Tarja, Leaves Eyes, Kells, Karlsruhe-Durlach, Festhalle, 07.05.2011 |
Mit TARJA in der finnischen Sauna. Bei der Vorstellung kann man(n) durchaus ins Schwärmen geraten. Dann noch Liv Kristine von LEAVES EYES und Virgine von KELLS im Vorprogramm… Oh la la. Statt der finnischen Sauna ist es nur die Festhalle in Karlsruhe-Durlach, aber von den Temperaturen her schenkt sich das wenig.
KELLS aus Lyon, die bei diversen Auftritten der Tour A LIFE DIVIDED ersetzen, eröffnen den Abend. Sie haben mit Virgine Goncalves ebenfalls eine Sängerin an vorderster Front, was aus dem Abend ein kleines Female Voices-Festival macht. Stilistisch will die Band aber nicht so recht zum restlichen Programm passen. All zu trendig lärmt die Truppe mit ihrem modern-metallischen Sound, der in seinen besseren Momenten mal an EVANESENCE, mal an EXILIA erinnert. Gänsehautmelodien sind Fehlanzeige. Die wenigsten Stücke zünden auf Anhieb und doch zieht sich die Band halbwegs achtbar aus der Affäre. Aus ihrer Heimat haben sich etliche Fans nach Baden verirrt und die lassen ihrer Landsleute nicht im Regen stehen. Außerdem agiert die Band engagiert und sympathisch. Bei besserer Vertrautheit mit dem Songmaterial hätte der Auftritt sicher besser gewirkt. Nach dem Gig begeben sich die Mitglieder von KELLS sofort auf Promotour in der Halle und verteilen großzügig Sticker und Poster. Dem HoM-Redakteur drücken sie einen Gratis Energy Drink in die Hand, der genau so hip ist wie ihre Mucke.
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Ich gestehe: Mein erklärter Favorit im Billing sind LEAVES EYES und ihr 2005er-Album "Vinland Saga" zählt zu meinen Lieblingsscheiben. Natürlich war aber klar, dass eher das Material des aktuellen Albums "Meredead" und seines Vorgängers "Njord" im Zentrum der Show stehen würde. Liv Kristine fesselt von der ersten Minute an mit ihrer einzigartigen Ausstrahlung und zieht natürlich die Mehrzahl der Blicke auf sich. Musikalisch sind LEAVES EYES allerdings eine echte Band, auch wenn Spötter gerne von 'ATROCITY mit Trällerelse' sprechen. Lebensabschnittsgefährte Alexander Krull hält sich wie üblich ein wenig zurück und stürmt nur bei Stücken, denen er mit seinen Growls zusätzliche Schärfe verleiht auf die Bühne. Dann macht er allerdings recht unmissverständlich deutlich, dass er eine geborene Rampensau ist, die sich in der Rolle als Frontman überaus wohl fühlt. Natürlich weist er wie bei allen Auftritten der laufenden Konzertreise auf die Nehmerqualitäten seiner Holden hin, die trotz Bänderriss das komplette Programm in High Heels absolviert, mit denen manch kerngesunde Geschlechtsgenossin ihre liebe Mühe hätte. LEAVES EYES bieten einen starken Auftritt, wenngleich mir die romantische Note früherer Alben bei den eher folkmetallisch geprägten "Meredead"-Stücken etwas zu kurz kommt. Bemerkenswerte Randnotiz: Die clevere Marketingstrategie, den für die Kollegen vom Zillo exklusiven Non-Album-Track Melusine mit in den Set aufzunehmen und das aktuelle Heft mit der EP später am Merchandise zu verticken.
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Spannung auf den Auftritt von TARJA. Die letzte Tour bot zwar eine inflationäre Anzahl an hochklassigen Songs, die aber nicht so recht miteinander harmonieren wollten. Der Show wirkte holperig und es fehlte die fesselnde Dramaturgie. Heute ist das alles anders. TARJA hat mit "What Lies Beneath" ein neues Album im Gepäck, das ähnlich vielseitig ist wie sein Vorgänger "My Winter Storm", aber in sich geschlossener und harmonischer wirkt. Das tut dem Liveprogramm unheimlich gut. Dazu fährt TARJA eine deutlich größere Bühnenproduktion auf. Opulentes Licht, die obligatorischen Kostümwechsel - ja, das gibt es nicht nur bei MADONNA, PINK und LADY GAGA - und als besonderer Gimmick spielt die Band den ersten Song des Abends Anteroom Of Death hinter einem vom Albumcover veredelten Bühnenvorhang im Gegenlicht. Als Sängerin ist die Finnin ohnehin über jeden Zweifel erhaben und macht bei ihrem Heimspiel - Tarja hat in Karlsruhe einige Jahre Gesang studiert - mehr als einmal deutlich, dass sie technisch mehr zu bieten hat als Liv Kristine und vor allem Virgine Goncalves. Ihre Performance zwischen Operndiva und Gothic-/Metalbraut wirkt in sich stimmig und eigenständig.
Ihre Begleitband ist hochklassig, aber trotzdem nur schmückendes Beiwerk, auch wenn man sichtlich bemüht ist, diesen Eindruck zu vertuschen. Da greift man sogar zum Holzhammer und packt ein völlig deplatziertes Instrumental in den Set, zu dem Mike Terrana ein Schlagzeugsolo zum Besten geben darf. Davon abgesehen hinterlässt TARJA aber einen stärkeren Eindruck als auf der "The Final Storm"-Tournee. Ein, zwei alte NIGHTWISH-Songs mehr hätten es gerne sein dürfen. Lediglich The Siren, Higher Than Hope und End Of All Hope ist doch etwas mager. Was das eigene Material angeht bleiben jedoch kaum Wünsche offen und erfreulicherweise verkneift sich die Diva ihre fragwürdigen Coverversionen Poison (ALICE COOPER) und Still Of The Night (WHITESNAKE). Die Magie früherer NIGHTWISH-Shows kann TARJA freilich immer noch nicht wieder aufleben lassen, aber sie deutet mehr als überzeugend an, dass sie auf dem richtigen Weg dahin ist.
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