Drew Holcomb And The Neighbors Souvenir, Magnolia Music, 2017 |
Drew Holcomb | vocals, guitar, harmonica | |||
Rich Brinsfield | bass | |||
Nathan Dugger | guitar, keyboards | |||
Jonathan Womble | drums | |||
Ian Fitchuk | vocals | |||
Joe Pisapia | vocals | |||
Ellie Holcomb | vocals | |||
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01. The Morning Song | 07. Mama's Sunshine, Daddy's Rain | |||
02. California | 08. Black And Blue | |||
03. Fight For Love | 09. Postcard Memories | |||
04. Rowdy Heart, Broken Wing | 10. Yellow Rose of Santa Fe | |||
05. New Year | 11. Wild World | |||
06. Sometimes | ||||
So kann man sich täuschen. Kauzige Bärte, harte Blicke - Drew Holcomb und seine Band The Neighbors wirken auf den ersten Blick wie das musikalische Gegenstück von "Breaking Bad"-Charakteren. Aber nicht nur ist Holcombs Stimme viel zu weich und anschmiegsam (ohne dabei "soft" zu sein) für einen Crystal-Meth-Cooker. "Souvenir" hat auch viel mehr zu bieten, als den Rocker oder den kauzigen Folkie-Sound.
Drew Holcomb ist ein Überlebenskünstler im wahrsten Sinn des Wortes – kurz vor Fertigstellung seines inzwischen neunten Studioalbums wartete die Notaufnahme auf ihn. Vielleicht haben er und seine langjährigen Kumpels Rich Brinsfield und Nathan Dugger deshalb auch die Attitüde gewählt: "anything goes". Kerniger, leicht am früheren Mainstream eines Eddie Money angelehnter Rock mit Harmonica-Solo? Bitteschön, Fight For Love auflegen und den Regler nach oben schieben. Fluffiger Westcoast-Sound? Der Song muss natürlich California heißen. Oder doch besser der einsame Geschichtenerzähler mit Akustik-Gitarre, der seine Narben zumindest in der Musik zeigen darf? Rowdy Heart, Broken Wing, der Titel sagt alles…
So viele Zutaten auf einem Album, das kann auch mächtig schiefgehen. "Souvenir" gehört jedoch zu den Werken, die durch die Vielfalt der Songs erst richtig aufblühen. Weil Holcomb die Experimente zum Glück auf ein Minimum beschränkt – die Drum-Machine auf New Year ist so fehlplatziert, dass es fast schon wehtut. Dann schon lieber die Verbeugung vor John Lennon, ca. 1970 (Black and Blue) oder vor Wille Nelson, ca. 1975 (Yellow Rose Of Santa Fe). Es sind Songs wie gute alte Bekannte, die man zu lange nicht mehr gesehen hat und sich jetzt über ihr plötzliches Erscheinen freut – auch wenn man sich zugleich fragt, wo all die Jahre dazwischen eigentlich geblieben sind.
Und weil sich die Welt inzwischen keineswegs zum Besseren gewandelt hat, weil im Weißen Haus inzwischen ein unberechenbarer Narzisst regiert, findet "Souvenir" mit Wild World auch den richtigen, nachdenklichen Abschluss. Ein kleiner Versuch des "Tennessee-Man" Holcomb, den Hass, die Rassentrennung, den Egoismus zu bremsen. "It’s a wild world, no one seems to understand it. It’s a wild world, but there ain’t no way I’m gonna quit it…"