New Model Army Today Is A Good Day, Attack Attack Records, 2009 |
Justin Sullivan | Vocals, Guitar | |||
Michael Dean | Drums | |||
Nelson | Bass | |||
Dean White | Keyboards | |||
Marshall Gill | Lead Guitar | |||
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1. Today Is A Good Day (4:01) | 2. Autumn (4:03) | |||
3. Peace Is Only (3:48) | 4. States Radio (4:50) | |||
5. God Save Me (5:25) | 6. Disappeared (5:00) | |||
7. Ocean Rising (5:11) | 8. Mambo Queen Of The Sandstone City (3:58) | |||
9. La Push (4:36) | 10. Arm Yourselves & Run (3:08) | |||
11. Bad Harvest (3:33) | 12. North Star (5:18) | |||
Musik und Politik haben miteinander nix zu tun. So sagen sie einem überall, diese ängstlichen, meinungslosen Heerscharen von Rockmusikern und ihre speichelleckenden Journalisten. Die einen, weil sie wohl einzig und allein auf der Bühne stehen um ein kleines bisschen reicher und berühmter als der Durchschnittsbürger zu werden, aber sicher nicht weil sie uns Hörern irgendetwas Relevantes zu sagen haben. Die anderen weil sie sich gern in deren Windschatten ein klein wenig von der Sonne des Ruhmes auf den satten Bauch scheinen lassen wollen und natürlich sowieso nie eine eigene Meinung vorbringen. Und selbstverständlich hat Musik und Politik ja schon rein aus Marketinggründen gar nix miteinander zu tun - es könnte ja potentielle Käufer der Gegenseite verprellen wenn man da zu deutlich vom Leder zieht und das wollen die Geldscheffler ja nun wirklich nicht.
Nun - eine kleine und feine Insel gibts noch, im Ozean des Schwachsinns. Eine Band, so unbeugsam wie Asterix’ Gallier und das seit rund 30 Jahren. Eine Band die schon von Anbeginn ihres Daseins politische mit sehr persönlichen Texten verknüpfte, dass es eine Freude für den mitfühlenden und denkenden Hörer war. Eine Band die ihr Fähnlein gegen den Wind der grenzenlosen Gier hält. Gegen den Wind der Dummheit, der Ignoranz, gegen politische Abgestumpftheit und gegen all diese sinnentleerten kapitalistischen Weisheiten, die einem immer als heutzutage absolut unverzichtbar medial in Aug und Ohr geschmiert werden. Eine Band deren neue Alben immer und unverzüglich in meinem Player landen.
Justin Sullivan und seine New Model Army legen ihr elftes Studiowerk vor, Today Is A Good Day. In der Tat war der Zusammenbruch der Kapitalmärkte an der Wall Street im Herbst 08 nicht nur für Sullivan und Co. ein „Good Day“ und dieses Ereignis wurde gleich zum Titelsong umgemünzt. So hört man auch zu Beginn eine kurze Einspielung einer Reportage über diesen Zusammenbruch der Kapitalmärkte und schon sind wir drin in einem absolut archetypischen NMA Song. Eine magengrubentiefe Bassline leitet ein und schon hauen die Gitarren rauh und hart dazwischen wie seit langen Zeiten nicht mehr. Sullivan und Co. sind wieder richtig schön energetisch geladen. Der Refrain „Today Is A Good Day“ wird sicherlich ein Fan-Favorit werden, eignet er sich doch abseits des Songthemas ideal um einen guten Abend in einer Konzerthalle gemeinsam zu feiern.
Stück 2 macht gleich weiter. Der Refrain „Everything is beautiful because everything is dying“ klebt, wie auch die Musik, sofort im Ohr und ist wieder einer dieser sullivanschen Aphorismen die mich sofort innehalten und nachdenken lassen. Ich kenn keine andere Band die geilen, in den Unterleib gehenden Rock, so locker mit gedankenfördernden Texten verknüpfen kann, wie die New Model Army das immer wieder bei mir schaffen.
Die beiden letzten Studiowerke, High und davor Carnival, waren beileibe nicht schlecht, waren nur neben allen guten Songs darauf vielleicht etwas gebremst in der Energieleistung. Aber diesmal haben sie einen absoluten Volltreffer abgeliefert. Today is a Good Day sprüht vor Kreativität und dieser positiv wütenden Energie die schon immer ein besonders guter Nährboden für die Alben der NMA war. Nehmen wir Stück Nr. 5. God save me. Der katholisch streng aufgewachsene Justin Sullivan legt soviel Inbrunst in seinen speziellen Sprechgesang, singt mit soviel Intensität Zeilen wie „God save me from everything I really want, from everything I really feel, from everything I should have said, crashed down the reckless soul“. WUMMM. Das sitzt. Wer da nicht nachdenkt hat seinen Kopf eh nur als Einfüllstützen für Getränke. Da muss man gar nicht religiös sein, da steckt tiefe Lebensweisheit darin. Dazu steigert sich das bis zur Hälfte sehr ruhige Lied mittels Mellotron-Einsatz und rockenden Gitarren zu einem finalen Höhepunkt und ich hab eine finale Gänsehaut.
Und das geht so weiter, Kracher auf Kracher auf Kracher folgt. Wirkliche Durchhänger gibts auf dem Album nicht. Die hohe Qualität des Songwritings zieht sich bis zum letzten Stück durch. Einzig La Push und Arm yourselves & run die gegen Ende des Albums folgen, fallen vielleicht am ehesten noch in die Kategorie Lückenfüller, weil sie „nur“ gut sind. Wie hoch die Qualität hier ist zeigt z.B. folgendes: Nach dem eindringlichen God save me müsste eine dringende Verschnaufpause, etwas weniger berührendes kommen. Doch mit „Disappeared“ knallt gleich der beste rockende Track des Albums hinterher. Grummelnde Basslinie, typische Tribaldrums, eindringlich beschwörender Gesang und hart reinbrechende Gitarren tragen das Stück. Hammerteil. Gespickt mit Hooks.
Justin Sullivan - der charmanteste Zahnlückenträger der Rockszene - und seine kämpferische Truppe bleiben eine unverzichtbare Erscheinung in einem Business, dass sich längst nur noch um sich selber dreht und vergessen hat warum Rockmusik dereinst überhaupt mal wild und gefährlich war. Weil sie nämlich die tiefen Emotionen der Bauchgegend genauso berühren kann wie die Herzregion und weil sie im günstigsten Fall gleich noch die Hirnströme dazu in Wallung bringt. Mit Today is a Good Day ist dieser günstigste Fall mal wieder eingetreten und ich komm nicht umhin diese Scheibe jedem aufrechten Rocker dringend ans Herz zu legen. Ein Megapfund für die Rocksammlung.
Übrigens - an siebter Stelle hats mit Ocean Rising noch einen Song der schon auf JS’ Soloalbum Navigating by the stars in 2003 erschienen war. Bis Minute 3 ist das wunderschöne ruhige Lied nicht soviel anders wie auf dem Solowerk, wird jedoch durch Drums und Gitarreneinsatz dann doch noch zu einem mehr NMA-typischen rockenden Stück, so dass es sich auch für Käufer des Soloalbums durchaus lohnt das hier noch einmal zu haben.