Merlons Lichter

Reichenbach, Die Halle, 08.12.2001

( English translation by Google Translation by Google )

Konzertbericht

Reviewdatum: 08.12.2001

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Redakteur(e):

Martin Schneider


Reichenbach, Die Halle, 08.12.2001

'Support the local underground' ist ja an sich eine feine Sache, nur wird so ein Gedanke zum fatalen Eigentor, wenn der lokale Supportact und der Headliner musikalisch überhaupt nicht zusammen passen.
So frag ich mich, was die Verantwortlichen geritten hat, die Stuttgarter OUT OF INDEPENDENCE vor MERLONS LICHTER auf die Bühne zu lassen.

Entsprechend schwer tut sich die junge Band mit ihrem harten Post-Grunge, mehr als die anwesende Handvoll Bekannte zu begeistern.
Dabei haben OUT OF INDEPENDENCE durchaus Talent. Vor allem ihr Sänger setzt positive Akzente. Gegen Ende des Sets muss er allerdings seiner Unerfahrenheit und der Verausgabung bei den ersten Stücken Tribut zollen, und liegt doch einige Male schwer neben der Spur.
Trotzdem, zu einer anderen Zeit, an einem anderen Ort, vor einem anderen Publikum, hätten OUT OF INDEPENDENCE durchaus eine gute Figur abgegeben.

Die spannende Frage des Abends lautet: Können MERLONS LICHTER den Abgang ihrer charismatischen Sängerin Antje verkraften?
Viele alte Fans scheinen nicht daran zu glauben. Nur so lässt sich für mich der eklatante Rückgang der Publikumsresonanz, im Vergleich zu vergangenen Gastspielen der Band in Reichenbach, halbwegs plausibel erklären. Die etwa einhundert anwesenden Besucher erleben allerdings in den folgenden zweieinhalb, drei Stunden ein denkwürdiges Konzert und so kann die Antwort nur: 'Ja, sie können es!' lauten.

Natürlich hat sich viel bei MERLONS LICHTER geändert, wie schon der abgewandelte Bandnamen verdeutlicht. Was hätte die Band auch tun können? Aufgeben? Unfug! Eine neue Sängerin suchen? Vielleicht. Ohne Antje weiterzumachen, war sicher die mutigste Entscheidung.

Im Wandel des Gewohnten liegen aber auch immer neue Chancen. Im Mittelpunkt der Show steht nun P.G., Antjes Bruder und seit jeher eine der treibenden Kräfte der Band. Das Talent dafür scheint irgendwo in den Genen der Familie Hänsel zu liegen, denn P.G. ist als Frontman absolut überzeugend. Das sein Gesang über jeden Zweifel erhaben ist, sollte spätestens seit dem jüngsten Album "Die wahre Mutter Gottes" jedem klar sein. Live setzt er noch einen drauf und überzeugt nicht nur mit cleanen Vocals, sondern auch mit abgefahrenen emotionalen Lautmalereien. Mal wild animalisch, dann wieder äußerst fragil, wird die Stimme zu einem weiteren Instrument im Bandgefüge. Hier lassen MILA MAR und Anke Hachfeld grüßen. Doch P.G. hat noch einiges mehr zu bieten. Charisma, die Gabe ein Publikum mit seinem Auftreten, mit kleinen Gesten zu fesseln... hier verläuft die Trennlinie zwischen einem Sänger und einem Performer. P.G. gehört erfreulicherweise eindeutig zur letzteren Kategorie.
Gleichzeitig vergisst er nie, dass MERLONS LICHTER eine Band sind, die aus vier weiteren Mitgliedern besteht und weiß, wann er sich zurücknehmen muss, um seine Mitstreiter ins rechte Licht zu rücken. Davon profitieren vor allem Fritz und Pater Peter in seiner schicken Mönchskutte.
Musikalisch wie optisch erweist sich auch der imposante Drehleyer-Spieler Wolf als echter Gewinn für die Band. Der Sound wird dadurch noch dichter und wenn die vier gemeinsam an den Bühnenrand stürmen, wirken sie wie eine schier unüberwindbare menschliche Mauer.
Lediglich Neuschlagzeuger Hannes wirkt hinter seiner Instrumentenburg, in die rechte Bühnenecke gedrängt, noch etwas wie ein Fremdkörper, doch musikalisch lässt auch er nichts anbrennen.

Im Rahmen der Möglichkeiten bieten MERLONS LICHTER eine aufwändige Show. Ein ansprechend beleuchteter Backdrop, die Kanzel am linken Bühnenrand, von der P.G. immer wieder 'predigt', dazu immer wieder Bühnennebel und eine stimmungsvolle Lightshow sind weitaus mehr, als man üblicherweise bei Konzerten dieser Größenordnung geboten bekommt und Bands die meinen 'nur' ihre Musik sprechen lassen zu wollen, sollten sich daran ein Beispiel nehmen.

Musikalisch steht natürlich "Die wahre Mutter Gottes" im Zentrum der Performance, vom beschwörenden Maifeuer zum Auftakt, bis zum abschließenden, besinnlichen Hier war Sie.
Dass Stücke wie Yoik oder das mitreißende Eli, Eli, Lema Sabachtani?, live hervorragend zünden würden, stand von vorne herein außer Frage. Zur großen Überraschung funktionieren aber auch eher ruhige Stücke wie Eine Welt ein Tempel. Eiszeit wird sogar zu einem der absoluten Highlights des Abends, obwohl mir das Stück aus der Konserve bislang, wie ein Buch mit sieben Siegeln, den Zugang verwehrte.

Träumen und tanzen - in diesem Spannungsfeld bewegen sich MERLONS LICHTER, vielseitiger und spannender als zuvor möchte man meinen.
Neben den Stücken der aktuellen CD gibt es viele instrumentale Improvisationen, mit Auge um Auge ein brandneues Stück und viele alte, liebgewonnene Klassiker wie Salamander, Utopia oder Alachamenjah zu hören.
Mit Deswegenweise kommt sogar ein "Sinnlicht"-Stück zu Ehren, bei dem P.G. souverän beweist, dass auch 200%ige 'Antje'-Songs nicht unbedingt für alle Zeiten außen vor bleiben müssen.

MERLONS LICHTER feiern an diesem Abend auf der Bühne ihre Wiedergeburt und festigen ihren Ruf als hervorragende Liveband. Keiner der Besucher, der der Band in ihrer neuen personellen Konstellation eine faire Chance gab, dürfte enttäuscht nach Hause gegangen sein, und wenn sich jetzt auch nur einer der Daheimgebliebenen vor Wut in den Allerwertesten beißt, und beim nächsten Mal wieder dabei ist, würde mich das mit großer Genugtuung erfüllen.

Martin Schneider, (Artikelliste) 09.12.2001

 

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