Martin Orford

The Old Road

( English translation by Google Translation by Google )

CD-Review

Reviewdatum: 29.11.2008
Jahr: 2008

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Martin Orford Homepage



Redakteur(e):

Christian Gerecht


The Old Road, Giant Electric Pea, 2008
Martin OrfordKeyboards, Acoustic and Electric Guitars, 12-String Guitar, Backing Vocals
Gary ChandlerRhythm and Harmony Guitar, 12-String Guitar
Nick D'VirgilioDrums
Dave MerosFretless Bass
David LongdonLead and Backing Vocals
Jon MitchellLead Guitar
Andy EdwardsDrums
Mike HolmesHarmony Guitar
Colm MurphyFiddle
Dave OberleTambourine, Backing Vocals
Steve ThorneAcoustic and Electric Guitar, Percussion, Lead Vocals and Backing Vocals, Bass Harmonica
John WettonLead Vocals, Bass
Produziert von: Martin Orford Länge: 57 Min 58 Sek Medium: CD
01. Grand Designs06. The Old Road
02. Power And Speed07. Out In The Darkness
03. Ray Of Hope08. The Time And The Season
04. Take It To The Sun09. Endgame
05. Prelude

Eigentlich müssten MARTIN ORFORDs "The Old Road" und ich im Moment ein inniges Verhältnis pflegen. Die dunkle Jahreszeit liegt wie ein Fluch über Stadt und Land; und vor allem über mir. November bis März sind nicht meine Monate. Aber was liegt da näher, gerade in dieser Zeit, ein bisschen tiefer im Prog Rock zu schwelgen?! GENESIS' und YES' Frühwerke laufen in steter Regelmäßigkeit. JETHRO TULL, IQ und SPOCK'S BEARD mischen auch ein bisschen mit. Und wen ich in dieser Beziehung auch sehr schätze ist der große, dicke, walisische Bär. Der, der mit rrrollenden "r" und hintergründig-boshaften Texten jeder frühen MARILLION Scheibe ihr individuelles Leben einhauchte...
Von all dem wäre MARTIN ORFORD nicht weit weg. Wenn, ja wenn auf seinem, wie angekündigt, letztem Werk "The Old Road" nicht vieles so fürchterlich gefällig daher käme. "The Old Road" ist eine wunderbare CD. Voll schöner Songs. Aber warum, in Gottes Namen, schaut hier nicht mal das Hintergründige oder sogar der Luzifer um die Ecke. Herrgottsakrament, da verabschiedet sich einer der größten Neo-Progger von der Musikwelt, weil ihm alles zu oberflächlich wurde und weil ihm die Raubkopiererei auf den Sack geht und dann reiht sich ein braver Progpopsong (geile Wortwahl, oder?) an den anderen. Wo verdammt sind die Aggression, der Zorn und die Dramatik, die auf das gesamte Business und die garstigen Raub-Piraten herfällt wie der Erzengel Michael mit flammendem Schwert? Wo ist das alles...?!

Dennoch ist "The Old Road" ein durchaus beachtenswertes Album geworden. Den Status eines Meisterwerkes vermag es sicherlich nicht zu erreichen, aber verstecken muss es sich auch nicht. Gut ins Raster passt schon mal der Opener Grand Designs, der in seiner ganzen IQ-Art an die Hochzeit des Neo-Prog erinnert. Orgel und Flöte brillieren dabei gleichermaßen wie Gitarren und Keyboards. Auch die Drums setzen im spannenden Schlussdrittel Akzente. Trotzdem könnte all das etwas dramatischer sein! Ebenso ausufernd, gleichsam Piano- und Gitarren-lastig kommt das Instrumental Power And Speed daher. Ein schön nach vorne treibender Song, dem vielleicht die eine oder andere Ecke und Kante fehlt. Mir ist er fast ein bisschen zu brav! Das angenehm-distinguierte Ray Of Hope kommt dagegen tiefgreifend melancholisch daher. Die Nummer löst, gerade an so düsteren Tagen wie heute, eine wundersame Schwermut aus. Ein stilles dahintreiben auf alten Erinnerungen und vermeintlich besseren Zeiten...
Leider macht das nächste Take all das wieder zunichte. Take It To The Sun könnte genausogut einem PHIL COLLINS Album entstammen. Alles ist fürchterlich glatt und unaufregend, die Hook ist poppig und simpel, die Vocals zwar engagiert, aber irgendwie auch mutlos.

Das Prelude zum Titeltrack beginnt vielversprechend und auch The Old Road selbst lässt schon im Ansatz alte Progger-Herzen höher hüpfen. Eingeweihte werden zwar kleine Gemeinsamkeiten zu A Part Of Me vom ersten Solo Album ORFORDs erkennen, aber das sehe ich nicht so dramatisch, zumal ich The Old Road als atmosphärisch dichter, ja einfach schöner empfinde. Bei diesem Song stimmt einfach alles; vom ersten bis zum letzten Ton.
Hier findet man sich gedanklich irgendwo im tiefsten, nebelverhangenen Wales. Bei der alten Straße, an rostigen, längst nicht mehr genutzten Schienen, jenseits der zugewachsenen Schieferhalden mit ihren vergessen-dahinrottenden Bremsbergen. Dort wo in den Nebel ragende Gittermasten einstiger Lorenseilbahnen, in ihrer jahrzehntelang dahinschreitenden Oxidation anklagend die Arme nach oben recken und mit dem Sinn ihres Seins hadern. Nicht weit von der See, deren tosende Brandung unentwegt an schwarze Felsen schlägt und einen angenehmen Duft nach Salz und Jod ins Land spült und der schwermütig-schönen Tristesse eine vierte Dimension einhaucht... (Junge, was bin ich heut gut drauf...)
The Old Road ist definitiv ein Vermächtnis! Ein Song, der all das inne hat, was eine gute Prog-Nummer aus macht. Hier hat sich MARTIN ORFORD nochmal selbst übertroffen. Ein Take weitab von beängstigender Dramatik zwar, aber von einer wunderbaren, tiefen Schwermut; eine tiefsinnige Hommage an all das, was einmal war. Allein diese Nummer ist den Erwerb der Scheibe wert!

Auch Out In The Darkness hält dieses Niveau weitgehend, wenn auch gänzlich auf Melancholie verzichtend. Die Klasse von der Old Road wird aber nicht erreicht. Gleiches gilt für den dritten Longtrack The Time And The Season. Hier sprüht so ein Hauch an GENESIS' Driving The Last Spike herüber; dem einzigen Highlight auf dem eher unseligen (na ja, alle Alben seit "And Then There Were Three" sind irgendwie unselig...) "We Can't Dance". ORFORD verpackt seine Nummer in ein gefälliges, fast pompöses Neoprog-Gewand dem zwar weitgehend die Dramatik fehlt, das aber von jener Art blitzsauberer Schönheit ist wie das Schwarzwaldmädel auf jedem einzelnen "Tannenzäpfle"; deren 24er Gebinde ich mir zur Feier dieses Wochenendes gegönnt habe :-). Mit dem etwas rührseligen Endgame klappt MARTIN ORFORD dann das Buch seines musikalischen Werdegangs (endgültig) zu. Die Nummer drückt sicherlich das aus, was ORFORD derzeit empfindet und was ihn offensichtlich zutiefst beschäftigt. Endgame gibt sich sehr gitarrenlastig und ist ziemlich spannend instrumentiert. Steigert sich in seinem Verlauf, klingt aber irgendwie unfertig aus.
Tja, dass war's!

Ein passendes Fazit zu schließen ist nicht ganz einfach. Über weite Teile, scheint mir, spielt MARTIN ORFORD mit angezogener Handbremse. So als stünde er sich ein Stück selbst im Weg. Aber vielleicht ist es ja auch so. Vielleicht trifft das den Punkt. Der Mann hat die Schnauze voll vom Rockzirkus und die Aussicht, den Rest seines Lebens auf einem kleinen, einsamen schottischen oder walisischen Landsitz zu verbringen um das zu machen wozu man gerade Lust hat, ist ja an sich nicht die ödeste Zukunft.
Ach ORFORD, ich kann's ein Stück weit nachvollziehen. Zu dramatisch sollte dein Abschied nicht sein, zu anspruchsvoll verbot sich nach dem schon ziemlich mainstreamigen Vorgänger-Album ebenfalls und zu erfolgreich durfte er letztlich auch nicht sein. Also gingst du einen, deinen(?), Mittelweg...
Dass der nicht übel ist, hoffe ich mit diesem Review ausgedrückt zu haben. Allerdings wissen wir alle, dass du viel mehr kannst. Hast es ja schließlich mehr als 25 Jahre lang bewiesen. Allein für viele IQ Alben und nicht zuletzt dafür, dass SPOCK'S BEARD ohne dich nicht das wären, was sie heute sind, ist dir mehr als nur zu danken! "The Old Road" ist hervorragend produziert, hat einen glasklaren Sound, ein schönes Booklet mit Fotos, die der stellenweisen Schwermut dieses Albums ein Antlitz verleiht. Eine Scheibe also, die man der Prog-Gemeinde (mit kleinen Abstrichen) durchaus empfehlen kann.
All ihr da draußen, die ihr euch Progger und Neoprogger nennt. Hört rein in diesen letzten, leisen Aufschrei eines einstmals wichtigen Mannes dieser Musikstile. Bildet euch selbst ein Urteil über sein letztes Werk. Und hinterfragt sich ein jeder auch ruhig einmal, vielleicht langsam auf der "Old Road" spazierend und darüber nachdenkend, wie weit die Musikpiraterie noch gehen soll und vor allem, wo sie enden wird. Die Aussichten sind nämlich mehr als zappenduster! So gesehen hat ORFORD mein vollstes Verständnis!
Trotzdem wäre es schön, wenn doch noch ab und an ein Ton aus dem walisisch, schottischen Landsitz dränge. Ein Vollblutmusiker kann doch nicht ganz ohne, oder...?

Christian "Grisu" Gerecht, 29.11.2008

 

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