Aschaffenburg, Colos-Saal, 29.04.2008 | |
Ein kleines Städtchen im bayerisch-hessischen Grenzland, fränkisch, wenn auch eher der
Main-Metropole Frankfurt, als Würzburg, dem Zentrum Unterfrankens, zugewandt, hat einen Club mit einem
Programmangebot, wie's eigentlich jeder Großstadt gut zu Gesicht stehen würde. Ich rede vom
"Colos-Saal" in Aschaffenburg, aus dem wir schon des Öfteren berichteten. Eine sehr schöne
Location mit viel Ambiente und entspannter Atmosphäre, zivilen Preisen und großer Bühne mit
fest installierter PA und Lightshow.
Etwas mehr als 200 Fans füllten den Colos-Saal knapp zur
Hälfte. Eigentlich überraschend mager. Das zeigt aber auch, wie wenig sich Robin Trower ins
Bewusstsein der Deutschen spielen konnte. Es war auch überwiegend die Ü45-Fraktion der Rock-Fans
angetreten, eben diejenige, welche mit PROCOL HARUM, der Band, die Robin Trower seine ersten Erfolge
bescherte, etwas anzufangen weiß. Wegen David Gogo werden wohl nur ganz wenige gekommen sein und wenn,
dann nur die, die den sympathischen Kanadier zu Beginn des Jahres im Vorprogramm von WISHBONE ASH sahen -
wir berichteten.
Diesmal waren wir im Doppelpack angetreten - auch mal eine schöne Erfahrung, denn
in der virtuellen Welt begegnet man sich viel zu selten persönlich ....und weil's gar so gut hingehauen
hat, drohen wir hiermit weitere Co-Produktionen an ;-)
Nachdem dem erfolglosen Versuch, David Gogo vor der Show kurz zu sprechen, den ich anlässlich eines Interviews kennen lernte, war ich, zugegebenermaßen, etwas angefressen. Aber egal: Als die Scheinwerfer den unprätentiösen Axeslinger auf der Bühne empfingen, stand ich schlagartig wieder unter Strom.
David Gogo wurde von seinen beiden niederländischen Sidekicks an Bass und Drums unterstützt, die bei Shows in Europa immer mit ihm auf der Bühne stehen. Natürlich ist das keine "gewachsene" Band, die eine enge Freundschaft verbindet, weshalb die Bühnenpräsenz der Drei etwas steril wirkte.
Als Eröffnungsnummer hat er diesmal den Louisiana Blues seines großen Vorbildes Muddy Waters gewählt. Ein mörderisch guter Einstieg in den Set - das beste Stück des gesamten Abends, für unseren Geschmack! She's Alright widmete er einem ganz engen Freund, seinem erst kürzlich verstorbenen Landsmann Jeff Healey, wofür er spontan Applaus vom Publikum erntete.
David Gogo ist ein Virtuose auf der Gitarre und es ist geradezu unglaublich, welche Töne er seinem
Instrument zu entlocken vermag. Allerdings übertreibt er den Gitarrenwechsel etwas - zu jedem Song
streift er sich eine andere Axt über und so flacht jedes Mal der Spannungsbogen etwas ab und muss erst
neu aufgebaut werden. Irgendwie assoziiere ich damit spontan die Werbeunterbrechungen, wenn gerade ein
richtig guter Spielfilm im Fernsehen läuft.
Der nächste Track war Just Ask Jesse James vom "Skeleton Key"-Album, eine enorm druckvolle Nummer. Dynamisch starker Gesang und eine wahnwitzige Slide veredeln ihn zusätzlich. Ja, und dann kam wieder der Hoochie Coochie Man und Muddy Waters dürfte von seiner Wolke begeistert auf seinen jungen Zögling geblickt haben. Eine viertel Stunde Gitarrengewitter zu deren Höhepunkt Gogo eine Bierflasche effektvoll leerte, um mit dieser seine alte Fender Strat zu malträtieren. Dann war auch schon Schluss. Eine halbe Stunde ohne Zugabe war einfach zu wenig, wie wir beide übereinstimmend konstatierten. Nach zwei Support-Tourneen wird es höchste Zeit für eine eigene Headliner-Tour. Das Publikum, nicht nur hier in Aschaffenburg, hat den sympathischen Kanadier schon jetzt ins Herz geschlossen.
Umbaupause für Gogos großes Vorbild: Mr. Robin Trower. Die Erwartungshaltung bei uns beiden war natürlich sehr hoch. Schließlich warteten wir auf eine Legende, über die man nun wirklich keine großen Worte mehr verlieren muss. In weit über 40 Jahren Bühnenpräsenz hat Robin Trower einen eigenen, unverwechselbaren Gitarren-Ton entwickelt. Dieser wurzelt tief im Blues, im selben Boden also, der seine Zeitgenossen Jimi Hendrix und Peter Green hervorgebracht hat, mit denen Trower oftmals verglichen wird. Hatten sich in den vergangenen Jahren die kritischen Stimmen über die Qualität seines neuen Songmaterials erhoben, so ließ er zuletzt gemeinsam mit Jack Bruce aufhorchen, als die beiden ihr grandioses "Seven Moons"-Album herausbrachten. Auch der auf DVD veröffentlichte Rockpalast-Gig zu Trowers 61. Geburtstag 2006 ließ kaum Wünsche offen.
Ein älterer, freundlicher und sehr schlanker Herr betrat die Bühne des Colos-Saal unter
frenetischem Jubel seiner Anhängerschaft. Mit Twice Removed From Yesterday aus dem Jahr 1973
begann der Auftritt im wahrsten Sinne des Wortes "krachend". Unglaublich, dass eine, im Original, derart
großartige Nummer, an diesem Abend in einem Dezibel-Gewitter im Schmerzgrenzbereich unterging. Trowers
Mann am Mischpult hatte nicht seinen besten Tag erwischt. Dabei bewies David Gogos Mixer kurz zuvor mit
exquisitem Sound, dass es auch anders geht. Die Lautstärke nahm im Laufe der Show noch zu. Uns, den
beiden Redakteuren, erschien dieser Sound eines Gitarren-Helden wie Robin Trower nicht würdig. Die
zweite Nummer Shame The Devil artete dann geradezu in eine Wah-Wah-Orgie aus, bevor es mit For
Earth Below endlich erstmals ein wenig ruhiger wurde.
Sänger Davey Pattison fiel vor allem
durch Nervosität und Verkrampftheit auf. Seine Stimme kam nicht besonders stark zur Geltung. Das
verstärkte unseren Eindruck, dass sich dieser Mann auf den Brettern da oben nicht wohl fühlte. Er
wirkte regelrecht wie ein Fremdkörper. Zwischen langen Solo-Einlagen und bei Instrumentalsongs
entschwebte er immer wieder in den Backstage-Bereich und wurde, wenigstens von uns, nicht vermisst. Wer
Trower noch mit seinem langjährigen Wegbegleiter James Dewar als Sänger und Bassisten erlebt hat,
kann unsere Enttäuschung vielleicht ein wenig nachvollziehen. Dafür ist der gut gelaunte Bassist
Glenn Letsch, der mit Pattison bereits bei GAMMA spielte, umso cooler und gemeinsam mit Drummer Pete
Thompson der ruhende Pol der Band. Womit wir bei einem weiteren Kritikpunkt wären: Natürlich ist
Robin Trower ohne jeden Zweifel der Star des Abends, wirkt auf der Bühne aber irgendwie isoliert. Eine
"Band" agiert geschlossener. Wirklich schade, zeigte der sympathische Brite an diesem Abend doch große
Spielfreude.
Der erste Tune, durch den die Trommelfelle etwas Entlastung erfuhren, war das traumhafte Islands,
eine Instrumentalnummer. Bridge Of Sights war und ist eine für Trower ganz typische
Slow-Darbietung, über die er mit seiner allseits bekannten rot-weißen Fender Strat unter
Zuhilfenahme einer ganzen Batterie von Effektgeräten, sphärisch-schwebende Töne legte. Es
folgten mit Rise Up Like The Sun und Gonna Be More Suspicious zwei Heavy-Blues-Stücke,
auf Live-Tonträgern umwerfend, aber an diesem Abend ging jedes Feeling im Soundbrei unter. "Hannah",
einer seiner bekanntesten Songs und "Little Bit Of Sympathy", die Trower gerne als "Rausschmeisser" benutzt,
bildeten den Abschluss des regulären Programms.
Die Zugabe eröffneten Trower und seine Mannen
mit Too Rolling Stoned, dem ersten Abfetzer des Abends, der diese Bezeichnung auch verdiente, der
nahtlos in Go My Way überging. Bei dieser Gelegenheit taute dann sogar Davey Pattison etwas auf
und ließ zumindest ansatzweise Spaß an der Arbeit erkennen. So forderte er die Zuschauer zum
Mitklatschen auf. Auf der Set-List waren noch Another Time Another Place als weitere Zugabe
vorgesehen, doch Robin Trower ließ sich, trotz frenetischer Anfeuerung durch das Publikum, leider
nicht zum Weiterspielen bewegen. Deshalb ging schon nach knappen 100 Minuten das Saallicht wieder an.
Die Darbietungen von Robin Trower und David Gogo hinterlassen zwiespältige Eindrücke. Waren unsere Erwartungen zu hoch, oder sind wir inzwischen einfach nur überkritisch geworden? Nach hunderten von Konzertbesuchen, haut einen so leicht nichts mehr aus den Socken. Viele der Anwesenden brachen in Begeisterungsstürme aus und man muss sich gelegentlich dann doch fragen, was die Leute bereit sind, ohne Widerspruch hinzunehmen. Unser Fazit lautet: Der Gewinner dieses Abends heißt letztendlich eindeutig David Gogo.