Guy Tortora

Living On Credit

( English translation by Google Translation by Google )

CD-Review

Reviewdatum: 26.08.2008
Jahr: 2008

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Guy Tortora Homepage



Redakteur(e):

Christian Gerecht


Living On Credit, Turtledove Records, 2008
Guy TortoraGuitars, Vocals, Bass
Janos BajtalaHammond, Piano
Brendan CantyBass, Backing Vocals
Mike ThorneDrums
Francesca TortoraBacking Vocals
Rebecca TortoraBacking Vocals
Guests:
Giles KingHarp
Mark FletcherDrums
Olly BlanchflowerDouble Bass
Richard StudholmeAccordion, Mandolin
Andy RobertsBass
Beth PorterCello
The Cowshed EnsembleStrings
Produziert von: Guy Tortora & Tim Burns Länge: 59 Min 47 Sek Medium: CD
01. Living On Credit07. Mama's Tired
02. Nobody's Fault But Mine08. White Boy Blues
03. Like It That Way09. People Get Ready
04. Cotton Was King10. Share Croppers
05. God Don't Change11. Falling
06. Super Blue12. Don't Do It [Bonus Track]

"Das Leben ist voller Überraschungen!" war ein Spruch, den mein Großvater immer wieder gerne gebrauchte. Ich will das jetzt gar nicht weiter vertiefen, denn als Mondscheinbauer im tiefsten oberbayerischen Kernland, hatte das Leben für ihn überwiegend arbeitsreiche und gewiss auch sorgenvolle Stunden.
Spielte aber im Wirtshaus die "Stubnmusi" einen richtigen Zwiefachen auf, dann glitt ein breites Lächeln über das zerfurchte Gesicht. Was speziell diese Stilrichtung anbelangte, machte meinem Großvater niemand ein X für ein U vor.
Natürlich kann man Rootsrock nicht direkt mit Zwiefachen vergleichen. Der Gedanke mit Äpfeln mit Birnen drängt sich geradezu auf. Aber: Beide wachsen an Bäumen. Und deshalb lassen sich für den Obstbaumveredler sehr wohl selbst die konträrsten Musikstile im Einzelnen miteinander vergleichen. (Kann mir noch jemand folgen...?)
Letztendlich soll dieser Prolog auch nur darauf hinweisen, dass ich schlicht und einfach zugeben muss, dass mir die Masse der Rootsrock-Veröffentlichungen (allein in den letzten fünf Jahren) einfach über den Kopf gewachsen ist und ich deshalb und diesbezüglich nicht mehr halb soviel Ahnung davon habe als mein Großvater von seinen überschaubaren Zwiefachen.

Im Falle von GUY TORTORA ist es aber ziemlich egal, denn würde ich diesen Namen in die Runde werfen, von 100 Rootsrockern stünde wohl 90 ein Fragezeichen im Gesicht!
In erster Linie liegt das wohl daran, dass Tortora um seine Person kein besonders großes Aufhebens macht und scheinbar völlig vergessen zu haben scheint, dass Klappern zum Handwerk gehört. Dabei ist "Living On Credit" das mittlerer Weile vierte Album des sympathischen Kaliforniers, der seit geraumer Zeit sein Domizil in London aufgeschlagen hat.
Was einen Mann dazu bewegt das sonnig-trockene Pasadena mit dem feucht-nassen London zu tauschen, werden wir wohl nie ergründen. (Vielleicht lässt ja Tortora einem gewissen NAUGHTY JACK ein paar Unterrichtsstunden in Sachen Dobro und Fingerpicking zukommen...)
Aber egal! Für GUY TORTORA und seine Band scheint London, nimmt man den Aufenthaltsort als Maßstab für die Qualität seiner Songs, genau das richtige Pflaster zu sein.
Tortora's Musikstil lässt sich ziemlich exakt an den Schnittstellen zwischen Folk und Blues, zwischen Rootsrock und Americana sowie klassisch-traditionellen Singer/Songwriter-Strukturen positionieren.
Aus dieser Melange formt Tortora (teilweise) einzigartige, zerbrechliche Songperlen und Geschichten, die direkt unter die Haut gehen. Was den "Bottle-Rocker" (die BOTTLE ROCKETS sind des Rezensenten persönlicher Maßstab in Sachen Rootsrock) am angenehmsten überrascht, sind die oft wunderschön in die Songs hinein gestreuten Hammond-Linien sowie die meist geradeaus nach vorne gehenden Gitarren (Tortora spielt eine exzellente Dobro). Diese Attribute heben ihn einerseits aus der Masse der eher faden Singer/Songwriter Gilde heraus und geben ihm andererseits eine ganz eigene, sympathische Prägung.

"Living On Credit" startet mit dem Titelsong. Das ist keine schlechte Wahl, denn die Nummer geht, obwohl immer im Up-Tempo Bereich liegend, straight nach vorne los. Sie verbindet einen treffend-aktuellen Text mit groovender Rhythmik, dominanter Dobro mit einer unaufdringlichen, aber doch unüberhörbar röhrenden Hammond. Eine exzellent gespielte Harp adelt den Song zum Ende hin geradezu!
Mit der ollen BLIND WILLIE JOHNSON Nummer Nobody's Fault But Mine sattelt GUY TORTORA das Blues-Pony auf. Ein wirklich gut gelunges Cover, das musikalisch vor allem von einem fast schon schlüpfrig angeschlagenen Bar-Piano profitiert!
Auch Like It That Way kommt positiv 'rüber. Gut, dass ist jetzt keine Mördernummer, die dir die Schuhe auszieht, aber es ist feiner Rootsrock, der, egal zu welcher Situation, einfach Laune macht!
Die "Mördernummer" folgt dagegen auf dem Fuße, denn das folgende Cotton Was King ist mit Sicherheit das beste Take dieses Albums. Eine wunderbare, vertonte Erzählung über das weiße Gold, das, ausgehend von den Plantagen in Dixie, dem Reibach der Geschäftsleute, über die Abfuhr auf dem Mississippi-River, bis hin zu den Tuchfabriken und "Mühlen" der alten Welt, dem harten Alltag und dem wenigen Lohn der Arbeiter, nichts auslässt. Ein faszinierendes Stück echten Rootsrocks, das von den dichten, rezitativen Vocals genauso lebt, wie von der überaus eindrücklichen Musik. Ganz großes Kino also!

Nach einer so dichten musikalischen Novelle kann das folgende Take nur verblassen. Könnte man meinen. Nicht bei Tortora! God Don't Change ist zwar eine Mitklatsch-Nummer erster Kajüte, aber es wäre nicht Tortora, würde er nicht einen intelligenten Text mit rau-aggressiven Vocals und Backing Vocals versehen. Die Nummer lebt! Und wie!
JJ CALE wird im nächsten Take gehuldigt, denn GUY TORTORA verbrät dessen Super Blue zu einem wunderbaren, lasziv-depressiven Bar-Blues. Schummrige Bar, schlecht drauf, ein doppelter Whisky und dann diese Nummer im Hintergrund; Jessas, da ist Kopfweh vorprogrammiert...!
Ganz anders ist Mama's Tired. Anfangs wollte der Song nicht so recht. Schien, gerade wegen der Streicher und Backing Vocals, ein bissl sülzig. Aber weit gefehlt: Das Take hat so einen hundsgemeinen Haken, dass es sich regelrecht im Ohr verbeißt. Liegt vermutlich auch wieder am Text: Wohl jeder meiner Generation (und die spricht Tortora in erster Linie ja an) hat seine Mutter schon mal, vor lauter Arbeit erschöpft, schlafend und über den Küchentisch gesunken angetroffen. So gesehen ist dieser Song eine Hommage an all die Mütter (vorwiegend der Nachkriegsgeneration), die zwar zwischen Brote schmieren, Socken stopfen, Gartenarbeit und Windeln auskochen, manchmal vor Erschöpfung einschliefen, aber immer da waren, wenn man sie brauchte.

Ähnlich lasziv wie vorhin schon CALEs Super Blue orgelt danach Tortora's White Boy Blues aus den Boxen. Und er orgelt im wahrsten Sinne des Wortes, drückt ihm doch eine dominant gespielte, röhrend-röchelnde Hammond einen ganz besonderen Stempel auf.
Völlig ohne Reiz bleibt für mich Tortora's Interpretation von Mayfield's People Get Ready. Dass ist ja nun auch nicht gerade eine Nummer, der man mittels Dobro in Singer/Songwriter Manier zu neuen Höhenflügen verhelfen kann. Technisch gibt es hier natürlich auch nix zu mäkeln, aber wie es der Zufall will, hatte ich doch vor kurzem die CHAMBERS BROTHERS besprochen.
-Und deren Version von People Get Ready ist durch nichts und niemanden zu toppen. Allenfalls VANILLA FUDGE lass' ich hier noch zu, denn die haben den Song ebenfalls sauber durch den Wolf gedreht!
Vergessen wir also diese eher laue Nummer. Mit dem folgenden Share Croppers fällt das auch überhaupt nicht schwer. Wie schon Cotton Was King ist auch dieser Song eine wunderschön erzählte Folk-Novelle. Ganz sparsam instrumentiert, aber mit überaus eindrücklichen Vocals versehen. Mehr braucht es nicht. Ganz große Klasse!
Mit Falling greift GUY TORTORA nochmals in die gleiche Kiste. Auch hier lebt das Take von der sparsamen, depressiven Instrumentierung und der angenehmen Stimme seines "Herrn". Warum aber ausgerechnet diese Nummer zum Longtrack des Album wurde ist mir etwas schleierhaft. Das Take ist schön arrangiert, lässt sich auch ganz gut hören, hat aber hintenraus einfach seine Längen...
Der letzte Track ist Estrin's Don't Do It. Dieser eher Rock 'n' Rollige Reißer ist mehr noch wie People Get Ready eine Art von Fremdkörper auf diesem Album (etwa so, als hätte man ein Staubkörnchen im Auge). Auch hier gilt: Technisch brillant, klasse gespielte Slide, fetzendes Piano, aber halt nicht besonders kompatibel mit den anderen, sehr americanesken Songs. Vielleicht deshalb auch zur Bonus-Nummer erklärt?!

Unter dem Strich und all den wirklich guten Blues-, Folk- und Roots-Nummern kommt es also nicht von ungefähr, dass mit Tortora's "Living On Credit" ein ganz feines Rootsrock/Americana Album entstand. Unaufdringlich zwar, aber mit erstklassig erzählten und instrumentierten Songs.
Tortora war für mich trotz seiner drei vorangegangenen Alben Neuland in Sachen Roots. Die überaus angenehme Überraschung, die er hinterließ, nötigte mir wie weiland meinem Großvater ein zufriedenes Lächeln (über das noch nicht ganz so zerfurchte Gesicht) ab.
Wenn GUY TORTORA schon nicht klappert, dann tue ich das also mal! Deshalb sei diese feine Scheibe allen Rootsrockern aufs wärmste und uneingeschränkt empfohlen!

Christian "Grisu" Gerecht, 26.08.2008

 

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