Steven Wilson

Saarbrücken, Garage, 06.05.2012

( English translation by Google Translation by Google )

Konzertbericht

Reviewdatum: 12.05.2012
Stil: Progressive Rock

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Redakteur(e):

Marc Langels


Steven Wilson,
Saarbrücken, Garage, 06.05.2012

Fällt das hier wirklich noch unter die Kategorie „Konzertbericht“? Denn das, was Steven Wilson an diesem Abend in der Saarbrücker Garage bietet, gehört eher in den Bereich "audio-visuelle Performance" oder aber "Gesamtkunstwerk". Die Bühne ist zu Beginn des Konzerts komplett hinter einem Vorhang verhüllt, auf den die Bilder aus den Booklets und den Videos von Wilson projiziert werden.

Wie bei Steven Wilson nicht anders zu erwarten hat dieser Auftritt etwas Surreales, denn der semi-transparente Vorhang verhüllt dann auch während des Konzerts die ersten knapp 30 Minuten den Blick auf die Bühne, so dass je nach Projektion die Musiker mehr als Schemen wahrzunehmen sind. Zusammen mit der Musik, die live einen noch experimentelleren Anstrich erhält, wirkt die Inszenierung wie ein Progressive/Jazz/Kunst-Happening aus den 1960er Jahren. Dabei erinnert es mich streckenweise an die Art und Weise, wie auch TOOL oder NINE INCH NAILS ihre Auftritte präsentieren.

Zu diesem Eindruck trägt natürlich auch die Person Steven Wilson bei, der vom schüchternen Charme, der spröden Ausstrahlung, der total unprätentiösen Anti-Rock-Star-Kleidung (T-Shirt mit der Botschaft „Art is truth“) und dem Auftreten (barfuss) etwas von einem (und ich meine das durch und durch positiv) nerdigen Kunst-Studenten hat. Ihm geht es nicht darum, wie ER auf andere wirkt, sondern einzig und alleine darum, wie seine MUSIK auf die Hörer wirkt. Und deren Tiefenwirkung kann man nur als intensiv bezeichnen.

Begleitet wird Wilson auf dieser Tournee von einer handverlesenen Musikerschar, die zur Crème de la Crème der Szene gehört: an den Keyboards der amerikanische Jazz- und Fusionmusiker Adam Holzman (der unter anderem schon für Miles Davis, Wayne Shorter, Chaka Khan und Robben Ford aktiv war), der Schlagzeuger Marco Minnemann (unter anderem FREAKY FUKIN WEIRDOZ, H-BLOCKX, Terry Bozzio), den Saxophonisten und Flötisten Theo Travis (der schon mit Robert Fripp, THE TANGENT und NO MAN gearbeitet hat), sowie die bisher etwas weniger bekannten Niko Tsonev an der Gitarre und Bassist Nick Briggs – die ihren bekannteren Kompagnons aber in kaum etwas nachstehen außer dem Bekanntheitsgrad.

Die Musiker zeigen ihr jeweiliges Können an diesem Abend, ohne dafür wie andere ausgedehnte Solo-Spots zu benötigen. Sie bringen das alles vielmehr in den Songs unter, die teilweise sehr verschachtelt und ungemein abwechslungsreich sind. Dabei fordern die Kompositionen den Hörer, vereinzelt sogar bis an den Rand der Aufnahmefähigkeit. Zum Glück ist der Klang an diesem Abend wirklich sehr gut, so dass man die Instrumenten wunderbar differenziert wahrnimmt - was bei der Komplexität wirklich essentiell ist, würde ansonsten doch alles wie ein Brei daherkommen. Zudem bilden die Bilder und Video-Projektionen noch eine zusätzliche sinnliche Ebene, die die Musik befrachtet – und vielleicht manchmal überfrachtet.

Dabei sorgt Minnemann an seinem Schlagzeug für deutlich mehr Druck, als dies auf den Platten die Vorgabe wäre. Dabei kommen die härter rockenden Passagen der Stücke auch deutlich besser an. Diese sorgen für Bewegung, des ansonsten recht statisch wirkenden Publikums. Aber auch die Band ist nicht in Bewegungs-Stimmung. Außer Wilson, der sich immer wieder in der Mitte der Bühne bewegt, verharren die restlichen Musiker das ganze Konzert über an ihren Plätzen.

Die rund 500 Zuschauer an diesem Abend stört das überhaupt nicht. Sie interessiert vor allen Dingen die individuelle spielerische Klasse der Musiker und die ist unbestritten hoch. Während sich dort musikalisch eine Ebene auf die nächste setzt, meint man manchmal, man würde eine Stecknadel – so sie denn just nun fallen würde – auch tatsächlich wahrnehmen können. So vertieft sind sowohl die Zuschauer als auch die Band in die Darbietung.

Wilson betreibt zunächst auch kaum Interaktion mit dem Publikum, erst zur Mitte des rund 112 minütigen Sets wird er etwas kommunikativer und erklärt, dass dieses Mal bewusst Spielorte ausgewählt wurden, die auf der Tournee Ende des letzten Jahres nicht dabei waren, weil man den Leuten nicht zwei Mal die gleiche Show bieten wolle. Er nutzt zudem die Möglichkeit und kündigt bereits ein weiteres Solo-Album mit exakt diesen Musikern als Band an, aus dem sie sogar eine erste Kostprobe namens Luminol bieten. Dabei handelt es sich wenig wundernswert um einen langen und progressiven Song, der Wilson zu der Frage verleitet, wer es im Publikum progressiv mag. Anschließend fordert er noch alle, die keinen Prog mögen dazu auf, zu gehen und hat natürlich die Lacher auf seiner Seite. Aber diese Ankündigung dürfte die Befürchtungen vieler PORCUPINE TREE-Anhänger bestätigen, dass die Band zumindest einmal vorerst auf Eis gelegt ist.

Anschließend liefert Wilson mit Raider II sein bisher längsten Solo-Stück, das er als Hommage an die Großen des Progressive Rock wie etwa KING CRIMSON, VAN DER GRAAF GENERATOR oder MAGMA vorstellt. Dabei erklärt er auch, dass aus seiner Sicht diese Bands die düstersten Songs aller Zeiten geschrieben haben und keine Metal Band – und das Stücke hat dann auch einige düstere Passagen zu bieten.

Am Schluss von Raider II verbeugt sich Wilson und verlässt die Bühne, während die anderen noch weiterspielen. Dann folgen ihm Holzman, Travis und Tsonev, bevor Briggs und Minnemann das Konzert gemeinsam beenden. Allerdings dauert es nur gefühlte 90 Sekunden, bevor die Musiker die Bühne wieder betreten und dann mit Get What You Deserve endgültig beenden. Vielleicht ist dieser Titel auch die perfekte Zusammenfassung für diesen Abend: die Zuschauer haben bekommen, was sie verdienen. Knapp zwei Stunden hoschspannende, intensive Musik auf Weltklasse-Niveau, dargeboten von Musikern, die der Herausforderung gerecht werden. Es dürfte schwer werden, diesen Parforce-Ritt der Sinne (für Auge und Ohr) so schnell aus dem Gedächtnis zu verbannen.

Vielen Dank an Heiko Renno von der Garage für die Akkreditierung.

Marc Langels, 06.05.2012

 

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