Ray Lamontagne

"...als hätten Kritiker zu viel Zeit"

( English translation by Google Translation by Google )

Interview

Reviewdatum: 28.04.2005

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Redakteur(e):

Edith Hallberg


Ray LaMontagne
"...als h?tten Kritiker zu viel Zeit", Interview

Im Zuge eines London-Aufenthaltes Ende April 2005 setzte unsere gesch?tzte Leserin Edith Hallberg ihre Idee eines K?nstler-Interviews in die Tat um und befragte den aufstrebenden amerikanischen Singer-Songwriter Ray LaMontagne, dessen Album im HoR durchaus wohlwollend besprochen wurde, zu seinem Leben und seiner Musik.
Der allgemein als distanziert und emotionslos eingesch?tzte K?nstler gab der von den Reisestrapazen aufgeriebenen Frau Hallberg ein makelloses Interview zwischen Soundcheck und Gig im altehrw?rdigen Sheperds Bush im Londoner West End.
Edith Hallberg, die sich in unserem Blindflug #2 schon die Ehre gab und uns dort wortgewandt ihre Liebe zur Musik dokumentierte, bewies mit diesem Gespr?ch erneut, dass mit ihr als willkommene Gastautorin des HoR auch zuk?nftig ganz stark zu rechnen sein wird.
Danke, Edith.

Hooked on Music: Ray, erz?hl mal, wie hat alles f?r Dich angefangen? Es hei?t, Du bist an der Ostk?ste aufgetreten, als Opening Act f?r andere Bands, meistens lokale Folkies. Wo begann Deine Karriere?

Ray LaMontagne: In Neuengland. Ich machte meine erste Aufnahme, eine Demo CD, 1999. Das waren ungef?hr zehn Songs. Und dann habe ich einfach angefangen aufzutreten, mal hier, mal da, meistens am Wochenende. Zu der Zeit hatte ich einen Vollzeitjob als Schreiner und arbeitete gleichzeitig an meinem eigenen Haus, f?r das ich zuerst ein St?ck Land roden musste. Ich hatte sehr viel zu tun, fing aber trotzdem an aufzutreten; anfangs zusammen mit anderen Bands, dann hatte ich auch meine eigenen Shows quer durch Neuengland, also in Vermont, Massachusetts, Maine.

HOM: Sind einige Deiner ersten zehn Songs von der Demo CD jetzt auch auf "Trouble" [erschienen September 2004]?

Ray: Nein. Ich arbeitete gerade an meinem vierten Song, als ich einen Vertrag mit Chrysalis unterzeichnete. Ungef?hr sechs Monate, nachdem mich Chrysalis unter Vertrag genommen hatte, begannen wir mit der Arbeit an "Trouble". Da ist nur einer meiner ersten Songs drauf. Der restlichen Songs kamen neu dazu.

HOM: Wie entstehen die Songs: komponierst und schreibst Du sie alleine, oder zusammen mit der Band?

Ray: Nein, ich schreibe die Songs alleine. Und dann arbeite ich zusammen mit Ethan [Ethan Johns, Ray's Produzent] an den Arrangements. Von Ethan stammen die String Arrangements. Aber die Songs schrieb alle ich.

HOM: Und die Band, mit der Du hier auftreten wirst, sind das Deine eigenen Leute?

Ray: Ja. Chris [Thomas], der Bassist, ist seit vorigem September bei mir und Larry [Ciancia], der Drummer, kam im Januar dazu.

HOM: Was sind Deine Ziele; was m?chtest Du gern mit Deiner Arbeit erreichen?

Ray: Ich versuche, von der Musik zu leben, was ich mir eigentlich nicht zugetraut h?tte. Ich dachte, ich w?rde immer ein Schreiner sein, der ab und zu mal f?r eine Gage von 25 Dollar auftritt und das war's. Und ich war zufrieden damit. Aber jetzt sieht es beinahe so aus, als k?nnte ich vielleicht meinen Lebensunterhalt damit verdienen.

HOM: Ja, meinst Du?

Ray: Na ja, schwer zu sagen. Momentan kann ich gut davon leben, aber wie gesagt, ich wei? nicht, f?r wie lange. Ich muss mir erst eine Fan-Gemeinde aufbauen. Um von der Musik leben zu k?nnen, brauchst du Fans, die dich sehen wollen.

HOM: In diesem Sinne viel Erfolg! Wann kommst Du mal nach Deutschland?

Ray: Ich habe da erst einmal gespielt. Ich wei? ehrlich gesagt nicht mehr genau, wie dieses Konzert zustande gekommen ist. Die Agenten k?mmern sich um solche Dinge. Die arbeiten meine Tourneen aus und sagen mir, wo ich auftrete und f?r wie lang.

HOM: Mich w?rde auch interessieren, was Dich inspiriert? Was motiviert Dich, wenn Du Songs schreibst? Sind es bestimmte Begebenheiten, Menschen, Erinnerungen...

Ray: Ja, all das. Das Leben; das ist schon genug.

HOM: Bist Du in einer religi?sen Umgebung aufgewachsen?

Ray: Oh nein. Im Gegenteil. Meine Familie war ?berhaupt nicht religi?s.

HOM: Deine Musik hat etwas Spirituelles...

Ray: Ja, aber das ist etwas Anderes. Vielleicht. Ich halte mich f?r spirituell, aber nicht f?r religi?s.

HOM: Spielt der Begriff "shelter" f?r Dich eine zentrale Rolle? "Shelter" kann etwas ganz Konkretes sein wie etwa ein Haus; oder auch eine Person, bei der man Geborgenheit erf?hrt...

Ray: Eine Bedeutung herauszufinden, bleibt ganz dem Zuh?rer ?berlassen. Ich schreibe nur die Texte.

HOM: Gab es w?hrend Deiner rastlosen Kindheit und Jugend irgend etwas, das f?r Dich Halt oder Sicherheit bedeutete?

Ray: W?hrend meiner Kindheit, wollte ich einfach nur ein Zuhause, das wir aber nie hatten. Als ich dann ungef?hr 25 Jahre alt war, kaufte ich mir ein St?ck Land und fing an, mein eigenes Haus zu bauen. In dem Moment hatte ich die Stabilit?t, die ich mir immer gew?nscht hatte. Nat?rlich ist das jetzt alles vorbei und ich fange wieder von vorne an. Aber ich hatte sechs gl?ckliche Jahre zusammen mit meiner Frau und unseren beiden S?hnen mit 60 Ackern Land und einem Holzhaus. Diese Zeit war f?r mich sehr wertvoll. Jetzt ist alles beim Teufel.

HOM: Lag es an Deiner neuen Karriere?

Ray: Ja, klar. Mein ganzes Leben lang w?nschte ich mir Stabilit?t. Schon als kleiner Junge von sieben oder acht Jahren sagte ich, dass ich mir ein Haus bauen w?rde. Ich w?nschte mir ein Holzhaus und redete die ganze Zeit davon. Ich hatte auch Sehnsucht nach einem ganz besonderen Menschen in meinem Leben, das war meine Mutter. Aber ich hatte nie etwas von ihr. Immer kamen Leute zu uns, es war ein st?ndiges Kommen und Gehen. Alkohol und Gewalt waren unser Alltag. Und deswegen gab es immer wieder Probleme. Deshalb w?nschte ich mir immer die einfachsten Dinge wie Ruhe und Stabilit?t. Und als ich das f?r kurze Zeit hatte, war es wundersch?n.

HOM: Wie bist Du denn mit Deinen Geschwistern ausgekommen?

Ray: Meine j?ngere Schwester Codie und ich sind uns sehr nahe. Ich habe vier Schwestern und einen Bruder, und wir alle stammen aus unterschiedlichen Beziehungen meiner Mutter. Nur Codie und ich haben den selben Vater, und wir stehen uns sehr nahe. Der Rest der Familie ist weit verstreut und hat sich auseinandergelebt.

HOM: Und was sagt Deine Familie zu Deinem Erfolg? Verfolgen sie Deine Karriere?

Ray: Sie mochten mich nie besonders gern. Das ?nderte sich, als ich bekannt wurde. Jetzt tun sie so, als w?rden sie besser mit mir auskommen, aber ich durchschaue das.

HOM: Was machst Du w?hrend einer langen Tournee, wenn mal zwischendurch ein Tag frei ist?

Ray: Ich lese. Ich gehe in Zigarrenl?den. Ja, ich bin gern in einem Zigarrenladen und schaue mir die unterschiedlichen Pfeifen an. Eigentlich tue ich nicht viel. Lesen, an Songs schreiben, rauchen.

HOM: Einer Deiner Songs wurde im Film "A Lot Like Love" [USA, 2005; Regie: Nigel Cole. Soundtrack mit dem Song Trouble von Ray LaMontagne erschienen im April 2005 bei Sony] verwendet. Denkst Du daran, einmal Filmmusik zu schreiben?

Ray: Ja, das w?rde ich liebend gern tun, wenn sich eine Gelegenheit daf?r ergibt. Mit diesem einen Song auf dem Soundtrack ist es etwas anderes. Es ist eine gute Gelegenheit, bei einem gr??eren Publikum geh?rt zu werden, ?hnlich wie wenn dein Song im Radio gespielt wird. Ja, ich w?rde gern Filmmusik schreiben, besonders wenn es f?r jemand ist, dessen Arbeit ich bewundere. Aber solche Dinge kann man nicht vorherplanen. Sie passieren einfach.

HOM: Wie w?rdest Du Deine Musik nennen? Rock? Country?

Ray: Keine Ahnung, ich habe das gleiche Problem. Ich wei? es wirklich nicht. Es sind einfach Songs.

HOM: Was h?ltst Du von politischer oder engagierter Musik? Soll sich ein Musiker einmischen, Stellung beziehen?

Ray:Nein, ich denke... Ich glaube, ich habe keine bestimmte Meinung dazu. F?r mich pers?nlich ist es so: wenn ich Ideen f?r einen Song habe, schreibe ich sie auf. Ich versuche nichts zu ?ndern. Ich setze mich nicht hin und ?berlege mir ein Thema oder einen aktuellen Anlass, den ich verarbeiten k?nnte. Wenn ein Impuls da ist, schreibe ich. Dann folge ich nur meiner Inspiration. Ich versuche nicht, mit einem Song die Welt zu ver?ndern.

HOM: Auf Deiner Homepage [www.raylamontagne.com] steht, Dein zweiter Vorname sollte "serendipity" [hei?t so viel wie jemand, der "Gl?ck" hat] lauten. Was h?ltst Du davon?

Ray: Ich wei? nicht so recht. Ich habe hart gearbeitet, um an diesen Punkt zu gelangen. Ich sehe meinen derzeitigen Stand als das Ergebnis von harter Arbeit, nicht von gl?cklichen Begebenheiten oder sonst etwas. Ich habe die letzten zehn Jahre sehr intensiv an meiner Musik und am Auftreten gearbeitet. Aber andererseits habe ich viele wunderbare Menschen dabei kennengelernt. Wenn ich jemals Gl?ck hatte, dann vielleicht in dem Sinn, dass ich viele gute Menschen in diesem Business getroffen habe und dass ich smart genug bin zu erkennen, wenn jemand "echt" oder wirklich gut ist. Vielleicht hatte ich Gl?ck, dass mir so viele wundervolle Menschen begegnet sind. Aber selbst dann musst du dich immer noch auf dein Gef?hl verlassen k?nnen, denn in diesem Gesch?ft laufen dir alle m?glichen Leuten ?ber den Weg.

HOM: In einer Konzertbesprechung im Evening Standard beschreibt Dich der Verfasser wie eine wilde, unheimliche Erscheinung im Nebel im schottischen Hochmoor, und ausgerechnet in den Worten, mit denen die Hexen Shakespeares "Macbeth" begr??en. Was h?ltst Du davon?

Ray: Ich wei? nicht recht. Mir erscheint es, als h?tten die Kritiker zu viel Zeit. Aber ich halte hier besser den Mund. Kritiker schreiben nun mal gerne, es ist ihr Job, und sie verwenden gerne Bilder und Anspielungen. Ich brauche sie nicht.

Edith Hallberg, 28.04.2005

 

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