Bonn, Museumsplatz, 02.07.2006

Kaum eine Band hat mich bis in die heutigen Tage so nachhaltig beeindruckt wie CREEDENCE CLEARWATER REVIVAL. Wohl auch deswegen entstand im Vorjahr die im Hooked on Music veröffentlichte Story zu dieser Gruppe, deren Namen vielleicht nicht jedem etwas sagt. Hört man allerdings Songs wie Proud Mary, Bad Moon Rising oder Hey Tonight, dürfte sofort der Groschen fallen.
Nachdem es CREEDENCE bereits seit 1972 nicht mehr gibt, hatte der kreative Kopf und nahezu Alleinverantwortliche ihres Songmaterials, John Fogerty, mit vielen Auf & Ab's während seiner Solokarriere zu kämpfen. Nachzulesen ist das besonders gut in dem Buch "John Fogerty und das Drama Creedence Clearwater Revival" von Mark und Rüdiger Bloemeke.
John Fogerty konnte nach dem Ende von CREEDENCE CLEARWATER REVIVAL veröffentlichen, was er wollte. Klang es nicht eindeutig nach der legendären Band, fielen die Publikumsreaktionen zumeist eher zurückhaltend aus, was sich natürlich auch auf die Verkaufszahlen seiner Alben niederschlug. Mit "Centerfield" (1985) und dem mit einem Grammy ausgezeichneten Album "Blue Moon Swamp" (1997) kam er dem Sound von CCR relativ nahe. Prompt zeigte die kommerzielle Kurve jeweils nach oben. Dass man seinen übrigen Alben durchaus zumindest den einen oder anderen herausragenden Song zuordnen darf, beweist nicht nur ein gewisses Rockin' All Over The World...
Im vergangenen Jahr kehrte Fogerty zu seiner alten Plattenfirma "Fantasy Records" zurück, mit der er sich über viele Jahre zuvor einen heftigen Rechtsstreit liefern musste. Der kurz darauf veröffentlichte Sampler "The Long Road Home" zeigte Solomaterial und CCR-Tracks einträchtig nebeneinander vereint. Nachdem "Mister CCR" sich bereits im Vorjahr für eine kurze Stippvisite in unseren Breiten aufhielt, gibt/gab er sich während der laufenden Europa-Tournee mit insgesamt fünfzehn Gigs erneut für zwei Konzerte in Deutschland die Ehre.
Leider habe ich es in den Jahren zuvor nie bis in eines seiner Konzerte geschafft. Mit dem Flieger in die USA schied wegen Flugangst und fehlendem Geldscheißer aus. Die Tour vor einigen Jahren im Vorprogramm von Tina Turner tat ich mir nicht an. Mir erschien das Ganze wie eine Denkmalsschändung. Und letztes Jahr zeigte mein Arbeitgeber kein Verständnis für den angebrachten Wunsch nach einem Urlaubstag. Statt Fogerty war Spätschicht angesagt. Als ich dann im Frühjahr von einem Konzert in Bonn erfuhr, war der erste Blick jener auf den Kalender und knapp zehn Minuten darauf wurde ein losbrausendes Auto mit dem Ziel "Ticket-Vorverkaufsstelle" gesehen...

... welches am Sonntag, dem 2. Juli 2006, in Bonn wiedergesehen wurde. Ein verdammt heißer Tag, die Sonne meinte es mehr als gut. Um die Kunst- und Ausstellungshalle unserer ehemaligen Hauptstadt bildete sich schon lange vor Konzertbeginn eine sich artig in Schlange aufstellende Menschenmasse, die auf reichlich Besucher hindeutete.
Nachdem man uns (Gemahlin Bea wollte sich den Gig auch nicht entgehen lassen) noch mal eben drei Euro für einen Parkplatz abgeknöpft hatte, schlurften wir also durch die Affenhitze bis ans Ende der immer länger werdenden Besucherschlange. Wir waren echt nicht gerade auf den letzten Drücker eingetrudelt, aber bis wir mal auf dem im Museumshof gelegenen Museumsplatz angelangt waren, hatte mit Beth Hart bereits gerade der Opening Act losgelegt.

Im Vorfeld der Fogerty-Tour wurde Beth Hart auch schon mal als Ikone des amerikanischen Rock bezeichnet. Ein Blick ins Fremdwörterlexikon erklärt mir dieses Wort als Heiligen- oder Kultbild der Ostkirche. Nun, wie eine Heilige kam die Frau nicht herüber, und auch ihre musikalischen Begleiter an Gitarre, Bass und Drums würde ich nicht mit kirchlicher Musik in Einklang bringen.
Beth Hart, die zuweilen auch Keyboard spielte, lieferte mit den drei Jungs einen energiegeladenen Set ab, der auch aus jener Zeit hätte stammen können, in welcher CCR ihre großen Erfolge feiern konnten. Stimmlich absolute spitze, sang sich die Rockröhre durch einen angenehm kurzweiligen Set. Mal rockige, mal dezentere Töne anschlagend, konnte das Quartett viele der Anwesenden durchaus überzeugen. Das Problem vieler Vorbands, sich mit einem gelangweilten und desinteressierten Publikum herumschlagen zu müssen, existierte an diesem Abend nicht. Klasse Auftritt, gutes Songmaterial. Beth Hart sollte in dieser Form auch in Europa eine Chance haben.

Der Museumsplatz ist ein teilweise überdachter Platz zwischen zwei Gebäuden der Bonner Museen. Das Ganze schaut aus wie ein an den Seiten offenes Spitzzelt und glänzt durch eine angenehme Akustik. Bei Regen steht man im Trockenen, bei starkem Sonnenschein wie an diesem Tage brennt es einem nicht das Hirn weg. An einem Ende steht die Bühne, am anderen ein kleiner Turm für Mischpult und Scheinwerfer. Seitlich neben dem Turm gibt es auch ein paar Bäumchen. Befindet sich die Besucherin bzw. der Besucher inmitten der beschriebenen Örtlichkeit, darf sie bzw. er sich über ein, zumindest von den äußeren Umständen her betrachtet, tolles Event freuen.
Leider konnte ich mich des Eindrucks nicht erwehren, als hätte man ein paar Tickets zu viel unters Volk gebracht. Für Veranstalter und Künstler mag das schön sein. Die Konzertgänger, welche noch nach uns das Gelände betraten, standen bei strahlendem Sonnenschein allerdings sprichwörtlich im Regen. Gut, neben der Bühne hingen noch zwei Leinwände, auf denen das Konzert zu verfolgen war. Nur: Kann man das nicht auch daheim vorm Fernseher mittels der in diesen Tagen erscheinenden DVD, die weit unter dem Preis für ein Konzertticket (44,50 Euro für einen Stehplatz) erhältlich ist?
Ein paar VIPs (?!?!?) verweilten auf den Stufen zu einem der angrenzenden Gebäude und durften sich an Sekt oder Wein oder so einer ähnlichen Brause laben, der Rest stand sich auf dem fein gepflegten Kies seine Beine in den Bauch. Keine Tribüne, nix. Leute unter 1,70 m hatten wie so oft traditionell wieder einmal die A...karte gezogen. Bea hatte da noch Glück, dass sie zwischen zwei Riesen halbwegs passabel hindurchblicken konnte. Selber kurz unter einsneunzig messend, habe ich da meistens mehr Glück.
Ich muss gestehen, so sehr ich mich auf den Gig John Fogertys gefreut hatte, so sehr beschlichen mich auch Zweifel, ob es womöglich ein ähnliches Debakel geben würde wie im Fall von Ray Davies beim Arrow Rock Festival Anfang Juni. Wer einmal das anfangs erwähnte Buch oder das umfangreiche Booklet der "CCR-Box" gelesen hat, dürfte eventuell in dem Glauben leben, John Fogerty wäre ein nicht immer problemloser Mensch und dementsprechend vielleicht nicht bei bester Laune.

Die Show begann pünktlich um 20.00 Uhr mit einem aus der recht großen P.A. dröhnendem Mix aus CREEDENCE-Songs. Die visuelle Begleitung mit Bildern aus Johns langer Karriere sorgte zusätzlich für eine sich rapide steigernde Stimmung im Publikum. Kurz darauf kamen seine Musiker auf die Bühne, und dann... endlich war er da. Mister John Fogerty! Und wie! Legte gleich mit Travelin' Band los und raste über die Bühne. Nix war mit Altherren-Rock, die Rock'n'Roll-Sau wurde herausgelassen. Soundmäßig klang das noch leicht matschig, aber das schien keinen zu interessieren. Ein regelrechter Beifallsorkan kam auf Fogerty und seine Mannen bei Ende des Openers zu.
Der Mann, der CCR war (ohne die Leistung von Tom Fogerty, Stu Cook und Doug Clifford schmälern zu wollen), schien mächtig beeindruckt, tauschte seine Gitarre gegen eine Gibson Les Paul, kündigte Rock'n'Roll an, und ab ging's mit Green River bei nun hervorragendem Sound. Der Klassiker wurde solomäßig aufgemotzt und John schien sich regelrecht in diesem Track auszutoben. Ich konnte es kaum glauben und machte mal für einen kurzen Moment die Augen zu. Es klang wie CREEDENCE CLEARWATER REVIVAL. Die Magie war wieder da.
Nach Green River gab es dann erst recht kein Halten mehr. Die Leute im gesamten Zelt veranstalteten eine riesige Party, und die Band sorgte für eine wahnsinnige Atmosphäre. Neben Fogerty zwei weitere Gitarristen, ein zwischen Keyboards und vierter Klampfe wechselnder Musiker, ein Bassist der ausschaute wie Stu Cook in jungen Jahren und der langjährige Weggefährte Kenny Aronoff (ex-SMASHING PUMPKINS) an den Drums mit einem Wumms wie einst Doug Clifford.
Erwähnenswert das Zusammenspiel aller Musiker. Ich schreibe bewusst "aller". Selbstverständlich war John Fogerty der Star des Abends, jedoch durften auch seine Mitstreiter zeigen was sie drauf hatten. Das eine oder andere Solo überließ er seinen exzellenten Begleitern und haute statt dessen einen Rhythmus heraus, wie es vielleicht nur er beherrscht. Erwähnenswert auch die Momente, in denen John gemeinsam mit einem seiner Gitarristen solierte oder man zu fünft wie eine Gitarren-Armee am Bühnenrand rockte. Klar, dass die Zuschauer dabei noch mehr ausrasteten.

Fast nach jedem Song wurden die Gitarren getauscht. So klang wirklich jeder Track anders und sorgte für eine Gänsehautatmosphäre wie es zuweilen auch immer noch die Alben CCRs und einige seiner Sologeschichten tun. Who'll Stop The Rain lebte von mehreren akustischen Gitarren und wurde perfekt und zugleich bewegend vorgetragen. Ich glaub, ich musste echt das eine oder andere mal schlucken. Ich denke, es handelte sich um so etwas wie eine gefühlsmäßige Überwältigung. Da lebten längst vergangene Zeiten wieder auf, ohne aber den Mief des ewig Gestrigen zu verbreiten.
John Fogerty entpuppte sich als ein Mann, der vor guter Laune zu bersten schien und als ein Musiker, welcher den Rock'n'Roll im Blut hat. Angestachelt wohl auch durch das frenetisch mitgehende Publikum, raste er immer wieder in Richtung Bühnenseite und entlockte seinen wechselnden Gitarren die so heißgeliebten Töne welche man live viel zu selten hört. Zwischendurch immer wieder mal von Woodstock, Vietnam, seiner Zeit in der Army oder mit CREEDENCE erzählend, präsentierte sich Fogerty als ein angenehmer Unterhalter, der keineswegs wortkarg bleibt und mit eiserner Disziplin ausschließlich seinen Set abliefert. Vielmehr zeigte er sich als sympathischer Musiker, der viel Freude an der eigenen Musik wie auch an den Reaktionen des Publikums hatte.
Man kann es kaum glauben, dass dieser Mann bereits über sechzig Jahre alt ist. Gut, ein wenig gealtert, aber irgendwie schien er einem Jungbrunnen entsprungen zu sein. Fit wie ein Turnschuh und mit einer Stimme versehen, die kaum etwas vom Glanz der CREEDENCE-Ära verloren hat.

Bis auf einige wenige Songs seiner Solo-Alben gab es einen CCR-Klassiker nach dem anderen zu feiern. Zwischendurch spielte man aber auch immer wieder Tracks, die der eine oder andere gar nicht oder in einer anderen Form erwartet hätte. Bei Cotton Fields sang Fogerty mit einigen seiner Musiker erst einmal reichlich a cappella, um anschließend wieder elektrisch einzusteigen.
Ramble Tamble hatte ich nicht unbedingt erwartet. Allerdings sorgte die heftige Version ebenso wie das zweite überlange Stück, Keep On Chooglin' (... auf das ich sehr gehofft hatte...), für kollektive Glücksmomente. Bei Keep... glänzte John auch an der Mundharmonika und lieferte sich ansonsten wahre Gitarrenschlachten mit den anderen Bandmitgliedern.
Bootleg, Long As I Can See The Light oder Heard It Through The Grapevine hatte ich auch nicht unbedingt erwartet. Genau hier lag aber das Salz in der Suppe. Songs wie diese rundeten das perfekte Bild erst vollständig ab. Das bluesige Bootleg und die ausgedehnten Versionen von Long As... bzw. Heard It... - mit einem Fogerty in stimmlicher Höchstform - trafen auf genau so große Resonanz wie Gassenhauer a la Hey Tonight oder Sweet Hitch-Hiker. Geschickt wurde immer wieder das Tempo variiert. Einem Rocker wie It Came Out Of The Sky folgte das eher besinnliche Lodi, beide natürlich vom Publikum mit riesigem Applaus bedacht.
Besonders das CCR-Material stieß auf eine absolut textsichere Fan-Schar. Evergreens wie Lookin' Out My Back Door oder Have You Ever Seen The Rain wurden Wort für Wort lautstark mitgesungen. Vor beiden Songs wusste Fogerty noch kurz eine kleine Geschichte zu erzählen. Hatte er Lookin'... seinerzeit für seinen kleinen Sohn geschrieben, deutete Have You Ever... bereits auf das Auseinanderbrechen von CREEDENCE CLEARWATER REVIVAL hin. Sehr emotional auch die Darbietung von Déjà vu aus seinem letzten Solowerk. Alleine, sich nur mit einer akustischen Gitarre begleitend, sang er diesen Track in einer bewegenden Version zu den Bildern auf den Leinwänden, welche sich um das Thema Krieg in Vietnam und im Irak drehten.
Mit zunehmender Dunkelheit kam auch die ausgezeichnete Lichtanlage immer mehr zur Wirkung und tauchte die Bühne in ein angenehmes, niemals aufdringlich wirkendes Farbenmeer ein. Zum Ende des Konzert hin wurde hinter dem Drum-Podest ein Vorhang mit dem Motiv zu "Blue Moon Swamp" (1997) enthüllt, dem vielleicht am ehesten an CREEDENCE erinnernden Fogerty-Album. Schade, dass bis auf Hot Rod Heart nichts daraus gespielt wurde. Dafür gab es von "Centerfield" (1985) neben dem Titelsong eine Wahnsinnsversion von Old Man Down The Road, die wohl nicht nur bei mir die Frage aufkommen ließ, warum der Mann so wenig CCR-ähnliches seit 1972 veröffentlicht hat.
Der Fundus der legendären Band gab allerdings weiter reichlich Stoff her. Ich sag nur Born On The Bayou, womit Fogerty den typischen CCR-Sound erfunden hatte. Bad Moon Rising entfachte wieder den riesigen Zuschauer-Chor, der schon bei den ersten Tönen dieses Klassikers einsetzte. Fortunate Son, ein weitere Titel, der sich um das Thema Vietnam dreht, beendete knallhart den regulären Set.
Die frenetisch geforderte Zugabe begann mit Rockin' All Over The World. Was soll ich sagen? Mir hat der Song in der Interpretation Fogertys mindestens genau so gut gefallen, wie jene einer weltweit bekannten, legendären englischen Boogie-Band. Der letzte Song, Proud Mary, sorgte noch einmal für ganz viel Gänsehautfeeling und beendete nach zwei Stunden ein Konzert, welches ich mir in dieser Form immer erhofft, aber nicht so richtig erwartet hatte.

Für mich war's eine Sternstunde. Halt, waren es zwei Sternstunden der Rockmusik. Besser geht es nimmer und in meiner persönlichen Bestenliste aller jemals besuchten Konzerte rangiert dieses wohl unter den ersten Dreien. Vielleicht erfüllt sich ja mein Wunsch auf ein baldiges Wiedersehen mit John Fogerty beim nächsten Arrow Rock Festival. Die "Heineken Music Hall" in Amsterdam war zum Zeitpunkt des diesjährigen Festival bereits ein Mal ausverkauft und ich möchte wetten, dass ans Ende der Europa-Tour angehängte zweite Konzert dürfte ebenfalls mächtig voll werden.

Für alle, die nicht dabei waren und sich vielleicht noch einmal die Songs im heimischen Wohnzimmer anhören möchten, folgt jetzt noch die Setlist mit Tracks wie Perlen an einer Schnur. Here we go:
Travelin' Band, Green River, Who'll Stop The Rain, It Came Out Of The Sky, Lodi, Lookin' Out My Back Door, Commotion, Born On The Bayou, Cotton Fields, Hot Rod Heart, Ramble Tamble, Midnight Special, Bootleg, Déjà vu, Heard It Through The Grapevine, Have You Ever Seen The Rain, Sweet Hitch-Hiker, Long As I Can See The Light, Keep On Chooglin', Hey Tonight, Down On The Corner, Centerfield, Up Around The Bend, Old Man Down The Road, Bad Moon Rising, Fortunate Son, Rockin' All Over The World, Proud Mary.

Jürgen Ruland, 09.07.2006

 

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