stunden Zeit, also haben wir das ganze etwas zusammengestrichen und komprimiert.

HOM: Für mich klingt das Album sehr ursprünglich und naturbelassen. Ihr habt da nicht all zu viel im Studio nachgebessert, oder?

RJD: Nein. Natürlich waren da ein paar Fehler drauf, die wir natürlich ausbessern mussten, aber das waren keine wesentlichen Dinge. Man darf auch nicht vergessen, wir haben nur diese eine Show mitgeschnitten. Die meisten anderen schneiden ja immer mehrere Shows mit und haben dadurch eine gewisse Auswahl. Nochmal: Ein paar Sachen mussten wir einfach korrigieren. Ich bin und war immer stolz darauf, dass die Live-Veröffentlichungen an denen ich beteiligt war immer das, was auch die Leute vor Ort geboten bekommen haben.

HOM: Aber mal ehrlich: Drei Live-Veröffentlichungen in den letzten acht Jahre... ist das nicht ein bisschen viel?

RJD: Keine dieser Veröffentlichungen waren meine Entscheidung. Es war immer die Plattenfirma, die so etwas machen wollte. Mir geht es immer darum Neues zu schaffen. Was ich möchte ist neue Alben veröffentlichen und wann immer sich die Gelegenheit bietet ein neues (Studio-)Album zu veröffentlichen, dann nehmen ich das auch wahr. Wenn die Plattenfirma aber sagt, wir wollen noch ein Live-Album, dann kann ich nicht einfach nein sagen. Dann sag ich halt: Okay, wir machen es.

HOM: Du konzentrierst Dich also darauf Songs zu schreiben und live zu spielen...

RJD: Genauso ist es. Unser Job ist es einfach so gut wie möglich zu sein. Was die Plattenfirmen damit anstellen ist ihre Sache. Da läuft natürlich nicht immer alles perfekt. Nimm die neue DVD zum Beispiel. Da behauptet die Plattenfirma sogar, sie wäre 1995 aufgenommen worden.

HOM: So stand es auch in den Presseinfos.

RJD: Ja, das ist aber genau das was ich meinte, als ich sagte, es ist ihre Sache, was sie damit anstellen. Mir soll das Recht sein, obwohl es manchmal sicher besser wäre, wenn man sich selbst mehr um gewisse Dinge kümmern würde. Ich glaube, die haben sogar Doug Aldrich als Bandmitglied von DRIVER und GIUFFRIA aufgeführt, aber das war Craig (Goldy). Bei der Veröffentlichung stimmt einiges nicht. Wie auch immer...

HOM: Du bist ja jetzt schon sehr lange im Geschäft. Ist es denn immer noch etwas Besonderes, etwas Aufregendes für Dich jeden Abend auf die Bühne zu gehen?

Ronnie James Dio RJD: Klar. Da kannst du dich tagsüber physisch oder psychisch angeschlagen fühlen, aber in dem Moment wo die Saallichter ausgehen und die Musik beginnt, gibt mir das einen unheimlichen Schub. Das ist auch der Grund, warum ich überhaupt diesen Weg eingeschlagen habe und in einer Band spiele. Ich hab das mein ganzes Leben lang gemacht und es macht mir immer noch Spaß. Irgendwie ist jeder Konzertabend eine neue Erfahrung. Selbst wenn man über Jahre hinweg immer die gleichen Songs spielt, versuche ich sie so anzugehen, als würden wir sie das erste Mal spielen. Meine Aufgabe als Sänger ist es, für das Publikum die Songs zu interpretieren. Die Stücke haben Texte und die sollten für die Person, die sie singt eine gewisse Bedeutung haben. Für mich ist es einfach jedes Mal, wenn ich ein Stück aufführe so, als ob es das erste Mal wäre.

HOM: Wenn ich Dir jetzt widersprechen darf: Es ist ja nicht richtig, dass ihr immer die gleichen Songs spielt. Ihr habt doch auf jeder Tour immer wieder einige überraschende Stücke im Set und das macht es gerade immer wieder spannend euch immer wieder live zu sehen.

RJD: Natürlich. Das ist Problem ist doch, es gibt einfach Songs, die du spielen musst. Um die herum kannst du Überraschungen, wie du es nennst einbauen. "Holy diver" war ein dermaßen wichtiges Album für uns, wenn wir also Holy diver nicht spielen würden, dann würde das die Leute vor den Kopf stoßen. Oder Don't talk to strangers... und einige der anderen Sachen, die wir immer wieder spielen. Wir müssen Heaven and hell aus der SABBATH-Zeit irgendwie einbauen. Genauso einige Sachen aus der RAINBOW-Phase. Das sind alles Stücke, auf die ich in meiner Karriere stolz sein darf und die ich immer noch gerne spiele. Das trifft natürlich nicht unbedingt auf jedes Bandmitglied zu, weil nicht jeder immer und überall mit mir dabei war. Das Publikum erwartet es aber auch einfach. Das Tolle und das Erfreuliche ist, wenn du darüber hinaus die Möglichkeit hast, immer wieder etwas einzuflechten, mit dem du die Leute überraschen kannst. Diese beiden Aspekte versuchen wir immer bestmöglich umzusetzen.

HOM: Eins deiner Markenzeichen war schon immer einzelne Stücke zu Medleys zu verknüpfen. Weißt Du noch, wie es ursprünglich zu dieser Vorgehensweise kam? War es einfach die Überlegung auf diese Weise der Zeitbegrenzung bei Konzerten ein Schnippchen schlagen zu können und so noch mehr Stücke im Programm unterbringen zu können?

RJD: Ja. Einige unserer Songs sind einfach sehr lang und dazu sind es meist die etwas langsameren Stücke: Holy diver, Heaven and hell... ich nehme die zwei einfach mal als Beispiel. Manchmal hast du einfach nicht die Zeit, diese Stücke in voller Länge zu spielen. Also bin ich hergegangen und habe die jeweils wichtigsten Passagen daraus herausgegriffen und zu etwas Neuem zusammengefügt. Ich mag das einfach.
Ich bin jetzt niemand, der besonders viel Spaß daran hat sich mit einem Publikum zu unterhalten. Ich meine, ich habe zwar auch kein Problem damit es zu tun, aber bei mir war es schon in der Schule so. Ich hatte keine Lust, dass mich die Lehrer permanent zuquatschen. Ich wollte immer Zeit für mich, um Dinge niederzuschreiben, oder mir selber Wissen zu erarbeiten. Einem Publikum, denke ich, geht es ähnlich, wenn du nicht gerade ein Komiker bist, wie Karl Dall zum Beispiel. Ganz einfach: Die Musik zählt und nicht die Scheiße, die jemand von der Bühne herunter erzählt. Ich versuche einfach keinen Mist zu erzählen und lasse die Musik für sich sprechen. In den Songs selbst ist ohnehin all das enthalten, was ich mitzuteilen habe.
Das sind einfach meine beiden Gründe. Die Zeit, die man zur Verfügung hat und mein Bestreben, die Musik für sich selbst sprechen zu lassen.

HOM: In den Achtzigern enthielten Deine Konzerte immer sehr viel visuelle Aspekte. Ich denke da an den Kampf mit dem Drachen, die Metallspinne und ähnliches. Mittlerweile spielst Du in kleineren Hallen. Ist das der Grund, dass diese Showeffekte heute nicht mehr zu sehen sind?

Ronnie James Dio RJD: Der erste und vielleicht wichtigste Punkt ist, dass solche Effekte immer unheimlich viel Geld kosten. Der Drache und solche Dinge haben uns unheimlich viel Geld gekostet. Ich habe das Geld aber immer gerne investiert, weil es ein Weg war, dem Publikum, das immer sehr wichtig für mich war, etwas zurückgeben zu können. Irgendwann kam mir das alles aber wie Disney-World vor und ich wollte immer, dass die Leute mit dem was ich ihnen biete zufrieden sind, ohne dass ich dafür höhere Eintrittsgelder nehmen muss.
Irgendwann kam dieser besondere Punkt in der Karriere an dem wir erkannten, dass wir eigentlich eine Art 'Classic Rock Band' sind, die auch nicht erst versuchen sollte in Wettbewerb mit jüngeren Generation von Bands zu treten.
Rock 'n' Roll ist für mich die typische Musik einer bestimmten Generation. Die Kinder heute wollen doch auf gar keinen Fall die Musik hören, die ihre Väter und Mütter hören. Sie müssen ihre eigenen Weg gehen und dazu gehört auch ihre eigene Musik.
Mit den Bands der jüngeren Generation in visueller Hinsicht mithalten zu wollen ist schwierig, vor allem aber sehr teuer. Klar, wir könnten es natürlich tun, aber dann müssten wir beispielsweise in der Olympiahalle spielen um die Drachen mitbringen zu können. Was aber, wenn wir die Halle dann nicht voll kriegen? Ich habe einfach das Gefühl, es wäre Blödsinn, wenn wir das überhaupt versuchen würden.
Wir haben das doch alles schon gemacht. Wir müssen niemandem mehr beweisen, dass wir es können. In erster Linie ist es wirklich eine Geldfrage. Heute eine derartige Show wie in den Achtzigern auf die Beine zu stellen wäre einfach unvernünftig teuer. Ich habe das zwar immer gerne gemacht und würde das auch heute noch gerne tun. Wenn wir ausschließlich in Stadien spielen würden, dann würden diese Materialschlachten auch noch irgendwo Sinn machen.
Alice Cooper zum Beispiel zieht das heute noch durch, weil er noch die ganzen Requisiten aus der Vergangenheit besitzt. Ich habe zwar auch den Kopf des Drachen aufgehoben, die Spinne, ein paar der Sphinxen und den gigantischen Ritter. Irgendwann hab ich mich dann von dem Zeug einfach getrennt, weil ich es über Jahre hinweg eingelagert hatte. Es hat mich Jahr für Jahr hundertausend Dollar gekostet, nur damit die Dinge in einem Lagerhaus standen. Das war dumm und sinnlos, denn das Geld konnte ich andersweitig viel besser einsetzen, zum Beispiel um bessere Musik zu machen.
Was wir heute auf der Bühne veranstalten ist einfach praktischer und unserem Status angemessener.

Der Tourmanger gesellt sich zu uns.

HOM: Wir sind gleich so weit...

RJD: Komm, immer mit der Ruhe. Wir sind fertig, wenn Du sagst, dass wir so weit sind.

HOM: Okay. Es ist ja kein Geheimnis, dass einige Deiner Sängerkollegen mit dem älter werden auch Probleme mit der Stimme bekommen. Hast Du irgend ein Geheimrezept um Deine Stimme in Form zu halten?

RJD: Ich denke, das wichtigste ist, dass ich weiß, wie ich singen muss. Du musst technisch einfach ausgezeichnet sein. Ich habe ja in jungen Jahren als Trompeter angefangen. Ich habe damals gelernt, wie ich atmen muss. Beim Singen habe ich immer die gleichen Techniken angewand und ich habe meine Stimmbänder nie vergewaltigt. Ich habe nur das gemacht, von dem ich wusste, dass ich damit meine Stimmbänder nicht über Gebühr strapaziere. Das hat für mich wohl den Unterschied ausgemacht. Es gibt so viele talentierte Sänger, die sich ihre Stimmbänder ruiniert haben, weil ihnen das Wissen gefehlt hat, was ihnen schadet und was nicht.
Klar gibt es Situationen, in denen deine Stimme nicht gut ist, wenn du dir einen Schnupfen oder eine Erkältung eingefangen hast. Ich hab deswegen in meinem Leben zwar nie eine Show abgesagt, aber schon einige Auftritte hingelegt, die nicht besonders gut waren, zumindest nach meinen Qualitätsmaßstäben.
Manchmal ist es wirklich hart. Wenn ich krank war und trotzdem ein Konzert gegeben habe, und auf mich selber ärgerlich war, weil es einfach nicht gut klang, dann kommen immer wieder Leute an und klopfen dir auf die Schulter und sagen: Du warst großartig heute Nacht! Dann denke ich oft einfach: Okay, ihr habt nicht gehört, was ich gehört habe.
Das zweite Geheimnis ist aus meiner Sicht eine Art mentale Stärke. Du musst einfach gut sein wollen. Ich will immer perfekt sein und die Jungs in der Band natürlich auch. Du bist aber nie wirklich perfekt. Immer gibt es etwas, was du hättest noch besser machen können. Es kommt aber darauf an, dass du es versuchst, dass du immer das Ziel hast möglichst dicht an den Zustand der Perfektion heran zu kommen. Wenn es dein Ziel ist großartig zu sein, dann denke ich, kannst du es auch tatsächlich schaffen.

HOM: Ich habe mir auch schon oft gedacht, dass es da einfach subjektive Wahrnehmungen gibt. Als Besucher eines Konzertes kann es für dich ein phantastisches Erlebnis gewesen sein, aber der Künstler selbst hängt sich an den vielen Kleinigkeiten auf, die eben nicht optimal gelaufen sind.

Ronnie James Dio RJD: Ja, das ist richtig. Du musst auch immer bedenken, ein Publikum ist wie ein einziges großes Tier, dass über ein gemeinsames Empfinden ein Konzert wahrnimmt. Es gibt natürlich auch immer Leute darunter, die einfach kommen um kritisch zu sein. Die erzählen dir manchmal: Hey, die Passage hast du aber auch schon mal besser hinbekommen. Das ärgert mich dann, weil ich das selber genauso gut weiß. Wobei ich um ehrlich zu sein, nicht viel auf Kritiker gebe. Es gibt Künstler, die nehmen sich Kritik viel zu sehr zu Herzen. Denen sagen neunundneuzig Leute: Du warst großartig. Dann kommt der Hundertste und sagt: Moment, da hast du aber einen Ton nicht exakt getroffen. Viele kriegen dann die totale Krise deswegen. Ich hab es gewußt, ich war furchtbar! So darf es einfach nicht laufen. Du musst selbst dein eigener Kritiker sein und deine Leistung einschätzen können.
Dann kommt es auch vor, dass du wirklich nicht gut warst und jemand kommt zu dir und beglückwünscht dich für einen gelungenen Auftritt. Das musst du dann aber auch einfach so annehmen. Derjenige hat das mit seinem Herzen so empfunden und ist glücklich damit. Das darfst du ihm nicht einfach kaputt machen. Du denkst dir dann einfach: Gut, dass er nicht gehört hat, was ich gehört habe.

HOM: Du warst zuletzt in England um mit Tony Iommi an Songs zu arbeiten, die für ein BLACK SABBATH-Boxed Set vorgesehen sind. Was ich mich frage: Habt ihr an neuen Stücken gearbeitet, oder habt ihr Songs, die es in den Achtzigern und Neunzigern nicht auf die Alben geschafft haben überarbeitet?

RJD: Alles von dem was wir in der Vergangenheit ausgearbeitet haben, ist auch damals auf den Alben gelandet, immer vorausgesetzt es war auch wirklich gut genug. Wenn es das nicht war haben wir es gleich verworfen. Wir haben jetzt an zwei komplett neuen Stücken gearbeitet. Einen haben wir bereits komplett aufgenommen, und an den anderen gehen wir ran, wenn ich mit dieser Tour hier fertig bin. Diese beiden Songs sind für ein Projekt namens "BLACK SABBATH - The Dio years". Es gab ja schon "BLACK SABBATH - The Ozzy years".
Wir wollten einfach etwas Besonderes machen und so haben wir zwei neue Songs geschrieben. Darüber hinaus wird es einige bislang unveröffentlichte Liveaufnahmen geben. Wir wollten den Fans einfach so viel wie möglich geben. Es ist einfach billig, wenn du den ganzen Kram von früher noch einmal mastern lässt und neu veröffentlichst. Für mich waren die Sachen immer in ihrer ursprünglichen Version gut genug. Warum also das Zeug noch einmal remastern? Mir war es daher wichtig die zwei neuen Songs beizusteuern und einige weitere Sachen zu veröffentlichen, die bislang nicht erhältlich waren.

HOM: Okay, da bekommt der Käufer einen echten Gegenwert für sein Geld.

RJD: So ist es. Ganz genau, und das war mir sehr wichtig, auch wenn es sich nur um eine BLACK SABBATH-Veröffentlichung handelt.

HOM: Du arbeitest aber auch gerade an einem neuen Studioalbum.

RJD: Ja, aber im Moment bin ich wegen der BLACK SABBATH -Geschichte absolut nicht im Stande mich darauf zu konzentrieren. Ich bin ein Songschreiber, der immer nur an einer Sache gezielt arbeiten kann. Jetzt hat einfach die BLACK SABBATH-Sache Vorrang. Ich habe das Gefühl, man tendiert immer dazu bei sich selbst geistigen Diebstahl zu begehen. Entweder schreibe ich was für DIO oder für BLACK SABBATH. Deswegen liegt die Arbeit an meinem eigenen Album zunächst auf Eis und das wird dann wohl erst nächstes Jahr erscheine. Wann genau kann ich Dir nicht sagen. Rudy (Sarzo) und ich haben an einigen Stücken gearbeitet. Ich habe mit Craig (Goldy) einige Dinge angeleiert, aber bevor die BLACK SABBATH-Sache nicht vom Tisch ist, macht es für mich keinen Sinn daran weiter zu arbeiten.

HOM: Wie wichtig ist es denn für Dich überhaupt neue Stücke zu erschaffen?

RJD: Das ist für mich das Allerwichtigste überhaupt.

HOM: Ja?

RJD: Ja, natürlich. Wäre es anders, dann wirst zu einer dieser Classic Rock Bands, die lediglich vom Ruhm der Vergangenheit zehren.

HOM: Ich denke aber eine Menge Deiner Fans wären schon glücklich damit, wenn Du wirklich nur Deine ganzen alten Klassiker live spielen würdest. Ein neues Album nehmen viele zwar gerne mit, könnten aber auch durchaus darauf verzichten.

Ronnie James Dio RJD: Das ist denen ihr Problem, weil mich das nicht befriedigen würde. Wenn du stehen bleibst und dich auf die Musik beschränkst, die du schon vor dreißig Jahren gemacht hast, dann bist du künstlerisch tot. Ich fühle in mir noch so viel neue Musik, die noch erschaffen werden muss.
Wenn andere Bands das machen, und ihr Publikum das akzeptiert: Wegen mir. Damit kann man sich ein leichtes Leben machen. Du brauchst nur noch ein bisschen durch die Weltgeschichte touren und das war es dann auch schon. TWISTED SISTER sind doch da ein Paradebeispiel. Von denen gibt es doch schon ewig kein neues Album mehr. Das heißt: Haben die nicht eine Weihnachtsplatte gemacht? Aber das waren keine Songs, die sie selbst geschrieben haben.
Aber das ist deren Problem. Die können machen was und wie sie es wollen. Ich werde es auf jeden Fall anders handhaben.
Für mich macht einen Musiker aus, dass er sich immer weiterentwickelt, nie stehen bleibt, und auch nicht nur zurückblickt. Wenn man an den Punkt kommt, wo man sich nicht mehr in der Lage fühlt Neues zu erschaffen, dann sollte man als Musiker oder ganz allgemein als Künstler einen Schlussstrich ziehen. Ich habe das Gefühl, ich muss einfach immer wieder neue Musik erschaffen, bis zu dem Tag an dem ich einmal sterben werde. Auf dem Totenbett werde ich wohl meinen letzten Song schreiben.

HOM: 1997 hast Du mit Pat Boone für sein "In a metal mood"-Album eine Cover-Version von Holy diver aufgenommen. Hat Dir das Arrangement im Big Band-Sound denn gefallen?

RJD: Ja. Das fand ich Klasse. Lass es mich so sagen. Pat hat das Beste getan, was er tun konnte, mit allen Songs des Albums übrigens. Er ist einfach kein Heavy Rocker. Das war eine Spaßgeschichte und es gab mir die Möglichkeit ihn kennen zu lernen. Das war eine großartige Sache für mich, und wir haben uns sogar angefreundet. Er ist ein großartiger Mensch und ein wirklich ganz großer Künstler. Er war größer sogar als Elvis Presley. Als Elvis groß war, war Pat sogar noch eine Nummer größer, ihm fehlte nur die entsprechende Anerkennung.
Er ist ein netter Typ, dem die Songs, die er für das Projekt aufgenommen hat, gefallen haben. Er wollte ursprünglich sogar Stand up and shout nehmen, wobei ich denke, es war gut, dass er sich anders entschieden hat. (lacht)
Mir hat das Big Band-Arrangement Spaß gemacht. Es war spannend, und ich hatte nie damit gerechnet, dass er so etwas machen würde. Er hatte die ganzen Studio-Cracks aus Los Angeles zur Verfügung, brilliante Musiker. Es hat Spaß gemacht und ich denke auch Pat hatte seinen Spaß an der Geschichte.

HOM: Ja, es ist ein Spaß-Album, und von Zeit zu Zeit kommt es richtig gut sich so etwas anzuhören.

RJD: Ja, ich muss auch immer wieder vor mich hingrinsen, wenn ich es mir anhöre.

HOM: Ich denke man sollte auch immer für solche Dinge offen sein.

RJD: Natürlich. Ich war zwar auch zuerst skeptisch, als ich hörte, was Pat Boone vor hatte, aber dann dachte ich mir: Wenn er das machen will... warum nicht? Als er mich dann anrief und fragte, ob ich ihm helfen könne, weil er einige Parts nicht singen konnte, war das überhaupt keine Frage für mich. Für mich war der entscheidendte Punkt, dass ich ihn, den Menschen, kennen lernen konnte. Holy diver hatte ich vor so langer Zeit geschrieben und es spielte für mich keine Rolle, was Pat Boone damit anstellen wollte. Das Geld interessierte mich auch nicht. Wenn sich das Ding verkauft okay, wenn nicht: Auch egal. Es war auch für Pat vor allem ein Spaßprojekt. Der Ausgangspunkt der Geschichte war ja, dass Pat in einer Fernsehshow gefragt wurde, was er als Nächstes machen wolle und aus Jux und Tollerei sagte er: 'Ich mache ein Heavy Metal-Album. Pat Boone - In a metal mood'. Sein Manager lag mit seiner Frau im Bett und hat die Show gesehen. Nicht mit Pats Frau, mit seiner eigenen. (lacht) Er sprang aus dem Bett und rief: 'Was für eine großartige Idee!' Das machen wir!'
Es hat alles wirklich Spaß gemacht.

HOM: Okay, danke Dir recht herzlich für das Interview.

RJD: Das war mir eine Freude, Martin.

Nett war auch das sich noch kurze anschließende informelle Gespräch, bei dem ich Ronnie James Dio erzählte, dass meine Mutter vor einigen Jahren das Cover von "Dream evil" im Format 5 auf 2 Meter auf einer Wand unseres Partykellers gemalt hatte. Er hätte sie dann doch auch gerne kennen gelernt und sie zu der Show auf die Gästeliste gesetzt. Beim nächsten Mal, vielleicht.

Besonderer Dank an Biggi von Brooke Lynn Promotion, die dieses Interview ermöglicht hat.

Martin Schneider, 01.06.2006

 

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