Joe Bonamassa Driving Towards The Daylight, Mascot Label Group, 2012 |
Joe Bonamassa | Gesang, Gitarre, Dobro & Mandoline | |||
Brad Whitford, Blondie Chaplin, Pat Thrall | Gitarre | |||
Arlan Schierbaum | Orgel, Piano & Hammond | |||
Michael Rhodes, Carmine Rojas | Bass | |||
Anton Fig | Schlagzeug | |||
Doug Henthorn | Gesang | |||
Kevin Shirley | Gitarre, Piano, Tambourine & Kuhglocke | |||
Jeff Bova & The Bovaland Brass | Blasinstrumente | |||
Jimmy Barnes | Gesang | |||
Howlin' Wolf | Spoken Words | |||
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01. Dislocated Boy | 07. Lonely Town, Lonely Street | |||
02. Stones In The Passway | 08. Heavenly Soul | |||
03. Driving Towards The Daylight | 09. New Coat Of Paint | |||
04. Who's Been Talking? | 10. Somewhere Trouble Don't Go | |||
05. I Got All You Need | 11. Too Much Ain't Enough Love | |||
06. A Place In My Heart | ||||
Was hat dieser Mann für einen Output: in zwölf Jahren hat JOE BONAMASSA 13 Studio-Alben (entweder Solo oder aber mit BLACK COUNTRY COMMUNION, beziehungsweise Beth Hart) herausgebracht, zusätzlich vier Live-Alben (hier drei Solo, eine mit BLACK COUNTRY COMMUNION) und ebenso vier Live-DVDs. Dabei hat er sich vom noch etwas ungestümen Jung-Blueser zu einer Art Elder Statesman des Blues entwickelt. Und auch musikalisch hat er sich mächtig gewandelt: am Anfang spielte er einen deutlich von Stevie Ray Vaughan-beeinflußten Gitarren-Blues-Rock im typischen Power-Trio-Format, mittlerweile bietet er dem Hörer eine sanftere, ich möchte sagen „wohltemperierte“ und sehr Pop-affine Variante des Blues.
Diesem eingeschlagenen Weg bleibt BONAMASSA auch auf “Driving Towards The Daylight“ treu und versucht, den traditionellen Blues in die Gegenwart hinüberzuretten. Dazu nimmt er sich wieder auch zahlreichen Kompositionen anderer Künstler an. Darunter befinden sich Ikonen wie Robert Johnson (mit Stones In The Passway), Howlin’ Wolf (der seinen eigenen Song Who’s Been Talking? selbst ansagt) Willie Dixon (I Got All You Need) sowie Bill Withers (hier mit Lonely Town, Lonely Street vertreten). Diese Songs werden soundtechnisch aufgefrischt, bleiben jedoch durchaus erkennbar. Dabei sorgen gerade die Klassiker wie Johnson, Wolf und Dixon dafür, dass “Driving Towards The Daylight“ ein sehr ausgeprägtes Retro-Feeling hat.
Einige dieser Cover gehören auch wieder zu den Highlights des Albums, so das wunderbar locker-groovende Who’s Been Taking, das nicht minder lässige, aber sehr traditionelle I Got All You Need und auch das wunderbare, atmosphärische A Place In My Heart, das von dieser typischen BONAMASSA Lead-Gitarre in ähnlich gigantische Höhe gehievt wird wie etwa und künftig bei Live-Sets wohl einen festen Platz einnehmen dürfte. Ebenso wie auch Driving Towards The Daylight. Aber dazu muss ich ein klein wenig ausholen:
Auf seiner letzten Europa-Tournee hat BONAMASSA etwas vollmundig angekündigt, dass auf seinem nächsten Album wieder keine Hits sein würden. Vielleicht war das etwas voreilig, denn mit dem Titel-Song hat “Driving Towards The Daylight“ einen Track am Start, der alles hat, was eine Radio-Station dazu bringen könnte, das Stück in die Rotation aufzunehmen: eine eingängige Hookline, die man immer wieder hören kann, eine wunderbare Atmosphäre, wunderschöne Wechsel von ruhigen, akustischen Passagen zu rockigen Parts und ganz viel Feeling. Ich glaube, wenn es so etwas wie einen Blues-Hit gibt, dann ist es dieser hier. Das Stück hat einfach alles.
Dabei mag es sogar sein, dass es andere Gitarristen gibt, die rein spiel-technisch gesehen auf einem höheren Niveau zocken, als es BONAMASSA tut, aber der Mitt-Dreißiger braucht sich vor der Konkurrenz wahrlich nicht zu verstecken, zumal er einen sehr bodenständigen Stil mit einem besonderen Augenmerk auf Emotionen pflegt, der ohne besondere technische Spielereien auskommt. Als Kontrast sei hier einmal Marcus Deml von ERRORHEAD angeführt, der auf sehr hohe technische Spielkunst setzt, mich persönlich aber überhaupt nicht berührt. Denn solche Lieder wie Driving Towards The Daylight oder die Gitarren-Soli etwa in A Place In My Heart oder New Coat Of Paint berühren den Hörer eben tief im Innersten und bringen etwas zum Schwingen, was man mit Fingerübungen und High-Speed-Licks nicht erreicht.
Haus- und Hof-Produzent Kevin Shirley, der alle BONAMASSA-Alben seit “You And Me“ von 2005 produziert hat, zeichnet auch hier wieder für den angenehmen, unaufgeregten Sound des Albums verantwortlich. Dabei hätte ich mir manchmal mehr Ecken und Kanten oder mehr „blue notes“ gewünscht, um kein allzu großes Wohlfühl-Feeling aufkommen zu lassen. In einem kurzen Video erklärte Shirley, er habe versucht, BONAMASSA durch zahlreiche neue Gastmusiker, wie zum Beispiel Brad Whitford (AEROSMITH), aus seiner Komfort-Zone herauszuholen. Das hört man “Driving Towards The Daylight“ aber nicht an, vielmehr klingt er an manchen Stellen etwas zu komfortabel – aber wieder einmal auf extrem hohem Niveau.
Um mal ganz streng zu sein: Vielleicht steht sich BONAMASSA ja ein bisschen selber im Wege, in dem er jedes Jahr mindestens ein Album auf den Markt wirft. Ich denke manchmal, er wäre besser beraten, nur alle zwei Jahre präsent zu werden, dafür aber auf Alben zu setzen, die überwiegend aus eigenem Material und höchstens ein oder zwei zusätzlichen Cover-Versionen bestehen. Oder er bringt alle paar Jahre ein Album rein mit Fremd-Kompositionen raus, konzentriert sich dafür aber ansonsten darauf, seine eigenen Stücke noch zu verfeinern. Denn mit “Driving Towards The Daylight“ legt er wieder ein sehr gutes Album vor, das aber auch ein paar Schwächen hat. Es ist etwas zu vorhersehbar, etwas zu glatt, zu wenig gewagt. Dafür ist es spieltechnisch und soundtechnisch wieder über alle Zweifel erhaben. Mit diesem Album kann ein Musikfan wenig falsch machen, aber ein echter „Klassiker“ ist es auch nicht geworden – und den hätte BONAMASSA in sich, wenn er nur etwas mehr Geduld hätte. Das beweisen solche Songs wie der Titeltrack und auch Heavenly Soul.