Manni Schmidt

'Ich habe fest daran geglaubt...'

( English translation by Google Translation by Google )

Interview

Reviewdatum: 31.10.2009
Stil: Heavy Stuff

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Redakteur(e):

Jörg Litges (* 1965, ✝ 2015)


Manni Schmidt
"Ich habe fest daran geglaubt...", Interview


Manni Schmidt verlässt GRAVE DIGGER. Die Bombe platzte für alle unerwartet. Manni gab uns ein ehrliches Interview und lässt auch hinter die Kulissen des Berufsbildes "Profimusiker" blicken.

Manni

Manni, du bist bei GRAVE DIGGER ausgestiegen - für die meisten absolut überraschend, da es den Anschein hatte, dass du dir deinen festen Stand als 2. Kopf der Band erarbeitet hast. Bei Livekonzerten konnte man den Sympathiestatus an den Reaktionen der Fans auch hören und sehen. Was waren deine Beweggründe?

Seit mehreren Monaten habe ich das Gefühl, daß seitens Chris für Grave Digger, den Fanclub und letztendlich für die Fans immer weniger getan wurde. Es hatte den Anschein, dass er sich mehr um seine anderen Hobbys, seine Firmen und andere Dinge in seinem eigenen Interesse und nicht im Sinne von Grave Digger kümmert (sein aktuelles Interview für den Fanclub bestätigt dies einmal mehr!). Die Internetpräsenz, Informationen für die Fans bis hin zur Darstellung von Grave Digger sind noch die unwesentlichsten Punkte, an denen was getan werden müsste. Interessant ist, dass er jetzt mehr denn je auf der website auf Fanpostings eingeht bzw. Ideen, die ich vor Monaten vorgeschlagen habe (wie z.B. eine Gallery mit Fantattoos und Gewinnspiel), umsetzt. Allerdings hatte ich damit nicht gemeint, sich in sämtlichen verfügbaren Medien wie twitter, reverbnation und was weiß ich noch virtuell auszutoben und streetteams zu rekrutieren... Das ist mir zu abgehoben - ich geh dann doch lieber mit dem Fan um die Ecke ein Bierchen trinken.

Auf der anderen Seite - aktuelles Beispiel ist doch die Show in Gladbeck, also ein klassisches Heimspiel. Wie viele Leute waren da? 150 Fans? In einer Halle mit 1000-er Kapazität?! Das kann es doch nicht sein, GRAVE DIGGER hat einfach mehr Potential, aber daran muss man arbeiten und auch etwas dafür tun. Zu der Zeit, wo ich für GRAVE DIGGER aktiv war, waren genau das die Shows, die für schlechte Stimmung gesorgt haben. Aber jetzt ist ja alles gut, wie ich auf der website gelesen habe....

Ich habe fest daran geglaubt, dass GRAVE DIGGER mehr Potential haben und deswegen mehrmals mit ihm diskutiert und Entscheidungen und Organisation hinterfragt. Chris hat mir deutlich zu verstehen gegeben, daß GRAVE DIGGER seine Band und sein Geschäft ist und daß ich mich da raus zu halten habe. Die Diskussionen erreichten zuletzt dann von Chris Seite auch eine ziemlich private Ebene und der Ton wurde eisiger, da wurde es für mich höchste Eisenbahn zu gehen. Schade, dass er erst jetzt meine Anregungen aufgreift, aber dann hat die Sache (zumindest für GRAVE DIGGER) ja noch sein Gutes...

Keines der Bandmitglieder hat also irgendwelche Mitspracherechte, was das Geschäft betrifft?

Auch wenn GRAVE DIGGER immer als Band dargestellt werden - Chris ist der Boss, alle anderen sind "Angeheuerte", die nur für ihre Live- und Studioeinsätze bezahlt werden. Anregungen sind ok, negative Kritik der Musiker wurde allerdings immer öfter als lästiges "Mosern" abgetan und Chris berief sich darauf, dass jeder sich darauf eingelassen hat, angestellter Musiker zu sein..."wem das nicht passt, der kann ja gehen". Hab ich ja jetzt hiermit getan;-) Ich für mich habe entschieden, dass ich keinen "Dienst nach Plan" machen möchte, ohne mich einbringen zu dürfen. Das ist kein Metal, wie ich ihn mir vorstelle. Jetzt ist zum ersten Mal die Situation, dass er einen Musiker auch nach außen hin als "hired gun" darstellt.

Wie hat das dann die letzten 9 Jahre funktioniert???

In den letzten 9 Jahren hat es - auch mit anderen Bandmitgliedern - immer mal wieder Diskussionen gegeben, aber letztendlich haben ALLE daran gearbeitet, dass es mit GRAVE DIGGER nach vorne ging. Da wurde niemand ausgebremst.

Manni Warum wurde das so schwierig für dich?

Ich habe grundsätzlich überhaupt kein Problem damit, für ein Projekt zu arbeiten, wo ich nicht der "Boss" bin. Allerdings wurde es bei GRAVE DIGGER immer so dargestellt, dass wir eine echte Band wären. Die Interviewanfragen wurden meist an Chris und an mich gerichtet und je länger ich dabei war, desto öfter sollte ich Rede und Antwort stehen. Was würdest du machen, wenn du zu Entscheidungen befragt wirst, die du nicht getroffen hast (alle denken das aber) und hinter denen du nicht stehst??? Das Video zu "The last supper" zum Beispiel habe ich erstmals am 2. Weihnachtstag durch Zufall auf "Viva" im Wohnzimmer meiner Eltern gesehen. Das war nicht witzig, zumal es sehr politisch war und ich keine Politik oder Religion präsentieren möchte (völlig unabhängig, ob der Inhalt meine Zustimmung findet oder nicht), sondern Musik. Ich wusste zu dem Zeitpunkt nur, dass es ein Video geben soll...

Dann war also auch die Entscheidung "Thilo Hermann muss gehen" die Entscheidung von Chris? Erkennt er nicht, was gut für die Band ist?

Es geht jetzt nicht darum, auf Chris "'rumzuhacken". Von daher muss man ganz klar sagen, dass diese Entscheidung von allen gleichermaßen getroffen wurde, da herrschte absolute Einigkeit -übrigens nicht, wie Chris es Thilo gegenüber offenbar dargestellt hat- nur von den angestellten Musikern, sondern auch von Chris. Das letzte Wort hat auch bei solchen Entscheidungen Chris. Thilo war fast 2 Jahre in der Band, aber er hat sich gegenüber früher verändert und was bei einem kurzen Studioaufenthalt noch als Launen abgetan wird, kann, wenn man auf engstem Raum 4 Wochen im Nightliner zusammenlebt und feststellt, dass man bei vielen Dingen einfach aneinander vorbei redet, einen komplett anderen Humor und Einstellungen in vielen Dingen hat und sich auf der Bühne nicht mehr wohl fühlt (und auch da herrschte Einigkeit), zu Irritationen führen. Wenn dann Gespräche und Hinweise überhaupt nicht ankommen, als konstruktive Kritik erkannt werden oder ernst genommen werden, hat man irgendwann keine andere Wahl als eine Trennung.

Im Grunde wie bei mir - bloß anders herum.

Was verdient man denn so als Angestellter einer Metalband in Deutschland?

Eigentlich weiß jeder, der die Szene in Deutschland einigermaßen kennt, dass man von der Musik alleine nicht leben kann, auch nicht in der Größenordung von GRAVE DIGGER. Die meisten haben Haupt- und/oder Nebenjobs. Grundsätzlich ist das nicht pauschal zu beantworten. Jede Band hat sicherlich ihre eigenen Sätze, die abhängig sind von den Gagen, Bandmitgliedern, Crew usw. Da bei GRAVE DIGGER ausschließlich Chris und der Booker Zugriff auf Zahlen hatte (ich weiß nicht, was die Band für einzelne Shows bekommen hat), kann ich das deswegen nicht beantworten.

Ich kann aber für mich sagen, dass ich als Selbständiger mit allen damit verbundenen Ausgaben und Kosten nur mit dem Jahreseinkommen aus Grave Digger in Hartz 4 eingruppiert werde. Auch aus dem Grund habe ich natürlich versucht, die Band nach vorne zu bringen.

Wie "funktioniert" man als angestellter Musiker? Wie soll man sich das vorstellen? "5 Freunde sollt ihr sein" ist nur eine Illusion?

Eine gewisse Illusion ist schon dabei, wobei angestellte Musiker aber nichts Außergewöhnliches sind. In vielen Bands gibt es den Chef (meistens Urmitglied/Bandgründer), der nach Ausscheiden anderer Originalmitglieder Musiker zu abgesprochenen Konditionen anheuert, ohne daß sie gleichwertige Bandmitglieder werden. Mit Uwe Lulis hat Chris sich damals vom letzten gleichberechtigten GbR Mitglied getrennt, alle anderen sind "Hired Guns", wie ich schon beschrieben habe. Dass die Besetzung trotzdem so stabil war spricht für die Freundschaften untereinander, die ich auch trotz allem zu den restlichen Bandmitgliedern aufrechterhalten möchte.

Im Statement auf der GD Site wird von "Zielen und Einstellungen die nicht mehr geteilt werden" gesprochen, welche Einstellungen konntest Du nicht mehr mit dem Rest der Band teilen?" Wie sehen die anderen Bandmitglieder Deinen Ausstieg?

Im Grunde müsste man sie selbst danach fragen. Ich weiß, dass sich Stefan und Jens nach meiner "Kündigung" sehr für mich und damit für GRAVE DIGGER eingesetzt haben und ich werde die Zeit der "3 Stooges" auch sehr vermissen.

Ich habe vorher mehrfach gesagt, dass ich keinen "Dienst nach Plan" machen werde, dann kann ich auch bei einer Firma einen "8 to 5 - job" antreten. Als wir dann aus Mexiko zurückkamen, wollte ich eigentlich noch einmal mit Chris sprechen, hab aber meine Gedanken erst aufschreiben wollen, um mich zu sortieren. Letztendlich ist daraus die Kündigung geworden, die ich Chris dann 2 Tage nach Mexiko aus dem Bauch heraus geschickt habe, ohne vorher noch einmal Luft zu holen.

War nach deinem Ausstieg alles besiegelt oder hast du noch ein "Hintertürchen" offen gelassen? Inwiefern haben deine Mitmusiker sich für dich eingesetzt?

Meinen Ausstieg hatte ich klar mit den Worten definiert "hier trennen sich unsere Wege."

Chris hat sich dann nicht bei mir gemeldet (wie ich es als Freund erwartet hätte), sondern sofort die anderen informiert, dass ich ausgestiegen sei. Stefan und Jens, mit denen ich am engsten befreundet bin, waren geschockt, dass ich tatsächlich so konsequent war und auch sauer, weil ich sie nicht wenigstens informiert habe bzw. nicht zumindest die gebuchten Shows noch spielen würde, bevor ich in den Sack haue.

Die Jungs haben erreicht, dass ich nochmals nachdenke, zurückrudere, mich sogar für die Art und Weise entschuldigt habe und selbstverständlich - das war für mich sowieso klar - hätte ich die Jungs nicht hängen lassen und die gebuchten Shows für dieses Jahr noch gespielt. Das habe ich ganz klar geschrieben.

Das hat Chris vielleicht als Option nutzen wollen, kam dann aber mit einem schriftlichen "Regelkatalog" (auf den ich nicht näher eingehe), von dem er aus vorhergehenden Diskussionen ganz klar wusste, dass ich darauf nicht eingehe und einen regelrechten Blutsturz kriege....hätte er gesagt "wir machen jetzt einfach noch ein paar Shows Rock'n'Roll und versuchen, die ganze Geschichte wieder runter zu fahren und dann sehen wir weiter" wäre das kein Problem für mich gewesen.

So jedoch sehe ich das nicht wirklich als kompromissbereit oder als Chance, eher als Alibi.

Was ist Chris Boltendahl für ein Typ?

Kein leichterer als ich...

Manni Dein Gitarrensound hat GRAVE DIGGER in der Post-Lulis-Phase weitestgehend geprägt und du warst auch am Songwriting beteiligt. Wie siehst du die Wahl des Ersatzmannes Axel Ritt?

Das hat mich nicht überrascht und ich wusste bereits seit dem 29.09.2009 sicher, dass Axel das werden wird. Die letzte Bestätigung war für mich auf seiner Homepage eine Andeutung über einen "Feuerwehreinsatz"....6 Tage, bevor ich von Chris die Mittteilung bekam, dass es "zu keiner weiteren Zusammenarbeit kommt" und 9 Tage vor der offiziellen Bekanntgabe auf der GRAVE DIGGER Website. Dass ich überhaupt auf ihn getippt habe, liegt ganz einfach daran, dass er vor meinem Einstieg bei GRAVE DIGGER Chris schon vor mir und meiner Familie gewarnt hat, ohne mich oder meine Familie zu kennen. Wer sich aufgrund von Gerüchten zu so etwas hinreissen lässt (aus welchen Gründen auch immer), kann auch mit solch einem Einsatz nicht hinter dem Berg halten...deswegen war ich mir sicher, dass vor der offiziellen Bekanntgabe schon etwas auf seiner gut gepflegten Website zu finden ist.

Also den freundlichen "gebt Axel eine Chance"-Part schenk ich mir jetzt einfach mal-soviel Mut zur Ehrlichkeit muss sein. Dafür ist er Profi genug und man sollte bei seinen technischen Fähigkeiten erwarten können, dass er das gitarrenmäßig hinkriegt. Ob der Stil (seiner und der seines Gitarrenspielens) zu GD passt - sollen andere beurteilen und haben ja zum Glück auch schon einige reelle Fans auf der Homepage angedeutet.

Wie Axel ja im GD Gästebuch angekündigt hat, wird er alles daran setzen, GRAVE DIGGER weiter nach vorne zu bringen. Also letzten Endes das Anliegen, was im Endeffekt zu meinem Ausstieg geführt hat.....wenn das keine Ironie ist.

Eine ganz gemeine Frage: Könntest du dir vorstellen, wieder bei GRAVE DIGGER zu spielen?

Nach diesem Interview? Hahaha. Ich will niemals nie sagen, aber ich bin mir sehr sicher, dass Chris das alles sehr persönlich nimmt, weil ich ihm bis heute offenbar nicht verständlich machen konnte, warum ich ausgestiegen bin. Unter den Bedingungen wie bisher sicher nicht. Und dass er - so wie ich auch - Fehler eingesteht, glaube ich - gerade nach diesem ausführlichen Interview - nicht mehr.

Pläne für die Zukunft? Gibt's schon welche? Was macht Daily Horror?

Im Prinzip hab ich mich selber überrumpelt, so dass ich mich erst mal sammeln und neu aufstellen muß. Mit Heavy Metal - Songs im Sinne von GRAVE DIGGER könnte ich sofort ein Album aufnehmen, weitere Ideen sind reichlich vorhanden. Einfach wird das sicher nicht, aber ich habe schon viel Unterstützung zugesagt bekommen und stehe bereits in Kontakt mit verschiedenen Leuten, bin aber auch nach wie vor Angeboten aller Art gegenüber aufgeschlossen. "Daily Horror" ist so eine Art Überbegriff für das, was ich aktuell so mache. Stilistisch gehen die Ideen in verschiedene Richtungen, ich will und kann mich noch nicht festlegen. Im Moment ist mir jedoch sehr danach, eine Band mit gleichberechtigten Musikern an den Start zu bringen und einfach nur das zu tun, was ich am besten kann: Gitarre spielen, Spaß damit haben und wenn's richtig geil läuft, bestenfalls auch noch anderen Leuten Spaß damit zu machen - und vielleicht sogar Geld damit zu verdienen!

Danke für das Interview! Und alles Gute auf deinem weiteren Weg!

 

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