Randgruppencombo

Gerhard Gundermann

Die Randgruppencombo spielt Gundermann live in Ost-Berlin

( English translation by Google Translation by Google )

CD-Review

Reviewdatum: 01.01.2000
Jahr: 2004

Links:


Redakteur(e):

Ralf Stierlen


Randgruppencombo
Die Randgruppencombo... spielt Gundermann... live in Ost-Berlin, BuschFunk, 2004
Heiner Kondschuk Vocals, Guitar, Bouzouki, Drehleier, Tin whistle, Piano, Flute, Bass & Saxophone
Uschi Berberich Piano, Accordeon, Keyboards, Percussion & Backing Vocals
Rupert Hausner Saxophone, Guitar, Tin whistle, Percussion & Backing Vocals
Ester Daniel Saxophone, Tin whistle, Keyboards, Percussion & Backing Vocals
Christian Dähn Drums, Percussion, Violin & Backing Vocals
Tilmann Pröllochs Trumpet, Keyboards, Percussion & Backing Vocals
Birgit Scholten Violin, Mandoline, Saxophone, Percussion & Backing Vocals
Gerd Ritter Bass, Percussion & Backing Vocals
Gäste:
Andreas Rogge Pipes
Dirk Beisse, Werner Klemm, Jens Naumilkat & Ray Würsebesser Cello
Produziert von: Manne Pokrandt Länge: 75 Min 58 Sek Medium: CD
1. In meines Vaters Land10. Dickes Ende
2. Krieg11. Herzblatt
3. Sonntag in Schwarze Pumpe12. Die Zukunft
4. Strasse nach Norden13. Keine Zeit mehr
5. Revolution No. 1014. Ich mache meinen Frieden
6. Das war mein zweitbester Sommer15. Kommen und gehen
7. Linda16. So wird es Tag
8. Männer und Frauen17. Fliegender Fisch II
9. Europa18. Abgesang

Zunächst einmal muss man natürlich allen unwissenden Wessis erklären, wer Gerhard Gundermann war. Auch ich habe erst von ihm erfahren, als ich nach Cottbus gezogen bin. Hier in Neufünfland kennt ihn nahezu jeder, der halbwegs was mit Musik zu tun hat und bestimmt jeder, der auf Singer/Songwriter steht.

Dr. Lutz Kirschner schrieb über ihn:
"Wer war dieser Mann? 1955 geboren, Abitur, Offiziersschüler, wegen "fehlender Verwendungsmöglichkeit" entpflichtet, IM/Observationsobjekt der Stasi, engagiertes SED-Mitglied / 1984 ausgeschlossen, Kandidat der Vereinigten Linken zu den Volkskammerwahlen 1990. Eine politische DDR-Biografie. Ein ostdeutsches Industriearbeiterschicksal: Arbeit im Braunkohlentagebau - zunächst als ungelernter Hilfsarbeiter und später als Baggerfahrer in der Kohle, ab Mitte der 90er in einer Rückbau- und Rekultivierungsmaßnahme, dann arbeitslos und in Umschulung zum Tischler. Und immer wieder Texte, Lieder, künstlerische und kulturpolitische Aktivitäten, vom FDJ-Singeklub Hoyerswerda und der "Brigade Feuerstein" über die Zusammenarbeit mit den Wilderern und "Silly" bis zu "Gundermanns Seilschaft" und seinen Soloprogrammen. Sein letztes Konzert gab er eine Woche vor seinem Tod in der Prignitz-Gemeinde Krams."

Gerhard Gundermann starb in der Nacht vom 20. auf den 21. Juni 1998 in Spreetal an einem Hirnschlag.
Er war nicht nur Sprachrohr seiner Zeit und Generation und Identifikationspunkt für die Mittvierziger bis Mittfünfziger in Ostdeutschland.

Nochmals Dr. Lutz Kirschner:
"Gundermanns kraftvoll-sensible Interpretationen, seine Freude am Liedhaften und vor allem seine poetische Genauigkeit vermögen auch die Nicht-Dabeigewesenen in ihren Bann zu ziehen. In der Konkretheit seiner Geschichten und Metaphern lässt sich das Allgemeine menschlichen Suchens nach individuellem und gesellschaftlichem Glück erfassen, finden die eigenen Erfahrungen von Kraft und Gemeinschaftlichkeit, von Sehnsucht, Enttäuschung, Verzicht, von Hoffnung einen als gültig anerkannten Ausdruck."

Beim Landestheater Tübingen, also ausgerechnet im reichlich südwestlichen Deutschland, "entdeckte" Heiner Kondschak eher zufällig die Musik und Texte Gundermanns und war so beeindruckt, dass er zusammen mit weiteren Mitarbeitern und Schauspielern des LTT die RANDGRUPPENCOMBO ins Leben rief, die sich der Interpretation von Gundermanns Werken annahm.
Unter Einsatz von fast 40 Instrumenten (bewusst keine E-Gitarre), mit 8 ständigen Mitgliedern und zahlreichen musikalischen Gästen nahmen sie Gundermann ins Repertoire und hatten damit Erfolg - selbst in Tübingen.
Natürlich stiess dies erstmal bei einigen ostdeutschen Die-hard-Fans auf Argwohn, es kam der Verdacht auf, die Wessis wollten jetzt den Ostlern auch noch ihren Gundermann (kurz "Gundi") wegnehmen, um damit Kohle zu machen. Aber wenn man sich diesen Mitschnitt der Konzerte vom 29./30.12.2003 aus dem BKA-Luftschloss in Berlin (unweit des Palastes der Republik) anhört, weiss man, dass derlei Misstrauen grundlos ist, wobei allerdings die Betonung von Ost-Berlin im Titel der CD meiner Meinung nach etwas überflüssig ist.

Die RANDGRUPPENCOMBO nähert sich dem musikalischen Vermächtnis von Gundermann mit großer Behutsamkeit, Respekt ja nachgerade Ehrfurcht, um nicht nur Gundermanns Musik zu interpretieren, sondern vielleicht sogar ein bisschen von seinem Geist und seiner Aura wieder lebendig werden zu lassen, getreu der Ansicht Gundermanns: "In meinen Ansichten bin ich schon radikaler geworden. Aber ich überlasse es den Leuten, ob sie sich meiner Vorschläge bedienen oder nicht. Ich will niemanden agitieren. Wenn du brüllst, halten sich die Leute die Ohren zu, flüsterst du, kommen sie heran und wollen hören, was du zu erzählen hast."
So erklingen nicht nur die "Klassiker" von Gundermann wie Revolution No. 10, Sonntag in Schwarze Pumpe oder Männer und Frauen, sondern auch bisher unveröffentlichtes wie In meines Vaters Land und nur als Soloaufnahmen veröffentlichte Stücke wie Kommen und gehen, Zweitbester Sommer, Die Zukunft oder Fliegender Fisch II.
Und die Reaktionen im Publikum lassen deutlich werden, dass dieser Ansatz angenommen wird. Die Skepsis ist größtenteils gewichen, man konnte nicht umsonst auch Ostrocklegende Manne Pokrandt (ENGERLING) als Produzenten gewinnen. Es geht der RANDGRUPPENCOMBO nicht um die Vermarktung von Gundermanns Vermächtnis sondern darum, seine Musik zu erhalten und weiterzugeben an die Menschen, die Gundermann nie erlebt haben oder ihn vermissen. Insofern wächst bei diesem spielfreudigen und kompetenten Live-Folk-Dokument wirklich einmal etwas zwischen Ost und West zusammen.

Zum Abschluss nochmal Gundermann in seinen eigenen Worten: "Ich wäre glücklich wenn meine Lieder für manchen einfach ein Stück seines Lebens sind. Ob er da nun geheult hat bei der Platte oder gelacht, ob er Kraft gefunden oder welche gelassen hat, ist mir egal. Wenn sie nur dazu gehören, zu irgendeinem Leben."

Ralf Stierlen, 21.04.2004

 

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