Girlschool

Essen, Zeche Carl, 12.02.2007

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Konzertbericht

Reviewdatum: 12.02.2007

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Redakteur(e):

Jürgen Ruland


Essen, Zeche Carl, 12.02.2007

Frauen und Rock'n'Roll bzw. Rockmusik? Diese Kombination setzt sich leider immer noch viel zu selten durch, auch wenn die Tendenz unzweifelhaft steigend ist. Ob THE DONNAS ("Gold Medal") vor knapp zwei Jahren oder jüngst LEZ ZEPPELIN auf ihrer hoch gelobten Tour, das Genre des Hard'n'Heavy wäre ohne Bands wie diese um vieles ärmer. Jetzt also ein Konzert der britischen GIRLSCHOOL, die man ohne Zweifel zu den Pionieren, sorry, -innen in diesem Musikbereich rechnen muss.
Ein Blick bis zurück in die Sechziger kann nicht schaden, um die Situation einer Gruppe wie GIRLSCHOOL um 1980 herum zu verdeutlichen. So genannte Mädchen-Gruppen gab es auch schon vorher. Acts wie die CRYSTALS oder kurz darauf die SUPREMES sangen allerdings noch mehr oder weniger verschämt von Flirts, Liebe und sanften Küssen. Janis Joplin bildete da schon ein anderes Kaliber. Ihre kratzige Stimme und oft eine Flasche Hochprozentiges in der Hand sorgten für Aufregung. Songschreiberinnen wie Carole King oder Joni Mitchell, die immerhin NAZARETH mit dem Hit This Flight Tonight versorgte, saßen hinterm Piano oder zupften die akustische Gitarre. US-Bands wie FANNY oder BIRTHA starteten bereits zwischen 1967 und 1975 Versuche, in die harte Domäne der Männer einzubrechen. Böse Kritiken der (zumeist) männlichen Schreiberlinge oder pure Ignoranz führten allenfalls zu Achtungserfolgen. Ähnlich erging es wenige Jahre zuvor im Beat-Zeitalter bereits den LIVERBIRDS. Eine kleine zierliche Amerikanerin in Lederklamotten namens Suzi Quatro tourte 1972 mit den in ihrer Heimat mega-erfolgreichen englischen Glamrockern SLADE und den aufstrebenden THIN LIZZY durch Großbritannien, um im Jahr darauf die Charts mit dem harten Can The Can zu knacken.
Wenige Jahre später herrschte bereits wieder Schicht im Schacht, Frau Quatro stellte für viele Rock-Fans nicht mehr als ein hübsches Mädel in Männerbegleitung dar. 1976 starteten auf der anderen Seite des Atlantiks die RUNAWAYS mit ihrem Kraftrock, doch auch hier war u.a. aufgrund von Ego-Problemen schnell Feierabend. Joan Jett und Lita Ford machten als Solokünstler mit wechselndem Erfolg weiter, Michael Steele landete später bei den BANGLES.
Gegen 1977/78 machten sich die ersten Anzeichen der aufkommenden NWOBHM (New Wave Of British Heavy Metal) breit. Die Schulfreundinnen Kim McAuliffe und Enid "Di" Williams aus dem Süd-Londoner Stadtteil Earlsfield begannen, ihre lang gehegte Idee von einer eigenen Rockband in die Wirklichkeit umzusetzen. Unter dem Namen PAINTED LADY spielten Kim (Gitarre) und Enid (Bass) mit häufig wechselnden Begleiterinnen zunächst fast ausschließlich Coverversionen, vornehmlich auf Schulfeten. Der Sound jener Tage war noch stark vom Punk beeinflusst. Außer einigen Gigs in Frankreich sowie einem Auftritt in einer TV-Talentshow erreichten die aufstrebenden Musikerinnen kaum etwas. Zumindest aber hatten sie einen Fuß in die Tür zu den Londoner Szene-Clubs bekommen.
Als Anfang 1978 die Gitarristin Kelly Johnson und Drummerin Denise Dufort (Schwester des ANGEL WITCH Schlagzeugers Dave Dufort) einstiegen und man den Namen in GIRLSCHOOL änderte sollte es aufwärts gehen. Kelly und Denise hatten zuvor bereits in anderen Gruppen erste Erfahrungen sammeln können. Die Chemie stimmte plötzlich, man setzte vermehrt auf eigenes Songmaterial und spielte bereits im Frühjahr 1979 im Vorprogramm von MOTÖRHEAD auf deren UK-Tour.
Vorausgegangen war das Erscheinen der ersten Single Take It All Away auf dem neuen Independent-Label "City Records". Nahezu ohne Werbung wurden aus dem Stand runde achttausend Exemplare verkauft. Nachdem der damalige Manager von Lemmy & Co., Doug Smith, den Track gehört hatte, witterte er sogleich die Chance, GIRLSCHOOL als Damenriege in den immer größer werdenden Zirkus um die NWOBHM aufzunehmen. MOTÖRHEADs Gitarrist "Fast" Eddie Clarke produzierte ein Demo mit den vier Mädels und prompt landeten diese bei Bronze Records.
Mit dem Erscheinen der zweiten Single Emergency (Februar 1980) stiegen Nachfrage und Interesse an Kim, Enid, Kelly & Denise zunehmend und die Band begann sich immer mehr im Heavy Metal-Genre zu etablieren. Resultate waren Shows im Vorprogramm von KROKUS oder URIAH HEEP und gemeinsamen Gigs mit BLACK SABBATH, BUDGIE oder den WILD HORSES um Brian Robertson und Jimmy Bain. Man tourte endlos durch die britische Heimat mit ANGEL WITCH, DIAMOND HEAD und abermals mit MOTÖRHEAD.
Im Sommer 1980 erschien mit "Demolition" das erste Album von GIRLSCHOOL. Keines der Mädel präsentierte sich als überragende Sängerin, in Folge dessen teilten sich McAuliffe, Johnson und Williams die Vocals. Auffallend andererseits die Power der einzelnen Songs und die darin enthaltenen flinken Gitarrensoli. Unter der Regie des MOTÖRHEAD-Produzenten Vic Maile hatte man einen Brecher eingespielt, welcher bis auf das rockige Race With The Devil nur schwermetallische Eigenkompositionen enthielt. Demolition Boys, Not For Sale, die Single Take It All Away oder Emergency sollten fortan zum Pflichtrepertoire jeder ihrer Shows zählen. GIRLSCHOOL wurden europaweit zu einem Begriff, blieben jedoch von millionenfachen Albenverkäufen weit entfernt.
Am Valentinstag 1981 erschien die EP "St. Valentines Day Massacre", gemeinsam aufgenommen mit den Kollegen von MOTÖRHEAD. Die A-Seite enthielt die gemeinsame Interpretation des Johnny Kidd-Klassikers Please Don't Touch, während sich auf der Rückseite GIRLSCHOOL an Bomber versuchten und "Fast" Eddie mit Lemmy am Bass Emergency sang. Philthy "Animal" Taylor fehlte infolge einer Verletzung (Handgelenkbruch, Halskrause, besoffen die Treppe 'runtergefallen. es existieren verschiedene Versionen). Please Don't Touch wurde flugs zu einem Top-Ten-Hit.
Mitte 1981 erschien mit "Hit And Run" bereits der zweite Longplayer. Mit Tush gab es dieses Mal das Cover eines ZZ TOP-Songs und ansonsten die gewohnte Breitseite hochwertiger eigener Tracks wie dem Titeltrack, C'Mon Lets Go, Kick It Down, Future Flash oder The Hunter. Die Band befand sich bereits auf dem Höhepunkt ihrer Karriere. Tourneen, Auftritte im Fernsehen ("Musikladen", "ZDF-Sommergarten") und durchweg gute Kritiken ließen den mit Album Numero drei "Screaming Blue Murder" (1982) beginnenden Abstieg nicht mal erahnen. Als die Band im Herbst 1982 im Vorprogramm von RAINBOW durch die Republik tourte, hatte inzwischen Gil Weston den Platz am Bass eingenommen.
Live nach wie vor bestechend, hatte man im Studio nicht mehr viel gerissen. Das Feuer der ersten beiden Alben erlosch zunehmend, die weiteren Alben versanken im maximal grauen Mittelmaß. Weitere personelle Wechsel - u.a. ging irgendwann auch Kelly Johnson, weil sie lieber New Wave inspiriertes Zeug spielen wollte -, Imagewechsel weg von Jeans und Turnschuhen hin zu Miniröcken und Stöckelschuhen und Bandauflösungen bzw. -reformierungen ließen GIRLSCHOOL bei den meisten Fans Geschichte werden.
1996 im Vorprogramm der New Yorker Power-Thrasher OVERKILL, wieder mit Kelly Johnson, konnte die Gruppe erneut live auf ganzer Linie überzeugen. So richtig wurde aus der Band allerdings nichts mehr. Mittlerweile ist Kelly wieder fort und mit der Gitarristin Jackie Chambers an ihrer Stelle erwartete ich den Auftritt mit den Ur-Mitgliedern Kim McAuliffe, der zurück gekehrten Enid Williams und Denise Dufort mit reichlich gemischten Gefühlen...

Ein dunkler, verregneter Montagabend und gegen 20 Uhr eine Zeche Carl, die nicht gerade wegen Überfüllung geschlossen ist. Ein paar Gestalten im Foyer, ein paar weitere in der Kneipe und ab und an zwei bis drei Figuren, welche sich in Richtung Saal bewegen. Die GIRLSCHOOL-Tour beinhaltet zwei Vorgruppen (THE RULES und 9 mm), deren Wahl sicherlich ebenfalls nicht gerade für Massenaufmärsche sorgt. Stilistisch hat man nix gemein und was besonders nervt, die Headliner treten erst gegen viertel nach zehn (P.M.) auf. Herrlich, wenn man einen harten Arbeitstag hinter sich und einen nicht unerheblichen Rückweg vor sich hat plus am nächsten Morgen wieder früh raus muss.
Irgendwann nach 22 Uhr kommt schließlich Denise Dufort auf die Bühne, um sofort hinterm Schlagzeug zu verschwinden. Das stammt übrigens noch von der Vorband 9 mm, was mich auch schon nachdenklich stimmt. Frau Dufort brüllt durch die ziemlich leere Halle "Intro", und nach dem Motorradgeknatter vom Band geht's mit C'Mon Let's Go los. Der Sound ist unterirdisch, man kann gerade noch erahnen, was da gespielt wird. Im weiteren Verlauf des Auftritts bessert sich dieser Zustand, doch mehr als ein ganz schwaches "ausreichend" erreicht der Raumklang zu keiner Zeit. Ein Jammer, denn die Band ist sichtlich bemüht. Kim scheint sich in all den Jahren kaum verändert zu haben, Schulfreundin und Rückkehrerin Enid bangt wie eine Wilde und schaut eigentlich "rockiger" als vor einem Vierteljahrhundert aus, während die "Neue", Jackie Chambers, mit ihren langen blonden Haaren und ihren Lederklamotten "das" Headbanger-Klischee bestens bedient. Vermutlich kann sie auch gut Gitarre spielen, leider bekommt man aufgrund des grottenschlechten Sounds kaum etwas davon mit.
Die Band strotzt vor Spielfreude und Engagement. Die kleine zierliche Enid springt auf dem Schlagzeugpodest herum, Kim und Jackie machen einen auf Gitarrenfront und wirken alles andere als eine abgetakelte Eighties-Gruppe. Eine Zuschauerzahl von pi mal Daumen keine hundertfünfzig dürfte nicht gerade motivierend sein, doch die Damen lassen sich das zumindest nicht anmerken. Wenn mal eine Phase eintritt, in welcher man Feinheiten heraushören kann, fällt das gute Zusammenspiel der drei vorm Schlagzeug auf, während Denise doch arge Timing-Probleme zu haben scheint.
Auffallend, dass Enid bei vielen Tracks die Lead-Vocals übernimmt. Kim McAuliffe mag die etwas kräftigere Stimme haben, doch ihre Kollegin singt einfach besser. Hier und da gibt es sogar Versuche, mit drei Stimmen zu arbeiten, doch die Bedingungen lassen viele Töne im Klangmatsch versinken. Klar ist Kims präzise Rhythmusgitarre unverkennbar, doch wer gestochen scharfe Soli hören möchte ist hier fehl am Platze.
Außer zwei/drei neuen Songs liegt der Programmschwerpunkt erwartungsgemäß auf den ersten beiden Alben, die rauf und runter gespielt werden. Eine besonders lange Spieldauer hatten die seinerzeit nicht, und so endet der Auftritt nach knapp siebzig Minuten.

Spaß hat er schon gemacht, der Gig. GIRLSCHOOL befinden sich tatsächlich noch immer in einer beachtlichen Form, doch unter solchen Umständen zu spielen hat die Band nicht verdient. Ich frage mich, ob sie nicht besser im Vorprogramm einer noch etwas angesagteren Band wie etwa MAGNUM (Tour im Mai) aufgehoben wären. Verdient hätten sie es.

Jürgen Ruland, 14.02.2007

 

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