Juli Kapelle

Materie

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CD-Review

Reviewdatum: 01.01.2000
Jahr: 2004

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Redakteur(e):

Ralf Stierlen


Juli Kapelle
Materie, tonträger & Tontraeger TONTRäger, 2004
Achim SauerVocals, Keyboards, Guitar, Synthesizers, Bass & Drums
V.B. KühlDrums & Percussion
Die GMSPiano
Steffen GerlachDrums & Percussion
Felix RinghausenGuitar
Ralf HammermeisterRhythms, Bass & Fakesynthesizer
Produziert von: Achim Sauer Länge: 43 Min 21 Sek Medium: CD
1. ... die Tor macht weit7. Aufzeichnung des Flugschreibers d-160
2. Entkommensversuchungsführung für Bleiberinnen & niemand besonderes8. Stärke 7
3. Sinn!!9. 3 Schritte
4. Maschine10. (Treib)sand
5. Sender11. So nah/so weit
6. Der Himmel zwischen uns12. Leoniden

Manchmal hört man zu besprechende CDs doch eher lustlos durch, fühlt seine bösen Vorahnungen bestätigt, quält sich mit dem musikalischen Material ab und legt dann mehr oder weniger Energie in den Verriss oder sucht nach wohlüberlegten Worten, um den Flurschaden halbwegs in Grenzen zu halten oder zumindes höflich einzukleiden. Aber manchmal wird man auch auf positive Art und Weise überrascht und regelrecht aus der Bahn geworfen. Da geht dann richtig die Sonne auf und man weiß wieder, warum Musik das Leben erst lebenswert machen kann.

Achim Sauer, kurz as, in Aschaffenburg geborener und mittlerweile im niedersächsischen beheimateter Komponist, Musiker und Tausendsassa hat mir die neueste Scheibe seines Projektes JULIKAPELLE zukommen lassen und seitdem habe ich wieder den Glauben an intelligente Musik aus deutschen Landen zurückgewonnen.

Schon bei dem geheimnisvoll knacksenden Intro ... die Tor macht weit, das sich silbergrau meditativ und gleichwohl rhythmisch aus den Boxen schält, wird klar, dass man es hier mit einem außergewöhnlichen, sich erst nach und nach offenbarenden Werk zu tun hat.
Das nachfolgende Entkommensversuchsführung... ist sperriger als die sonstigen, derzeit recht erfolgreichen deutschen Popergüsse, aber dennoch nicht abgehoben im Nirvana sondern mit deutlichem Independent Popappeal und dabei erheblich sinnlicher als zum Beispiel die Hamburger Schule.
Sinn!! dagegen überrascht mit knarzigem Singer-/Songwriter-Groove, quasi einer deutschen Variante von BECK, um am Ende mächtig in die Folkrockecke zu schnuppern, während Maschine, dem Entfremdungs-Thema gemäß, schweres Rockgeschütz auffährt. Ein Song, auf den auch eine Band wie KING CRIMSON stolz sein könnte.
In Sender rieselt leise der Wüstenstaub über die Slideguitar, während die Zeit langsam von dannen tropft. Der Himmel zwischen uns hingegen ist ein tongewordener Aufschrei: rau, ungehobelt, vorwärtsdrängender Indierock, gewollt unfertig und direkt bis auf die Knochen.
Aufzeichnung des Flugschreibers d-160 mutiert vom dickflüssigen Avantgardeschleicher zum groovigen Electronicasong in der Tradition von CLUSTER oder NEU - Krautrock für das neue Jahrtausend.

Und es bleibt spannend: im intensiven Stärke 7 scheint Tom Waits auf KRAFTWERK zu treffen, während 3 Schritte wie eine wärmere, vollere und zeitgemäße Version eines Stückes von TALK TALK daherkommt, das zart mit Elektronika unterlegt worden ist.
(Treib)sand entpuppt sich als irrwitzige Mischung aus Tangostimmung, Schepper-Groove und hypnotischem Sprechgesang vor einer flirrenden Artrock-Kulisse, wohingegen So nah/so weit als eingänge Kreuzung von Krautpop mit DEPECHE MODE durchgehen könnte und dem zwangsläufigen deutschen Indiepop noch am nächsten kommt.
Den Abschluß bildet mit Leoniden ein verträumtes, abgespacestes Instrumental der faszinierenden Art.

Eine im wahrsten Wortsinne unbeschreibliche Scheibe, die jeder selbst erfahren, erfühlen und erleben sollte, um sie in sich aufnehmen zu können. Mag es für den einen oder anderen eine gewisse Herausforderung sein, sich der JULIKAPELLE zu nähern (immerhin gibt es die Scheibe bisher auch nicht über die gängigen Vertriebswege, sondern nur über die Website der Band bzw. des Labels), so kann man doch jedem, der Ohren hat um mit diesen zu hören, mit auf den Weg geben: der steinige Aufstieg lohnt sich, denn die Aussicht am Gipfel ist phänomenal.
Eine Scheibe, an der man lange Freude hat, da es immer wieder Neues zu entdecken gibt und die bei jedem Hören weiterwächst.

Ralf Stierlen, 26.01.2005

 

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