Mila Mar

Ein Gespräch mit Anke Hachfeld

( English translation by Google Translation by Google )

Interview

Reviewdatum: 05.10.2001

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Redakteur(e):

Martin Schneider


Mila Mar
Ein Gespr?ch mit Anke Hachfeld, Interview

Der Club in der Dieselstrasse hat sich mittlerweile geleert, die Band hat den Großteil ihres Equipments eigenhändig abgebaut und in den vor der Tür geparkten Kleintransporter geladen, als ich von MILA MAR-Sängerin Anke Hachfeld, mittlerweile schlicht in Jeans gekleidet, backstage zum Interview gebeten werde. Es entwickelt sich schnell ein lockeres Gespräch, bei dem die Grenzen zwischen Fragendem und Antwortendem verschwimmen. Nachdem ich erst einmal nach meinen Eindrücken vom Konzert befragt wurde, mich outen durfte, wie ich MILA MAR für mich entdeckte und in groben Zügen die Grundphilosophie des Hooked on Music dargelegt hatte, kam ich auch dazu, mal eine Frage einzuwerfen....

Hooked on Music: Ihr spielt relativ viele Konzerte in kleinen Clubs. Wie läuft denn die aktuelle Tour so im allgemeinen?

Anke Hachfeld: Ich finde sie sehr entspannt, also intern gesehen, und für mich ist es ein großes Vergnügen, gerade auf Tour zu sein. Was letztes Jahr ab und an etwas anstrengend war, erscheint mir jetzt einfacher als letztes Jahr.
Von den Zuschauerzahlen jetzt ein bisschen enttäuscht, also heute zum Beispiel waren 110, 120 oder so da. Die letzten Konzerte hatten wir in Hannover und Leipzig und da waren einfach letztes Jahr mehr da. Man muss allerdings auch sagen, wir haben letztes Jahr die "Elfensex" veröffentlicht und sind dann auf die "Elfensex 2000 + 1"-Tour gegangen.
Es war klar, dass da dann sicher noch ein größeres Interesse vorherrschte, zumal wir auf der Tour auch erstmalig die Songs von dem Album gespielt haben.
Von daher würde ich mir wünschen, etwas mehr Publikum zu erreichen, aber, und ich knüpf' da eigentlich sehr gerne an dem an, was du auch gesagt hast: Mir hängt es zu den Ohren raus, was es alles an Musik hier gibt, wo massenkompatibel sein soll. Das ist ja auch immer die Frage, ob dem so ist. Ich gehe davon aus, dass sich viele Menschen da geschmacklich sehr beeinflussen lassen (lacht), und wenn man immer permanent mit dem gleichen Kram berieselt wird, dann ist es so wie in anderen Bereichen auch...

HOM: Das erinnert mich sehr stark an mein Gespräch mit Erik von SUBWAY TO SALLY. Habt ihr auch diese regionalen Unterschiede in der Publikumsgunst?

A. H.: Also was ich immer wieder feststelle... die Resonanz ist eigentlich erstaunlich, einfach gigantisch! Egal wo wir auftreten, es ist immer wieder erstaunlich, wie viel Euphorie da mit einhergeht.
Regionale Unterschiede..., die sind schon erkennbar. Es gibt schon Städte, wo ich dachte: 'Was war denn mit denen los so? Die sind gar nicht aus sich raus gekommen' und mir dann Leute, die in der Stadt leben sagen: 'Wieso? das hab ich noch nie erlebt, dass die so abgegangen sind'.

HOM: Ich habe ein wenig den Eindruck, dass ihr live noch stärker seid, als auf CD - oder um es anders auszudrücken, dass es nicht möglich ist, die Magie der Auftritte auf CD einzufangen.

A. H.: Das ist sicher richtig. Das ist mir auch schon mehrfach gesagt worden, und für mich ist es auch dermaßen ein Kick, was auf der Bühne entsteht...

HOM: Ich bin trotzdem froh, dass ich den "Elfensex"-Review vor dem Konzert geschrieben habe...

A. H.: ...sonst hättest Du gesagt: Ähhh, die CD...

HOM: Ja, nein, ich hätte die CD vielleicht etwas distanzierter betrachtet. Die CD begeistert mich, aber nachdem ich das jetzt live erlebt habe... da liegen Welten dazwischen.

A. H.: Wobei ich sagen muss, dass es beides was hat für mich. In einem Studio hast du natürlich ganz andere Möglichkeiten, zum Beispiel gesanglich habe ich die Möglichkeit mit vielen Backgrounds zu arbeiten, was ich auf der Bühne so natürlich nicht machen kann. Wobei jetzt bei dem letzten Song den ich gesungen habe, ich tatsächlich versuche dreistimmig zu singen, wobei das natürlich linear ist, also hintereinander. Also klar...

HOM: Ich bin mal gespannt, wie das Album jetzt auf mich wirkt. Nach einem Konzert wirken doch auch die Studiosachen oft ganz anders, vor allem, wenn man dann mit einer frischen Erinnerung herangeht...

A. H.: Aber weißt du was, ich finde das ist ein riesen Kompliment, wenn du sagst, live ist das was ganz anderes und hat mich noch viel mehr weggeschossen als die CD, weil wenn ich auf Konzerte gegangen bin, ist es mir ganz oft anders gegangen.
Ich hab ELEMENT OF CRIME gesehen, da war ich völlig begeistert live, war echt gigantisch, super gut. Es gab aber auch andere Sachen...

HOM: Was ich live enttäuschend fand war SISTERS OF MERCY...

A. H.: Wann hast du SISTERS gesehen?

HOM: Jetzt auf der letzten Tour.

A. H.: Na ja... das hat sich wohl auch ein bisschen totgelaufen... leider.

HOM: Ja, leider. Auf die CDs lasse ich auch nichts kommen, aber live war es echt nichts.
Ich glaube über "Elfensex" brauchen wir nicht mehr reden, nachdem das Album schon ein Jahr auf dem Markt ist. Gibt es Pläne für ein neues Album?

A. H.: Ja auf jeden Fall. Gibt es! Wir haben ja auch heute schon einen neuen Song gespielt und ich stelle mir vor, dass es so bisschen ein Mix wird, aus "Nova" und "Elfensex"... viel mehr kann ich dazu noch nicht sagen. Es steckt alles noch in den Kinderschuhen...

HOM: Es gibt also noch keine konkreten Pläne demnächst ins Studio zu gehen...

A. H.: Doch gibt es schon... aber das ist noch so unkonkret....

HOM: Also kann man davon ausgehen: 2002... irgendwann...

A. H.: (Lächelt und schweigt)

HOM: Okay... (resignierend. Hier kriege ich keine konkrete Antwort, muss man akzeptieren)

A. H.: Puh... d'rum herum geredet....

HOM: Nee, ist okay. Aber das ist einfach was, was die Leute interessiert.

A. H.: Klar, auf jeden Fall.

HOM: Was ich mich auch schon gefragt habe... was ist euer Background? Wie habt ihr euch gefunden? Wie seid ihr dazu gekommen, solche außergewöhnliche Musik zu machen? Ich meine, das ist nicht das Alltägliche. Du findest relativ einfach drei, vier Leute, die irgendeine Bluesband gründen, aber so eine Konstellation, die sich dann auf so einen gemeinsamen Nenner einigt...

A. H.: Für uns war das so, wir haben uns vor sechs, nein das sind jetzt fast schon sieben Jahren kennen gelernt und haben angefangen, Musik zu machen. Das war alles sehr sehr zufällig. Ich war damals auf der Suche nach einer Band, war neu in der Stadt und hatte vorher alles mögliche gemacht, Jazz, Soul und so eher. Ich war aber unzufrieden, es war einfach nicht mehr so, das wollte ich nicht... ich hab auch gemerkt, dass Melancholie zum Beispiel für mich ein wichtiges Thema ist. Nicht so in der Art: 'Es ist alles so schlimm', sondern ganz im Gegenteil, für mich ist das der Beginn von etwas Neuem.
Intensität zum Ausdruck zu bringen und Intimität zum Ausdruck zu bringen, das war mir damals wichtig.
Und dann hab ich Katrin kennen gelernt. Das war völlig neu für mich, mit Geige, Flöte, allerlei Percussions, Djembe-Trommeln... das kannte ich alles nicht. Da war dann ein Proberaum, Soan und Maff kamen dazu und wir haben angefangen, uns ab und zu zu treffen.
Zum Beispiel eins der ersten Stücke Follow me ist zeitgleich entstanden, auf rein intuitiver Ebene. Das war also auch unausgesprochen, nicht das wir gesagt haben, wir wollen solche Musik machen...

HOM: ...das stelle ich mir auch schwierig vor, bei so einem außergewöhnlichen Sound.

A. H.: (lacht) Ja, das ist aus sich heraus entstanden und ich denke, das macht es vielleicht außergewöhnlich.

HOM: Ich habe heute noch gelesen, dass ihr als Band, wie auch wir vom Hooked on Music, den Aufruf Schwarz statt braun der GRUFTIES GEGEN RECHTS unterstützt.
Willst Du dazu etwas sagen?

A. H.: Ja, das finde ich eine ganz wichtige Sache. Ich finde einfach, dass zunehmend rechtspolitische Ansichten, auch eine, wie ich finde, recht zweifelhafte Ästhetik, siehe Riefenstahl-Videos bei RAMMSTEIN und so,....
Ich kann verstehen, dass man damit provozieren mag, aber ich finde, man muss sich ganz klar dazu aussprechen. Wenn ich sage, ich benutze ein Riefenstahl-Video oder Teile davon und unterlege das Ganze mit meiner Musik, dann denke ich, dass dazu ein ganz klares politisches Statement notwendig ist - und das kommt einfach nicht!
Und da gibt es so eine Masse von Bands, die sich in so einem komischen Freiraum aufhalten und wenn man sie dann fragt: 'Meinst Du das denn so? Du zitierst hier irgendwelche Reden von Göbbels. Wieso ist das in Deinem Plattencover zu sehen?', dann heißt es immer wieder: 'Das ist doch gar nicht so schlimm. Das ist doch alles nicht so gemeint'.
Das ist die künstlerische Freiheit, auf die sich dann bezogen wird... und das hat einfach Grenzen! Ich finde das schleicht sich so langsam ein, wird immer mehr salonfähig. Auch in der schwarzen Szene habe ich das Gefühl, so Bands wie DEATH IN JUNE und so weiter und so fort... ach, machen doch ganz schöne Musik. Ist doch auch irgendwie ganz schön alles.
(Anm. des Verfassers: DEATH IN JUNE zeichnen für so 'schöne Titel' wie Rose clouds of Holocaust verantwortlich und propagieren in ihren Texten unter anderem die 'Auschwitz-Lüge'.)
Und gerade zum Beispiel dieser Neo-Folk, da gibt es ja zunehmend mehr, das wächst ja richtig gerade. Sie können damit natürlich provozier n. Das ist tatsächlich mal wieder eine Möglichkeit, mit Musik tatsächlich provokant zu sein.

HOM: Ihr habt auch schon Auftritte abgesagt, weil einschlägige Bands mit euch auf dem Billing waren...

A. H.: Ja, natürlich. Ich muss auch sagen, manchmal kennen wir die Bands nicht, du weißt nichts über die Hintergründe, und ... nee, muss nicht sein!
Und ich muss auch sagen ich halte beim Wave Gothic Treffen nichts davon, dass irgendwelche Stände vom Sigill (Anm. des Verfassers: Neorechte Zeitschrift) belegt sind und irgendwelche Verlage, die dahinter stecken.
Es gibt in dem musikalischen Bereich sehr zweifelhafte Personen.

HOM: Das erlebe ich in der Ecke aber dann ziemlich oft, dass die Leute sagen: Mit Politik habe ich gar nichts zu tun...

A. H.: Ja, genau!

HOM: ...ich will mit Politik überhaupt nichts zu tun haben. Ich erlebe das im Fußballumfeld, wo sich gewisse rechte Tendenzen nicht wegdiskutieren lassen und diese Leute sagen dir dann: Politik hat im Stadion nichts zu suchen, meinen aber nur die Politik, die ihrer eigenen Anschauung widerspricht.

A. H.: Klar, da hast du das doch auch. Die gegnerische Mannschaft hat einen Schwarzafrikaner in der Mannschaft, da tritt dann ein Faschismus zu Tage! Hingegen in der eigenen Mannschaft, da ist das okay.

HOM: Der tolerierte Alltagsfaschismus ist ja ganz schlimm...

A. H.: Das ist alles sehr sehr bedenklich. Ich habe dieses Jahr einen Journalisten kennen gelernt, der in der rechten Szene verdeckt gearbeitet hat, der meinte auch, diese Szene sei unheimlich gewachsen. Das ist mehr als bedenklich...

HOM: Na ja... jetzt sind wir bei einem unerfreulichen Thema gelandet, aber das ist leider unsere Realität.

A. H.: Ich finde auch dieses Staatengetue - in Amerika, was da für ein Nationalismus ausbricht - widerlich.

HOM: Eine gute Gelegenheit...

A. H.: Es kotzt mich an! Widerlich! Der Terroranschlag war am 11. Wir sind am 12. losgefahren, wo noch nicht ganz klar war, wie sich das weiterentwickelt...

HOM: War es für euch ein Thema die Tour abzusagen?

A. H.: Nein!

HOM: Ich meine, ich habe Verständnis dafür, wenn amerikanische Bands im Moment sagen, wir wollen nicht nach Europa fliegen.

A. H.: Das ist okay. Also erst mal: Wir machen keine Partymusik und für mich ist es so, dass es für mich sowieso eine nachdenkliche Musik ist. Es ist für mich auch Ausdruck von unangenehmen und traurigen Dingen. Von daher... ich hab auch nicht diese Betroffenheit, die manche Leute an den Tag gelegt haben. Die kann ich mir auch jetzt nicht irgendwo herausziehen. Ich finde das furchtbar, ich finde das schrecklich, dass da so viele Menschen gestorben sind. Ich sehe aber auch die Gegenseite, was Amerika getan hat, dass diese Gegenströmung entstanden ist.
Was mir wirklich wichtig war, dass Amerika dann ganz vorsichtig reagiert hat. Ich denke an die Menschen in Afghanistan, die am Existenzminimum leben. Das ist so ein großer Teil der Bevölkerung dort...

HOM: Es ist aber auch ziemlich schnell bei uns eine Stimmung aufgekommen, die eine gewisse Mainstreamhaltung erwartet hat. Irgendwo die Sache kritisch sehen, war schon gar nicht opportun. Damit habe ich mir sehr schwer getan, denn die amerikanische Außenpolitik ist nun wirklich nicht so toll, dass man zu allem 'Hurra' schreit und es unterschreibt.

A. H.: Ja. Und dann kommen so Sachen hoch, wie: 'Der ganze Islam ist so. Das sind alles Fundamentalisten! Die sind alle ganz schrecklich. Die schmeißen alle Bomben!'. Was für ein Hass da plötzlich aufkommt. Der war natürlich vorher schon da. Und Israel... als Deutscher darf man natürlich nicht sagen: Moment mal Leute, was macht ihr da eigentlich für eine Politik. Ihr könnt doch da nicht den Palästinensern ihre gesamte Lebensgrundlage wegnehmen.

HOM: Ja, aber dann wird man gleich wieder in diese rechte Ecke geschoben.

A. H.: Sich da hinzustellen und zu denken, man ist immer auf der guten Seite, das ist einfach nicht der Fall.
Also ich rechne eigentlich damit, dass irgendwann auf einem ganz anderen Weg der Supergau kommt, das dann das über das Netz kommt, also letztendlich keine militärische Auseinandersetzung, sondern eine dieser Virengeschichten.

HOM: Lass uns doch noch einmal auf das Konzert zurück kommen. Du spielst gerne mit dem Publikum.

A. H.: Habe ich relativ wenig heute. Mache ich viel mehr sonst. Da musst du noch mal zu einem anderen Konzert kommen. (Anm. des Verfassers: Auf jeden Fall!) Doch, das mache ich gerne.

HOM: Die erste Zugabe, war das ein neuer Song, dieses Lichterloh brennt meine Kinderseele, oder war das irgendwo...

A. H.: Ach, das muss ich mir irgendwo so von der Seele reden. Nee, das ist für mich eigentlich auch gar kein richtiger Song...

HOM: Das war aber richtig Klasse!

A. H.: ...das ist für mich wie ein Bild. Ich male auch gerne. Das ist für mich ein bisschen so, wie ein Bild zu malen, eine Gefühlsgeschichte ganz grob darzustellen. Ich erzähle da ja keine große Geschichte. Das ist auch was Essentielles. Also, für mich ist es ganz normal, kindliche Aspekte, die jeder Erwachsene meines Erachtens haben muss,... mir ist das wichtig, die auch zum Ausdruck zu bringen. Ich spiele dann mit dieser Kinderstimme und der Erwachsenenstimme, für mich sind das aber Dialoge... für mich ist das völlig normal.
Man hat ja immer wieder so gewisse Momente, wo man denkt, die ganze Welt ist gegen einen und man möchte eigentlich mal wieder gerne auf den Arm genommen werden. Dann wiederum die Verpflichtung und die Verantwortung des Lebens... das irgendwie zusammen zu bringen...

HOM: Das kannst du dann auf der Bühne natürlich perfekt ausleben.

A. H.: Ja. Auf jeden Fall, da geht das sehr gut. Im Alltag geht das ja meist irgendwie nicht.

HOM: Okay, danke, dass du dir die Zeit für uns genommen hast.

A. H.: Ja, klar!

DANKE an MILA MAR

Martin Schneider, 05.10.2001

 

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