Blues Caravan
Kein Klo in Memphis, Interview

Erya Lyytinen, Aynsley Lister & Ian Parker Backstage im Colos-Saal, Aschaffenburg, sitzen mir, auf einem Sofa zusammengequetscht, die drei Künstler der aktuellen Blues Caravan Tour gegenüber.
Aynsley Lister, Ian Parker und Erja Lyytinen haben im Vorfeld dieser Tournee zusammen mit Label-Chef Thomas Ruf eine USA-Reise unternommen und dabei das Album "Pilgrimage" eingespielt.
Nachdem kurz vor mir noch ein Fernsehteam die drei befragte, nehmen sie sich, eine knappe Stunde vor Showbeginn, nun für mich Zeit.

Hooked on Music: Wir sind ja nicht mehr weit entfernt vom ersten Konzert der diesjährigen Blues Caravan Tour. Seid Ihr nervös?
Aynsley Lister & Erja Lyytinen: Jaa..., aber eher positiv.
Ian Parker: Aufgeregt, wohl eher. (Zustimmung der anderen beiden)

HOM: Erja, wie kam es denn zu der Zusammenarbeit mit RUF Records?
Erja: Nun, Thomas Ruf war letztes Jahr mit dem Blues Caravan auf Tour in Finnland und da traf er mich und hörte meine Musik. Tja, und von da an kam das dann ins Rollen...
Ian: Glaub ihr kein Wort! (Allgemeines Lachen)
Erja: Dann haben wir das "Pilgrimage" Album zusammen gemacht...
HOM: Genau. Im Vorfeld dieser Tour habt ihr ja dieses Album, "Pilgrimage" zusammen aufgenommen, was ja eher ungewöhnlich bei so einer Blues Caravan Tour ist. Wie kam es dazu?
Ian: Na ja, da gab es halt diese Idee, zusammen ein Album zu machen, die in erster Linie von Thomas (Ruf) kam. Bei der letzten Blues Caravan Tour gab es wohl viele Nachfragen nach einem Album der drei Künstler und so schrieb jeder von uns ein paar Songs und wir fuhren nach Mississippi und Memphis...
HOM: Ja, darüber hab ich gelesen. Habt Ihr Euch gegenseitig vorher gekannt?
Erja: Nein.
Ian: Aynsley und ich haben uns schon gekannt, jetzt nicht sonderlich gut...
HOM: Ihr seid ja die beiden Engländer in dieser Konstellation...
Ian: Ja, wir haben uns ein paar Mal getroffen über die letzten zehn Jahre. Nun sind wir ja inzwischen beide bei RUF Records und haben dieses Album zusammen gemacht und machen diese Tour zusammen. Thomas hat Erja zu dieser Party mitgebracht und es sieht so aus, als würden wir eine Menge Spaß haben.

HOM: Mir gefällt das Album sehr gut. Wie liefen denn die Aufnahmen ab? Hattet Ihr die Songs extra für dieses Album geschrieben oder waren da auch welche die Ihr "aus der Tasche" gezogen habt?
Aynsley: Eigentlich wurden alle speziell dafür geschrieben. Wir hatten, bevor wir in die Staaten flogen, ein paar kurze Proben und die Songs wurden überwiegend da kreiert. Wir hatten 6 oder 7 Wochen Zeit bevor wir die Reise begannen und in dieser Zeit entstanden die meisten Songs. Davor war noch nichts davon geplant und es ging also dann alles sehr schnell.
Ian: Wir hatten ja praktisch diese Vorgabe, bis zu einem gewissen Zeitpunkt fertig zu sein und wir wussten ja auch wohin es gehen sollte, also haben wir dementsprechend etwas im typischen Stile von Mississippi und auch von Memphis geschrieben. Eigentlich wollten wir ja auch noch nach New Orleans, aber durch den Hurrikan Kathrina musste das dann gecancelt werden...
HOM: War es für Euch das erste Mal in den Staaten zu sein?
Erja: Nun, ich war bereits vorher drüben gewesen, beim South-By-Southwest Festival.
HOM: War das, als Du Marcia Ball trafst und...
Erja: Nein, nein, tatsächlich traf ich Marcia Ball und diese anderen tollen Blues-Frauen - Du hast das offensichtlich von meiner Biographie - bei einem Blues-Festival in Finnland.

HOM: Was würdet Ihr denn sagen, wo die Unterscheide liegen zwischen CD-Aufnahmen in Europa und den USA?
Ian: Ich würde sagen..., als wir auf dieser Reise waren..., wir sind zuerst nach Mississippi gekommen und waren wohl die typischen Europäer und wir hatten ja alle schon in Europa Alben aufgenommen, aber als wir in dieses Studio in Mississippi kamen, war es wie ein Schock, wie völlig anders die arbeiten.
Das Studio ist sehr alt, richtig retro und altmodisch. Also überhaupt kein High-Tech sondern sehr puristisch. Nur mit ein paar Mikrofonen, das Schlagzeug beispielsweise wurde nur mit zwei Mikrofonen abgenommen. Wenn du das von Europa gewohnt bist..., da wird das Schlagzeug mit 20 oder 30 Mikros abgenommen!
Also das war schon außergewöhnlich, aber man hat sich bald dran gewöhnt.
Erja: Und dann gingen wir nach Memphis... (lacht)
Aynsley: Ja, und dann gingen wir nach Memphis und es war das totale Gegenteil davon.
HOM: Mit dem Produzenten Jim Gaines hattest du, Aynsley, ja schon gearbeitet.
Aynsley: Ja, das war ca. vor sieben Jahren, da hat er mein erstes Album für Thomas Ruf produziert. Müsste so '97 oder '98 gewesen sein.
Tja, dann fuhren wir eben zu den Ardent Studios in Memphis, wo schon alle möglichen berühmten Künstler Alben aufgenommen haben. Große Namen und große Platten... Und dann gibt's da keine Klimaanlage...
Ian: Ich meine, die hatten nicht mal eine Toilette! (allgemeines Lachen)
Aynsley: Ja, du musstest ein Stück die Straße runter zu einem Laden.
Ian: Das war schon besonders, gerade für uns Europäer, aber ich würde sagen, der größte Kulturschock war doch Mississippi, denn das ist wirklich eine komplett andere Kultur. Auch die Leute sind wirklich einzigartig, die sind ja da aufgewachsen und haben ihre ganz eigene Vorstellung von Leben und Arbeit.
Aynsley: Wir kamen da hin und die Sessionmusiker lagen auf dem Sofa, tranken Bier, relaxten und wir glaubten gar nicht, dass da vernünftig gearbeitet werden kann. Außerdem stellte sich heraus, dass der vermeintlich Chill-Out Raum das Studio war! (erneute allgemeine Heiterkeit)
Erja: Diese Atmosphäre in Mississippi war so vollkommen anders zu allem was ich jemals zuvor erlebt hatte. Die Landschaft, die Hitze... wir waren auf einer Plantage, wo es wohl vor etlichen Jahren Sklaven gab..., dieser Ort steckt so voller Geschichte und diese ganzen Eindrücke verarbeite ich jetzt noch.
Ian: Wir waren wirklich wie Blues-Touristen. Wenn du anfängst und spielst Gitarre und Blues und du hörst all diese Lieder über Mississippi und Baumwollfelder... und bist du plötzlich genau da und machst Musik in dieser Umgebung... HOM: Als hat Euch das offensichtlich beeinflusst.
Alle drei: Absolut!
HOM: Wessen Idee war es, einen Luther Allison Song (You Don't Know) mit auf das Album zu nehmen?
Ian: Das war Thomas' Idee.
HOM: Ihr habt außerdem einen Titel namens Blues Caravan geschrieben und aufgenommen, der offensichtlich auf diese Tour gezielt ist. Wer hatte die Idee dazu?
Aynsley: Ich denke Ian war das...
Ian: Nun, ich glaube, eigentlich kam Thomas damit an und wollte gerne einen Song der Blues Caravan heißt. Halt diese Idee, mit der Tour die genauso heißt und so... und eigentlich wollten wir das nicht machen! Wir wollten keinen Song der Blues Caravan hieß für Thomas schreiben. Im Endeffekt entschieden wir uns... also gut, ich werde Dir die Wahrheit erzählen und Thomas erschießt mich wahrscheinlich wenn er das hört.
Wir hatten diese kleine Vorproduktion in England und wir probten alle Songs aber nicht Blues Caravan. Und ich sagte, schaut, wenn es sein muss, nehmen wir doch einen Song der Blues Caravan heißt auf, und dann fingen wir einfach an zu jammen und ich kam an mit einem Vers der diesen Titel in sich hatte und brachte die anderen beiden dazu auch etwas zu schreiben, und erst in Mississippi entschieden wir uns, diesen Song aufzunehmen und es wurde einer der besten, weil es so spontan geschah und auch so klingt. Erja brachte diesen Rap-Part mit ein...
HOM: Wie kam es denn dazu, zu dieser Rap-Einlage? Machst Du so was sonst auch?
Erja: Nicht wirklich. Wenn ich Musik schreibe, gehe ich zunächst nach meiner Intuition, was mir zuerst durch den Kopf geht und was ich glaube zu fühlen, was der Song braucht. Als wir diese Vorproduktion machten, hatte ich diese Worte im Kopf und als ich nach Hause ging, dachte ich immer weiter darüber nach und... tja, so kam es dann zu diesem Part.

HOM: Wer begleitet Euch denn auf dieser Tour auf der Bühne?
Aynsley: Ich hab meine Band mit dabei und auch Ian hat seine Musiker mit dabei und eine Kombination davon wird uns den ganzen Abend begleiten.
HOM: Wie organisiert Ihr das. Spielt Ihr alles zusammen? Oder hat jeder seinen Part?
Ian: Nun, wir drei fangen zusammen an und spielen drei Akustik-Songs. Danach mach ich meine Show mit meiner Band, für ungefähr eine halbe Stunde. Dann kommt Erja, die mit meinem Drummer Wayne und Aynsleys Bassist James spielt. Dann macht Aynsley seine Show mit seiner Band und schließlich kommen wir und eine Mischung aus den beiden Bands wieder zusammen auf die Bühne.
Aynsley: Es wird so eine Art "Große Blues-Party".
Erja: Yeah.

HOM: Erja, Deine beiden Eltern sind Musiker...
Erja: Ja...
HOM:... aber was bringt ein junges, hübsches Mädchen dazu Blues zu singen? Wie hast Du angefangen?
Erja: Wie Du schon sagtest, sind meine Eltern Musiker und so war Musik Zeit meines Lebens um mich. Als ich sieben war, begann ich Violine zu spielen, recht normal also und als ich dann ein Teenager war hatte ich darauf keine Lust mehr und dann begann ich mich für die Gitarre von meinem Vater zu interessieren und ich lieh eine Menge Lehrbücher aus der Bibliothek. Dann ging zur Music Highschool und lernte dort Gitarre spielen. Mein erster Lehrer interessierte sich überwiegend für Jazz, ich lernte also und übte, aber irgendwann kam der Gedanke: Das kann noch nicht alles sein. Ich hatte in der Highschool diese Band namens BROTHERS AND SISTERS, die hauptsächlich Soul, Aretha Franklin und solche Sachen spielte und da orientierte ich mich schon mehr zu den "Roots". Aber wahrscheinlich der größte Einfluss war, als ich Ray Charles auf DVD, bzw. damals noch VHS Video sah. Er sang Georgia On My Mind und ich war völlig hin und weg von diesem Feeling. Wow!
Und zur selben Zeit kam ein Freund mit einer Platte zu mir, von der er sagte ich müsste sie unbedingt hören. Diese Platte war Koko Taylors "Earthshaker". Und so ging's los.
HOM: Koko Taylor war ja offensichtlich auch sehr von Memphis Minnie beeinflusst. Wurdest Du auch von ihr beeinflusst? Für mich ist sie so eine Art weiblicher Robert Johnson.
Erja: Ja, schon, sie war wirklich eine außergewöhnliche Sängerin, die den weiblichen Blues zu einem neuen Level erhoben hat. Sie hatte ja mehrere Ehemänner, die auch mit ihr spielten. Wenn es mit einem zu Ende ging, schnappte sie sich halt einen neuen. Ich habe aber nicht so viele ihrer Aufnahmen gehört wie ich vielleicht sollte.
HOM: Wie kamst Du dann zum Slideguitar spielen? Was Dir ja auch den Vergleich mit Bonnie Raitt einbrachte.
Erja: Ja, offensichtlich. An meinem ersten Jahr in der Highschool sah ich einen Jungen mit einem Slide spielen und ich fragte meinen Musiklehrer, ob er mir nicht so was beibringen könnte. Ich spielte dann in normaler Stimmung, weil ich da noch nicht soviel Ahnung hatte und dann brachte mir ein anderer Freund eine Bonnie Raitt Platte und so kam ich dann auf die Open-E Stimmung. Damit begann das dann.

HOM: Wie macht Ihr das auf der Bühne mit der Abstimmung. War es ein Problem für Euch, mit anderen zusammen zu spielen, wo ihr gewohnt seid die Hauptperson auf der Bühne zu sein?
Erja: Nun, ich glaube, wir sind alle an gewissen Stellen die Hauptperson und die anderen unterstützen dann...
Ian: Ich würde sagen, es könnte ein Problem sein, wenn du die falschen Leute dazu hast. Aber bei dieser Tour ist es so..., wir respektieren uns gegenseitig genug und jeder hat seinen Part.
Aynsley: Ich hab ja so viele Jahre als Frontmann meiner eigenen Band verbracht, da ist es durchaus interessant, sich mal zurück zu nehmen, zu sehen was auf der Bühne passiert, zuzuhören und auch zu lernen. Es ist also eine sehr lehrreiche Erfahrung.

HOM: Ian, wer hat Dich gesanglich beeinflusst. Viele hören bei Dir Joe Cocker durchklingen.
Ian: Nun, um ehrlich zu sein, als ich ein Teenager war, sah ich mich viel mehr als Gitarrist.
HOM: Wer war denn da Dein Einfluss?
Ian: Da war ich natürlich von Eric Clapton und Jimi Hendrix beeinflusst...
HOM: Ja, Eric Clapton hört man deutlich in Deinem Spiel heraus...
Ian: Ja, und Peter Green war ebenfalls wichtig für mich. Also sehr 60's bezogen, 60's Rock und Blues, Blues-Rock und dann ging ich weiter zurück zu B.B. King und Buddy Guy und solchen Leuten. Ich war also eigentlich viel mehr am Gitarrespielen interessiert als am Singen. Das kam erst später, dass ich mich gleichberechtigt für Songschreiben, Singen und Gitarrespielen interessierte. Heutzutage will ich kein Gitarren-Hero mehr sein.
Ich fühle mich aber gesanglich von niemand bestimmten beeinflusst. Viele Leute sagen Joe Cocker, und ich mag Joe Cocker, aber direkt beeinflusst - nein.
HOM: Du hast Peter Green erwähnt, von dem Du auf deinem Livealbum ja den Titel Green Manalishi gecovert hast.
Ian: Ja, eine toller Song. Das war 1970 und Peter war wohl schon dabei, langsam dabei seinen Verstand zu verlieren, eine wirklich schlimme Geschichte, aber genau da hat er noch einmal ein paar Wahnsinns-Songs geschrieben [echt irre... Red.]. Eben auch diesen.

HOM: Aynsley, Du hast ja immer mal einen Jimi Hendrix Titel auf deinen CDs, also war er wohl ein Einfluss?
Aynsley: Das sieht so aus, aber ich war nie ein riesengroßer Hendrix-Fan. Ich könnte überhaupt keinen Musiker nennen, von dem ich alles mag was er gemacht hat. Von Hendrix hab ich tatsächlich nur zwei Songs gecovert, Crosstown Traffix und Little Wing, weil ich denke, das sind zwei großartige Songs. Die Leute kommen oft nach meinen Auftritten und sagen "Oh, du musst ein großer Hendrix-Fan sein". Bin ich nicht und war ich nie. Es sind diese Songs die ich mag.

HOM: Habt Ihr vor, Songs aus dem "Pilgrimage" Album in Euer Soloprogramm zu übernehmen?
Ian: Nun, ich und auch Aynsley haben schon angefangen welche in unseren Set einzubauen und das ist also gut möglich.
Erja: Ja, habe ich vor.

HOM: Gibt es Pläne, von dieser Tour einen Live-Mitschnitt zu machen?
Ian: Ich glaube eher nicht, denn wir haben ja diese DVD-Aufnahme in Köln gemacht und die wird wohl bei RUF Records erscheinen.
HOM: Und wie sieht es mit neuen Soloveröffentlichungen von Euch aus?
Ian: Das hat wohl jeder von uns vor. Ich hoffe so um Juni herum ins Studio zu gehen und neue Lieder aufzunehmen.
Erja: Ich will auch so um diese Zeit mein Album aufnehmen, mein erstes für RUF Records.
Aynsley: Ich werde auch dieses Jahr ein Album aufnehmen, wahrscheinlich im Herbst. Wäre schön, wenn es Ende des Jahres erscheinen könnte, aber ich denke, es wird wohl nächstes Jahr. Das ist noch nicht sicher, ich muss da erst mit dem Boss reden (lacht).

HOM: Okay, das hört sich gut an. Es ist nicht mehr viel Zeit bis zu Eurem Auftritt. Vielen Dank für das Interview und viel Spaß auf der Bühne.

Hier geht es zum Konzertbericht

Epi Schmidt, 18.01.2006

 

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