Ich muss ganz ehrlich gestehen, dass ich am Freitagmorgen beim Blick durchs Fenster ziemlich frustriert war. Graues Licht, Regenschauer, Tristesse. Das Static Roots Festival bei so einem Wetter? Das passt doch nicht zusammen.
 
Das hatte sich unser wankelmütiger Wettergott wohl auch gedacht und drehte pünktlich gegen 15 Uhr den Hahn zu und schickte ein paar freundliche Sonnenstrahlen Richtung Oberhausen. Da es sich bei dem Festival um eine In-Door Veranstaltung handelt, wäre es im Grunde ja fast egal gewesen, doch dieses inzwischen zum Kult-Event Nummer Eins emporgestiegene Festival in Sachen Roots-Music lebt natürlich auch vom Ambiente, vom Drumherum, von den diversen Begegegnungen im Innenhof des Festivalgeländes, vom regen Austausch untereinander. Wenn ein paar Hundert Musikbegeisterte zusammenfinden gibt es immer irgend etwas zu quatschen, zu palavern, zu staunen, zu lachen. Und da passt Sonnenschein einfach besser.
 
Der äußere Rahmen war also gesetzt, die Food-Trucks bruzzelten fleißg ihre Burger und Frühlingsrollen, das gute deutsche Bier, das seit der Fußballeuropameisterschaft offenbar erneut an Reputation gewonnen hat, floss schon am späteren Nachmittag in Strömen und die anfängliche Wiedersehensfreude bei vielen Festivalteilnehmern wich nun der Vorfreude auf die erste Band, die Static Roots Impressario Dietmar Leibecke ins Rennen schickte. Die entpuppte sich nämlich gleich als vorzügliche Überraschung. Ole Kirkeng, der norwegische Troubadour verzückte binnen weniger Minuten das fachkundige Publikum im ausverkauften Saal des Zentrum Altenberg. Ja, ausverkauft! Wie schön und wie schade auch für ein paar Dutzend weiterer Zuschauer, die ihre mangelnde Entschlusskraft im nachhinein womöglich bereuten.
 
 
Ole Kirkengs fein austarierte Mixtur aus seidigem Singer-Songwriter-Pop mit großem Country-Herz fühlte sich direkt sehr gut an. Gute Musik, Stimmungen und Gefühle, ein unschlagbare Allianz. Als dann nach Kirkengs gelungenem Set einer meiner Buddies an mir vorbeischwebte und mir zuraunte: "Hach, es liegt schon wieder so viel Liebe in der Luft", war damit das alljährliche Motto des Festivals in wenigen Worten zusammengefasst. Peace, Love & Rock'n'Roll.
 
Im Unterschied zu den inzwischen meist zur Groteske geratenen Großveranstaltungen, die allein schon wegen unsäglicher An-und Abreisewirren zum totalen Alltagsstress ausarten, geht es auf dem Static Roots Festival ganz gelassen und gemütlich zu. Gerade so wie es sich für Ü 50, Ü60 und Ü70 Zuschauer gehört. Die wenigen erfrischend jung aussehenenden Festival-Teilnehmer waren klar in der Unterzahl, gaben aber Anlass zur Hoffnung, dass die vereinigten Americana-Fans auch in ein paar Jahren noch auf Unterstützung hoffen dürfen.
 
Ole Kirkeng, der sympathische Norweger mit dem freundlichen Gesicht, nahm das Publikum also mit auf die ausgedehnte Reise, bestach mit kompetenter Band und feinen Pedal-Steel Schleifen und garnierte seine unaufgeregte und reife Darbietung mit zwei atmosphärischen Duettbeiträgen, die er mit seiner norwegischen Landsfrau Louien so gestaltete, dass nichts anderes als Vorfreude auf den restlichen Tag geschürt wurde. Nicht zuletzt auch wegen des wunderbar ausbalancierten Sounds, den der Mixing-Engineer durch die Reihen schickte.
 
 
Der zweite Act, Jenny Don't & The Spurs, unterstrich den Ruf des Static Roots Festivals als stilistisch breit aufgestelltes Musikereignis ohne Scheuklappen. Im Gegensatz zu Ole Kirkengs Gig wirkte das Quartett aus dem Umland von Portland, Oregon, geradezu schrill und super-extrovertiert. Ihre eigene aufwühlende Mischung aus traditionellem Rockabilly und aufmüpfigem Cow-Punk setzte Maßstäbe, nicht nur was das exaltierte Outfit der vier Protagonisten angeht. Diese abgedrehten Nudie Suits, die beispielsweise Bassist Kelly Halliburton (der irgendwie aussah wie Jeff Becks jüngerer Bruder) trug, machen schon was her. Ein wilder Ritt.
 
Zum Runterkommen und Abkühlen kam dann die zauberhafte Louien gerade recht. Die zierliche blonde Norwegerin, die ihren Freund Ole Kirkeng als Bassisten wieder auf die Bühne zurückbrachte, überzeugte mit samtweichem Gesang, der in den ersten paar Momenten an Nanci Griffith erinnerte, aber nach wenigen Minuten mit eigenem Profil vollends überzeugte. Nicht allzu weit entfernt von den zarten Americana-Impressionen Ole Kirkengs eine gute Stunde zuvor, machte insbesondere der mit einer hübschen Rickenbacker ausgestattete Sologitarrist eine herausragende Figur mit seinen gut inszenierten, ätherischen Sounds. Insgesamt geriet Louiens Auftritt noch etwas softer, ja, sogar fast elfengleich, gespickt mit luftiger Folk-Attitüde. Dass Louien und Kirkeng auf gewisse Weise ähnlich ticken und sich kongenial ergänzen konnte man deutlich spüren. Der Junge aus den Bergen und das Mädchen aus den Wäldern.
 
 
 
 
Ein wuchtiges Kontrastprogramm folgte im Anschluss mit dem vibrierenden Auftritt von Chris Cacavas. Ja, es war ein Brett, aber aus einem Holz, das nicht unbedingt handelsüblich ist, sondern speziell. Nichts aus den unteren Regalen, sondern High-Class. Mit Stil, Charakter und Charisma. Unverwechselbar. Rockig, ruppig, energiegeladen. Dynamit! Der Sologitarrist, eine Macht. Yeah!
Auf dem nächsten Static Roots Fest könnte doch dann eigentlich mal 'ne prächtige Reunion von Green On Red stattfinden, oder?
 
Die letzte Band des Abends, The Sadies, habe ich dann bis auf die ersten drei Songs aus rein persönlichen Gründen verpasst. Da ihr Rockabilly-Ding eh nicht so ganz meinem Beuteschema entspricht, war ich auch nicht ganz so traurig. Die Herren müssen aber wohl gut abgeräumt haben, wie man am Folgetag zu lesen bekam.
Am Festivalsamstag war ich dann leider auch verhindert. Doch die Bilder und Videoclips, die im Netz kursieren sagen alles.
Hail, hail Static Roots! Looking forward to 2025!
 
(Photo Credits: Gudi Bodenstein)

 

 

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