Titel |
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01. UNarmed American |
02. Go To Bed Hungry |
03. A Murder Of Crows |
04. Ithaca |
05. Only Ugly When You Cry |
06. Chicago Transit Authority |
07. Die Trying |
08. Blur In The Memory |
09. UNarmed American |
Musiker | Instrument |
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Scott Mickelson | Vocals, Guitars, Keyboards, Bass |
Frank Reina | Drums |
Sadie Mickelson | Cello |
Luke Kirley | Trombone, Tuba |
Cayce Carnahan | Trumpet |
Classic Rock kam in dem Moment in Verruf, als die erfolgreichen Bands der Siebziger damit begannen, sanfte Balladen zu schreiben und die Ecken und Kanten aus ihren Aufnahmen zu polieren, um noch erfolgreicher zu werden. Das klappte auch ganz gut, wie man an den Charts-Platzierungen von STYX, CHICAGO oder JOURNEY in den Achtzigern ablesen kann. Die Songs wurden aber auch belangloser und austauschbarer, bis Classic Rock schließlich sogar zu einem Schimpfwort verkam, von dem sich die späteren Alternative- oder Indie-Rocker bewusst distanzierten.
Scott Mickelson hat das alles miterlebt: als Bandleader, der bereits in den Achtzigern sein Glück in der Bay Area suchte und später in der Neunziger-Grunge-Ära mit seiner Band FAT OPIE, die zwar einen Plattendeal hatte, aber ziemlich bald an den harten Realitäten des Show Business scheiterte. Gut zwanzig Jahre später dann der nächste Versuch, dieses Mal als Solo-Rocker mit schrägem Folk-Appeal, einem Todd Snider nicht unähnlich.
Mit dem neuen, im Lockdown aufgenommenen und eher kurz gehaltenen Album „Known To Be Unknown“ macht Mickelson allerdings eher dort weiter, wo die Classic-Rocker Ende der Siebziger Jahre aufgehört haben. Songs, bei denen der Verstärker einerseits voll aufgedreht werden darf, die aber kurz vor dem Mitstampfen immer wieder eine unerwartete Wendung nehmen und die Melodie kurz vor dem Mitsingen in unerwartete Gefilde abdriftet.
Mickelson singt mit aller Kraft, die Gitarren rauschen von sanftem Fingerpicking ins Gebratze und die Drums kommen immer dann mächtig daher, wenn zugleich die Stimmen aufgeschichtet werden zu einer großen „wall of sound“. Musik, die ungefähr da weitermacht, wo STYX einst mit „The Grand Illusion“ die letzte Platte vor dem „superstardom“ machten – nur eben mit dem Klang von gut 40 Jahren danach. Und das Bläser-Instrumental Chicago Transit Authority heißt nicht nur wie das erste Album der später zu CHICAGO umbenannten Band, es klingt auch wie ein Outtake aus deren frühen Werken.
Dass Scott Mickelson zudem reichlich Lebenserfahrung hat, kann man nachlesen. UNarmed American setzt sich äußerst kritisch mit der Waffenliebe seiner Landsleute auseinander, A Murder Of Crows prangert das tiefe Zerwürfnis der Amerikaner in Zeiten von Corona an. Und Die Trying schließlich kann nur jemand schreiben, der seit den Siebziger Jahren Musik macht, ohne einen einzigen Hit geschrieben zu haben – aber man kann es ja immer wieder versuchen…
Dass der an der Ostküste geborene Sänger daran noch ernsthaft glaubt, darf allerdings schon mit Blick auf das Cover von „Known To Be Unknown“ bezweifelt werden: Mickelson „eye to eye“ mit einem Grusel-Gesicht, das an ein Hornissennest erinnert – und die aggressiven Insekten fliegen aus dem Mund des einen in den des anderen. “Sometimes my lyrics kick up a hornet’s nest”, sagt er dazu. Aber diese Sorte von Humor finden amerikanische Classic-Rock-Hörer in der Regel überhaupt nicht lustig.