Gerry McAvoy
Riding Shotgun, SPG Triumph, 2005
ISBN: 0955032008
Umfang: 384 Seiten
Preis: £ 18.99 zzgl. Versandkosten

"Riding Shotgun" von Gerry McAvoy darf man sicher nicht mit dem Ansatz begegnen, literarisch Anspruchsvolles für sich zu entdecken. Gerry spricht die Sprache des einfachen irischen Mannes, der es geschafft hat, seinen Traum zu leben: Ein Leben als Profimusiker mit all seinen Höhen und Tiefen. Ein Musiker-Leben neben und mit einem der grössten Blues-Rock-Gitarristen der Welt, Rory Gallagher.
Dass dieses Buch, zumindest bislang, nur in englischer Edition erschien, erweist sich allerdings für den deutschen Leser als nicht allzu grosse Hürde, denn wie bereits erwähnt, redet McAvoy frei von der Leber weg. Und wenn dem geneigten Leser auch die eine oder andere Vokabel unbekannt bleibt, so hält man mit seinem ordentlichen Oberstufen-Schul-Englisch genügend Kontakt, um mehr als nur einen roten Faden zu verfolgen. Jeder Interessierte sollte sich zumindest vor dem Kauf des Buches eine Leseprobe auf der "Riding Shotgun"-Site gönnen, um abzuwägen, ob sich eine Anschaffung lohnt.

Da ich nun nicht gerade als Leseratte verschrien bin, darf es durchaus als Indikator für die Spannung des Buches gelten, dieses 320-Seiten-Werk innerhalb von vier Tagen gelesen zu haben. Als alter Rory Gallagher-Fan, der als Zwölfjähriger ein feuriges und hochintensives Messin' with the kid in einer TV-Sendung sah und sich fortan mit dem Gallagher-Virus infiziert sah, ist es tatsächlich eine wahre Freude insbesonders über die Anfänge der Gallagher-Band 1970 zu lesen.
Wie ein grad mal 19jähriger Gerry McAvoy, vom damals schon mit seiner Band TASTE zum Superstar avancierten Rory, per Telefonanruf zu den Sessions der ersten Gallagher-Solo-LP eingeladen wird und sich über den Zeitraum von zwanzig Jahren vom anfänglichen blossen Angestelltendasein mit einem wöchentlichen Salär von 40 Pfund, eine enge musikalische Beziehung bzw. auch eine Art Freundschaft auf zwischenmenschlicher Ebene entwickelt.

Gerry beleuchtet die Jahre des unaufhaltsamen Aufstiegs der Gallagher-Band bis zum Superstardom mit all seinen wahnwitzigen, erfreulichen und traurigen Auswüchsen, erzählt über ausschweifende Parties und Alkoholexzesse, über Zeiten in denen die Band aufgrund eines irrsinnigen Tourplanes am Rande der Erschöpfung daherkroch, wie sich der fortwährende Teufelskreis aus Album-Tour-Album-Eintönigkeit allmählich wie ein Würgegriff um die Stimmung der Band legt und trotz des immensen Erfolges eine gewisse Ausweglosigkeit und Ratlosigkeit bei allen Bandmitgliedern offenbart.
McAvoy reichert all dies mit zahlreichen, teilweise recht witzigen und haarsträubenden Anekdoten an, die immer wieder auch den sprichwörtlichen Sex & Drugs & Rock'n'Roll-Lifestyle der frühen und mittleren Siebziger Jahre portraitiert und den Leser hautnah an einem rasanten und interessanten Leben teilhaben lässt.

Erstaunlich auch, wie verschlossen, hochgradig schüchtern und beizeiten auch merkwürdig Rory in der Rückschau erscheint, wie er kaum jemanden richtig nah an sich heranlässt, wie er von Frauen umschwärmt und angehimmelt wird und nie eine feste Beziehung aufbauen konnnte, wie er in bestimmten Situationen den Boss herauskehrt, um seine musikalischen Visionen umzusetzen, wie er Zeit seiner Karriere die Kollegen McAvoy, Campbell, de'Ath, Martin, McKenna und O'Neill mit einem Wochenverdienst abspeist, der gemessen an seinem Einkommen (bei mehr als 30 Millionen verkaufter Tonträger) sich als eher bescheiden erweist.
Wie er letzten Endes dem Tabletten-und Alkoholabusus verfällt, teilweise als Schatten seiner selbst auf der Bühne umherwandelt und sich schliesslich vor lauter Einsamkeit in seinem Londoner Hotelzimmer verbarrikadiert und monatelang nicht vor die Türe geht, und aus falscher Scham, horrender Dickköpfigkeit oder auch massloser Angst niemanden um Hilfe bittet, bis ihn endlich sein Bruder Donal ins Krankenhaus zwingt, um sich der Lebertransplantation zu unterziehen, die ihm möglicherweise, wenn ihm das Schicksal gnädiger gewesen wäre, das Leben hätte retten können. Traurig, traurig, traurig.

Gerry McAvoy gewährt uns einen offenherzigen Einblick in sein rasantes Leben mit Rory Gallagher und beleuchtet natürlich auch die etwas weniger brisanten, aber von neuer Aufbruchsstimmung begleiteten Jahre mit seiner Formation NINE BELOW ZERO.
Gerry erweist sich in seiner Eigendarstellung als genau der Kumpel, Sympath und loyale Gefolgsmann, als der er sich stets nach aussen zeigte. McAvoy zeigt sich direkt und unverstellt, redet wie ihm der Schnabel gewachsen ist und hinterlässt mit diesem Buch für Tausende von Fans einen würdigen und lange vermissten Rückblick auf einen der intensivsten und schillerndsten Live-Acts der 70's, die Rory Gallagher Band.
Dieses Buch musste zu Ehren und Andenken Gallaghers geschrieben werden und wer wäre prädestinierter als Gerry himself. Thank you, mate.

Frank Ipach, 21.08.2005

 

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