Essen, Gruga Halle, 09.02.2006 | |
Gothic ist charttauglich! Das wurde heute vor der Grugahalle einmal mehr bewiesen. Bereits seit 13 Uhr sammelten sich die meist zwischen 13- bis 16-jährigen Fans vor der Halle. Die Johanniter sind mit einem Einsatzwagen da und teilen heiße Getränke aus. Es regnete den ganzen Tag in Strömen, Notstandsgebiet Grugahalle? Nicht wirklich.
Die jungen Fans harren aus und geben alles für Finnlands finest. Im Endeffekt bestand das Publikum dann aus einem bunten Gemisch aus Teenies, Normalos, Metalheads, in die Jahre gekommen Sleazerockern, Gothics und auch die ein oder andere Essener Prominenz ließ sich blicken. Warum?
HIM, THE RASMUS und Newcomer NEGATIVE gaben sich zur Eröffnung ihrer Europatour die Ehre.
Eins muss ich gleich sagen, die erste Band war die Beste. NEGATIVE haben das Zeug zu einer der ganz großen Heavy Rock Bands Skandinaviens zu werden. In Finnland sind sie es eh schon. Mit L.A.Feeding Fire starteten die Jungs ein großartiges Set voller Energie, welche am heutigen Abend von keiner Band überboten werden konnte. Mit Misery und Inspiration, einem Hammertrack übrigens, wurden sogar zwei Songs vom nur in Finnland veröffentlichten Album "War Of Love" gespielt. Streng genommen ist ja auch die Single Moment Of Our Love vom ersten Album. Schande, dass es das nicht in Deutschland offiziell zu kaufen gibt.
Slash-Epigone Larry Love spielt 'ne echt gemeine Gitarre, die Band selbst ist supertight und äußerst souverän. Wenn das permanente Keyboard-Gefudel von Snack nicht wäre, könnten die Finnen ihren Idolen wie GUNS 'N' ROSES, AEROSMITH oder MÖTLEY CRÜE locker das Wasser reichen.
Da NEGATIVE live wesentlich aggressiver als auf ihrem aktuellen Longplayer sind, passen die HIM-mäßigen Keyboardläufe nicht ganz zum Gesamtbild, wirken eher als Abklatsch. Showmäßig haben es NEGATIVE allemale drauf, nur Sir Christus sollte das Rumgerotze lassen, mag zwar für die Mädels in den ersten Reihen gut aussehen, für uns Leute im Pressegraben ist es mehr als ärgerlich wenn so eine Salve auf der Kamera landet. Ansonsten: Geile Performance!
Kurz drauf entern schon THE RASMUS die Bühne. Ehrlich? Ich habe mich später unten im Foyer rumgetrieben und Smalltalk gemacht. Laaaangweilig. Naja, ich kannte THE RASMUS eh nur von MTVIVA, sie hatten ein paar Hits, unter anderem First Day Of My Life und In The Shadows, die live dann auch die Stimmung machten. Ansonsten rannte Sänger Laurie rum wie ein aufgedrehter Duracellhase ohne Trommel, dafür mit Krähenfeder im Haar.
Technisch zwar einwandfrei, eine Playbackband sind die Kerle sicher nicht, aber für mich wirklich uninteressant. Das Publikum ging allerdings gut mit, den Geschmack der Crowd müssen sie also getroffen haben.
Im Foyer konnte man derweil interessante Gespräche der gelangweilten Eltern verfolgen, die ihre minderjährigen Schützlinge begleitet haben:
- "War das ein Kerl oder ein Weib grade?" (gemeint war Jonne von NEGATIVE und der ist definitiv männlich)
- "Muss das so laut sein" (Ja, nennt sich Rockmusik und iss immer so)
- "Für sowas soviel Geld?" (Hätte es ein "Eltern in Begleitung ihrer Kinder Kostenlos-Ticket" gegeben wäre die Halle sicher voller gewesen)
- "Warum ist mein Bier nur halbvoll?" (Entweder hastes ausgesoffen oder der Barkeeper hat Dich beschissen, ich vermute ersteres.)
Na ja, so lustig das auch war, langsam enterten HIM die Bühne, die Spannung stieg, 3 Kronleuchter wurden noch unter die Hallendecke gezogen, das Schlagzeug stand auf der spartanisch eingerichteten Bühne links, die Getränke in der Mitte. Logische Anordnung, so kommt jedes Bandmitglied schnellstmöglich an sein kühles Nass.
Rip Out The Wings Of A Butterfly eröffnete das Set und Ville Valo stellte sich an den Platz, den er den Rest des Abends kaum verlassen sollte. Mittig, Mikrophon haltend, Strickmützchen mit Sonnenbrille und Handschuhe tragend, Kippe in der Hand jauchzt und jankt er sich durch die Hits der Band. Und seine Jacke zog er auch nicht aus. Woran lag's wohl, dass er eigentlich nur jede zweite Strophe sang bzw. Textzeilen ausließ? Hat er die Texte vergessen? Es entzieht sich meiner Kenntnis, ob der gute Mann nu stockbesoffen war oder stocknüchtern, auf jeden Fall stocklangweilig.
Für die Posen sorgte Gitarrist Linde (inzwischen mit 'nem gewaltigen Dreadlock-Pelz ausgestattet) und auch der im Schatten, an der linken Seite stehende Midgé mit seinem Bassgewitter. Ansonsten spulte man sich durch die Hits wie Right Here In My Arms oder Join Me in Death und benahm sich, bis auf die wirklich fantastische Lightshow, reichlich unspektakulär.
Pete Gas machte seinem Namen alle Ehre, und trommelt wie der Teufel. Der Sound war im vorderen Bereich etwas laut aber ansonsten gut, die Songs sind geil, aber irgendwie habe ich HIM schon besser gesehen. Souverän sicherlich, aber bei mir sprang der Funke nicht über. Wie im großen Teil der Halle übrigens. In den ersten Reihen reckten sich zwar Arme, aber in den hinteren Reihen reckten sich eher die Hälse der Mädels um etwas von dem Treiben auf der Bühne mitzubekommen. Eigentlich schade, HIM sind sonst eine grossartige Band.
Nee, klarer Sieger nach Punkten am heutigen Abend:
NEGATIVE - Die Leute, die noch nicht mal auf dem Ticket standen.