Dirk Darmstaedter Before We Leave, Teaneck Records, 2014 |
Dirk Darmstaedter | Vocals, Guitar, Keyboards, Mandolin, Ukulele | |||
Ben Schadow | Bass | |||
David Rieken | Electric Guitars | |||
Lars Plogschties | Drums, Percussion | |||
Guests: | ||||
Mike Finnigan | Organ, Piano | |||
Martin Wenk | Trumpet | |||
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01. (You Hold Me) Captive | 07. Capetown | |||
02. The Half Life | 08. Western Union | |||
03. Top Of The World | 09. Some Streets Will Lead Nowhere | |||
04. Seashells | 10. Punching Ball | |||
05. Damage Control | 11. Before We Leave | |||
06. Lie To Me | ||||
Irgendwann muss man einfach den nächsten Schritt machen. Im Leben eines passionierten Künstlers und Songwriters geschieht dies ohnehin häufiger als bei jemandem mit "normalem" Beruf. Denn: Stagnation bedeutet meist das Ausbleiben von Inspiration, oder umgekehrt. So hat sich also unser Hamburger Indie-Pop-Idol Dirk Darmstaedter kurz vor seinem 50. Geburtstag aufgemacht, eine neue Ära einzuläuten.
Schluss mit seinem 2002 gegründeten Plattenlabel 'Tapete Records'. Der Job des Firmenchefs fraß einfach zu viel Zeit. Das Musizieren als leidenschaftlicher Lebensmittelpunkt kam hier einfach zu kurz. Also Abbruch, Umbruch, Neuorientierung. Dirk, der einen Großteil seiner Kindheit in dem beschaulichen Kaff Teaneck in New Jersey zubrachte, ruft sein eigenes, neues Label 'Teaneck Records' ins Leben, um fortan seine Soloplatten zielgerichtet unters Volk zu bringen.
Auf seinem neuen Album "Before We Leave" klingt Darmstaedter natürlich immer noch nach Darmstaedter, denn seinen eigenen, unverkennbaren Kompositions- und Gesangsstil besitzt der Hanseate schon seit seligen JEREMY DAYS Tagen, als er die deutschen Charts mit Hits à la Brand New Toy und Rome Wasn't Built In A Day aufmischte.
Seit zig Jahren schon pflegt Darmstaedter als leidenschaftlicher Solokünstler (auch unter dem Moniker ME AND CASSITY) seinen Hang zum fein ziselierten Popsong, den er je nach Laune mal britischer, mal amerikanischer einfärbt, ohne dabei seine ureigene Handschrift einzubüßen.
"Before We Leave" tönt nun mit seiner optimistischen Ausrichtung fast ein wenig nach der jugendlichen Aufbruchstimmung der längst verblassten JEREMY DAYS Tage. Fast, denn als annähernd Fünfzigjähriger klingt man dann doch souveräner, abgeklärter und lässiger als ein Mittzwanziger mit Tunnelblick. Die Erfahrung einer fast dreißigjährigen Songwriterkarriere tropft hier schließlich aus jeder Pore. Man höre nur das bezaubernde Capetown. Zum Wegschweben.
Die zuletzt meist recht gediegenen, beschaulichen und häufig von Akustikgitarren und Keyboards bestimmten Arrangements der letzten Platten lässt Darmstaedter auf seinem aktuellen Album größtenteils beiseite und ersetzt sie durch dominante und erfindungsreiche E-Gitarren, die durch ihn selbst und insbesondere durch seinen cleveren Saitenpartner David Rieken bedient werden. Gelegentlich orientiert sich Rieken mit seinen teils effektbeladenen Konstruktionen sogar an britischen Vorbildern à la Jonny Greenwood und Ed O'Brien von RADIOHEAD (Seashells). Ansonsten kreieren die Gitarren ihre Spannungsmomente durchaus straight und traditionell.
Ein brillantes und sehr geschmackvolles Hammond B-3 Gastspiel gibt der amerikanische Tastenmann Mike Finnigan, der schon 1968 als Jungspund mit Jimi Hendrix auf "Electric Ladyland" jammte und später mit Größen wie Taj Mahal, Keb 'Mo, Tracy Chapman und Joe Cocker zusammenarbeitete.
Darmstaedters "Before We Leave" besticht also mit einfallsreichen, süffigen Melodien und stilsicherer Instrumentierung. Die vierköpfige Band beehrt den klassischen Popsong und klingt dabei weder ewiggestrig, noch schal oder anbiedernd, sondern eher formstark, glücklich, einfallsreich und selbstsicher. Elf Songs, kein Ausfall. Bestnote.