Turbonegro

Münster, Jovel, 14.05.2005

( English translation by Google Translation by Google )

Konzertbericht

Reviewdatum: 14.05.2005

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Redakteur(e):

Jürgen Ruland


Münster, Jovel, 14.05.2005

Gut, ich habe auch nicht vor der Türe des Tickethändlers meines Vertrauens campiert [der Kollege campt nie, vgl. hierzu mit der CD-Besprechung. Red.], aber in weiser Voraussicht doch die Tickets für das Konzert von TURBONEGRO in Münster vor längerer Zeit im Vorverkauf erworben. Eine kluge Entscheidung, das "Jovel" vermeldete später auf seiner Homepage "ausverkauft".

Ein mit angenehmen Frühlingstemperaturen gesegneter Samstag ließ uns schon am späten Morgen aufbrechen und "Kurs Münster" einschlagen. Die gemütliche B 58 entlang getuckert, durch die Städt- und Dörfchen geschlichen und die grüne niederrheinisch-/westfälische Landschaft genossen. Doch Wanderer kommst Du dieses Weges halte Dich an die Tempolimits, die grüne Fraktion der Freunde und Wasserwerfer hat Vogelnester aufgebaut, von so manchen auch als Starenkästen bezeichnet...
Die Gemächlichkeit verflog ein wenig auf der A 43, die dann irgendwann vor Münster zur B 51 wird. Da fährste immer geradeaus bis auf 1x rechts, und schon biste vor'm "Jovel". Ein schon etwas betagterer Club in dem sich illustre Größen wie Udo Lindenberg, MOTHER'S FINEST, FANTA 4 oder Edwin Starr mit ihren Handabdrücken an den Wänden verewigt haben. 1988 haben da auch mal BLUE ÖYSTER CULT gespielt und mich schwer beeindruckt (was sie bis auf das "Arrow-Desaster" vom Vorjahr immer taten...).

Die Karre am Straßenrand geparkt, vor der Halle noch nix los und einen Spaziergang in die Münsteraner Innenstadt unternommen. Das lohnt sich nicht nur zu den Zeiten der Weihnachtsmärkte, die westfälische Metropole hat gebäudetechnisch so einiges Sehenswertes zu bieten und unterscheidet sich damit zunehmend wohltuend von den immer mehr herunterkommenden Ruhrgebietsorten. Auch die vielen gepflegten Grünanlagen tragen zu einer ruhigen und erholsamen Stimmung bei. Man hat zuweilen den Eindruck, als gehe in der Stadt mit ihren unzähligen Fahrradfahrern alles einen Schritt gemächlicher zu, die Hektik so manch einer anderen Universitätsstadt findet sich hier nicht. Kontrastbildend die teuren Karossen des westfälischen Landadels (oder irgendwelcher Volksvertreter bzw. sonstigen "Besserverdienenden") vor den entsprechenden Läden und Absteigen. Da kommt es schon kurios daher, wenn der Kellner sich entschuldigt, dass er das Bierglas auf die Bügelfalte der Tischdecke gestellt hat, das Glas aber "irgendwelche Flecken" aufweist und auch der Kaffeelöffel nicht so astrein ausschaut.
Modefarbe im Münsteraner Raum scheint "rosa" zu sein, sagen wir mal zumindest bei den Damen. Egal welches Kleidungsstück, durch die Bank war alles vertreten und nebenbei kam dann bei längerem Verbleiben im Biergarten noch so manch weitere modische Entgleisung ans Tageslicht.
Viele Leute gingen zur Kirche, viele kamen wohl gerade auch von da, und ich habe schon lange Zeit nicht mehr so viele junge Burschen und Männer in Anzügen (nicht immer der letzte modische Schrei, aber schon so wie der Liebling aller Schwiegermütter) am mittlerweile frühen Samstagabend herumlaufen sehen.

Es wurde allmählich an der Zeit zum "Jovel" zurück zu schlendern und sich noch einmal kurz im Auto auszuruhen (ja ja, die älteren Herrschaften...). So richtig viele andere Autos waren immer noch nicht da, aber die hatten vielleicht auch woanders geparkt. Dafür hatte sich die Population vor der Halle verzigfacht und aus dem Innenstadtbereich kamen viele jeans- oder dunkelgekleidete Leute mit Bierflaschen bzw. -kästen in ihren Händen angelaufen. Manche hatten auch lange Haare und trugen T-Shirts wo nicht immer nur TURBONEGRO oder RAMONES draufstand. Auf so einigen prangte das wohlbekannte MOTÖRHEAD-Logo. Ich bin zwar schon seit vielen Jahren neunundzwanzig, aber trotzdem aus dem Alter heraus eine Jeans-Jacke mit dem Aufdruck "Turbojugend" und einer abgebildeten Ledermütze zu tragen. So 'ne Jackenträger/-innen liefen zuhauf herum, und unten drunter (will sagen unterhalb der Mütze) erfuhr man dann woher Weib- bzw. Männlein kamen. Bocholt, Hagen, Münster (ja nee, is klar...) oder St. Pauli. Oslo war auch dabei... also, ich schreib sowas jetzt nicht, weil ich das vielleicht noch nie gesehen habe, sondern für die Rentnerfraktion ab vierzig, die mal wieder vollständig fehlte (war Thomas G. im Fernsehen?) und die starke skandinavische Rotz-Rock'n'Roll-Szene unbegreiflicherweise weitestgehend zu ignorieren scheint.

Im Innenraum des Clubs angelangt zuerst mal den Merchandise-Stand angesteuert und festgestellt, dass man recht faire Kurse für Jacken, T-Shirts oder CDs verlangte. Die Gerstensaftkaltschale war angenehm temperiert und die Luft noch nicht in tropischen Regionen angelangt, was wohl daran lag, dass die meisten Besucher/innen draußen nach wie vor ihre Flaschen auszutrinken hatten. Da man die Möglichkeit hatte, sich den Gig auch von einem höhergelegenen Gang mit Brüstung ("reifere" Rocker/innen nehmen das gelegentlich dankbar an) anzuschauen, wurde diese Gelegenheit reichlich genutzt. Die Vorband begann, allmählich füllte sich die Halle bis auf den allerletzten Platz, die Umbaupause wurde u.a. mit Sounds von VAN HALEN und DANZIG überbrückt, und dann...

... brach bereits mit Ertönen des Intro The Party Zone ein Inferno los. Zu diesem Zeitpunkt gab es das neue Album "Party Animals" zwar erst sechs Tage offiziell auf dem hartumkämpften Tonträgermarkt käuflich zu erwerben, jedoch wurde der neue nun folgende Gassenhauer All My Friends Are Dead bereits wie ein Klassiker abgefeiert. Das Publikum verwandelte sich in eine brodelnde Masse, von oben schaute das aus wie das Branden des Meeres an eine Küste, nur dass es sich hier eben um Menschen handelte, welche über die Absperrung purzelten, getragen wurden, kletterten, um anschließend von freundlichen Ordnern wieder seitlich ins Publikum geführt zu werden. Lediglich der junge Mann der vom Lichtmast ins Publikum springen wollte, musste sich wohl draußen einige belehrende Worte anhören, bevor er wieder dem Pulk vor der Bühne zugeführt wurde. Des öfteren waren die Füße das oberste Körperteil und man hatte den Eindruck, schon nach zwei Songs in einem Tollhaus gelandet zu sein. Nicht dass ich so etwas noch nie gesehen hätte, die Shows vieler Thrash- und Speedmetal-Bands sind mir in bester Erinnerung, jedoch schlug dieses Event vieles zuvor Erlebte um Längen. Da spielte es auch keine allzu große Geige, dass der Sound nicht 1A war, hier regierte einzig und allein der Faktor "Happening".
Die Songs von "Party Animals" fügten sich nahtlos in ein Repertoire, das Track für Track abgefeiert und so laut mitgegrölt wurde, dass die Anlage glatt übertönt wurde. Und TURBONEGRO sind nicht gerade für leise Shows bekannt.
Im Grunde lässt sich nicht von Höhepunkten reden, das Konzert bildete ein einziges Highlight. Wer jedoch Get It On miterlebte, weiß wovon ich rede/schreibe. Besser geht es nimmer, Band und Publikum schienen regelrecht zu verschmelzen. Eigentlich sah man nur Arme (und ein paar Beine gen Hallendecke...) und erlebte ein außer Rand und Band geratenes Publikum. Für mich bescherte dieser Brüller Eindrücke, wie ich sie in über 25 Jahren Konzerterlebnisse seltenst erleben durfte.

Da die Bühne etwas klein für die sechs Nordmänner ausfiel, turnte Sologitarrist Euroboy auch schon mal im Graben vor der Bühne herum. Die P.A. erwies sich als nicht bekletterbar, also versuchte es der schmächtige Irrwisch mit der Konfettikanone, welche jedoch keine Erection zeigte und nach unten absackte.
Das vom Publikum stürmisch geforderte I Got E... musste bis zur allerletzten Zugabe warten. Rune Rebellion hämmerte in einer Ecke, Pal Pot Pamparius in der anderen, zwischendrin ein herumspringender Euroboy und nicht zu vergessen der mitsingende Bassist Happy-Tom, ohne dessen Backing-Vocals Hank Von Helvete wohl viel weniger Wirkung entfachen könnte. Der Frontmann befand sich an diesem Abend in blendender Verfassung und stellt in dieser Form mittlerweile eine absolute Ausnahmeerscheinung dar. Köstlich seine Ansagen, madness rules! Zwar dieses Mal ohne Kerze im Hintern, dafür anfangs mit einem langen Fellumhang und dem berühmten "Taktstock".
Die vielen Matrosenmützchen im Publikum wurden durch Happy-Tom in seinem weißen Matrosenanzug plus entsprechender Kopfbedeckung gewürdigt. Jetzt fehlt noch Chris Summers, der auf Tonträger immer so ein wenig untergeht, jedoch live ein absolutes Tier ist und die Songs mit seinem straighten Drumming zusammenhält.

Damit man die Show noch ein bisschen lebhafter gestalten konnte, wurde neben der ganzen Action auf und vor der Bühne auch noch für solche von oben gesorgt. Mal als Konfettiregen, mal mit Luftballons die bei High On The Crime von der Decke segelten und dem Glamrock-ähnlichen Song die passende Unterstützung verliehen.
Klar wird ein Klassiker wie The Age Of Pamparius zu Beginn des ersten Zugabenblocks frenetisch abgefeiert, jedoch hat ein Final Warning die besten Voraussetzungen, in Zukunft ein ebensolcher zu werden. Ein City Of Satan steht einem Fuck The World livehaftig so kurz nach seiner Veröffentlichung bereits kaum nach, ein groovendes Blow Me (Like The Wind) hat bereits jetzt seinen Platz neben dem treibenden Ride With Us gefunden. Klar ist es, dass ein neues Album stark im Vordergrund steht, es jedoch so kurz nach seinem Erscheinen dermaßen abgefeiert erleben zu dürfen, ist allerdings keine Selbstverständlichkeit.

TURBONEGRO stehen nicht nur für erstklassiges Songmaterial, die Norweger haben auch jeder einzelne für sich Figuren entwickelt, wie ein Pal Pot Pamparius mit Stahlhelm oder sein Rhythmusgitarristen-Kumpel Rune Rebellion in Anzug mit Zylinder. Zur Zugabe erschien man dann wieder im Jeanslook und Hank Von Helvete mit langen schwarzen Umhang, was von den Fans natürlich tierisch abgefeiert wurde. Zu diesem Zeitpunkt hatte Pal Pot anscheinend schon schwer einen (oder mehrere...) im Tee, das Angebot des Roadies zwecks Anreichen seiner Klampfe winkte der jetzt nicht-mehr-Stahlhelmträger (mittlerweile tropisches Klima in der Hütte...) dankend und breit grinsend ab, nahm noch einen großen Schluck aus dem Bierglas und torkelte anschließend mit dem Tambourin durch die Aufführung zu The Age Of Pamparius. That's Rock'n'Roll!

TURBONEGRO sind Kult, verfügen über ein frenetisches Publikum und mit der "Turbojugend" über eine ganz eigene Szene. Das wurde an diesem Abend deutlichst aufgezeigt und es bleibt zu hoffen, dass sich die Band selber treu bleibt und ihre herrliche Skurrilität und Einzigartigkeit nicht zu einem Comic-Theater wie im Falle KISS verkommen lässt. Dann dürfen wir uns noch vieler starker Alben und atemberaubender Auftritte sicher sein.

Jürgen Ruland, 20.05.2005

 

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