Styx

Venice

Stuttgart, Kongresscentrum B, 25.10.2000

( English translation by Google Translation by Google )

Konzertbericht

Reviewdatum: 25.10.2000

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Redakteur(e):

Martin Schneider


Stuttgart, Kongresszentrum B, 25.10.2000

STYX Setlist:
Everything is cool, The grand illusion, Blue collar man, Lorelei, Lady, Brave new world, Snowblind, Edge of the century / Mr. Roboto, Sing for the day, Fooling yourself, Half penny - two penny, Tommy Shaw Guitar solo*, Lights*, Sometimes love just ain't enough*, Boat on the river*, The best of times*, King Chanticleer (Lawrence Gowan Keyboard solo), Love is the ritual / Helter skelter, Crystal ball, Miss America, Too much time on my hands, Come sail away, Tush, Renegade, Brave new world reprise (from tape)
* acoustic

19 Jahre ist es her, dass STYX letztmals auf deutschen Bühnen zu sehen waren. Vor 19 Jahren war die Band kommerziell auf der Höhe, aber kreativ schon auf dem absteigenden Ast und überhaupt 1981 war ich 17 und die Helden waren damals IRON MAIDEN, SAXON, DEF LEPPARD und JUDAS PRIEST. STYX interessierten allenfalls am Rande und so war diese Show meine erste livehaftige Begegnung mit der Band.

STYX eröffneten die 'Return to the brave new world'-Tour mit Everything is cool, einer straighten Rocknummer des aktuellen Albums und obwohl der durchschnittliche Besucher der Show offensichtlich mit STYX gereift war, herrschte sofort eine Bombenstimmung. Allerdings wurde auch sofort klar, daß es unter optischen Gesichtspunkten eher eine spartanische Show werden würde.
Im Laufe des Abends glich die Band dieses Manko allerdings durch einen ungezügelten Bewegungsdrang aus. Ständige Positionswechsel machten alleine schon deshalb Sinn, da ja quasi vier Leadsänger auf der Bühne standen. Einziger Gimmick: Das Keyboard von Dennis De Young Nachfolger Lawrence Gowan konnte um die eigene Achse rotieren.

Konzentrieren wir uns also auf die musikalische Darbietung, und die hatte es in sich. The grand illusion kam sehr heavy herüber, wobei STYX Härte vornehmlich durch Dynamik, dem druckvollen Drumming von Todd Sucherman und einer geballten Ladung Bombast erzeugen und darin unbestrittene Meister des Fachs sind. Das kam an beim Publikum und James Young stellte fest 'You guys are here to rock!' um mit Blue collar man gleich noch einen Kracher nachzulegen. Die offizielle Begrüßung des Publikums erfolgte durch Tommy Shaw in Deutsch. Respekt, denn wie sich im Laufe des Abends herausstellte spricht Tommy Shaw ganz passabel deutsch, zumindest gehen seine Sprachkenntnisse über die Standardfloskeln, die man auf der Bühne so brauchen könnte, weit hinaus.
Basser Glen Burtnik, den ich als Solokünstler und Songwriter sehr schätze, betonte ebenfalls ganz stolz, dass seine Familie und er aus Bad Cannstatt stammen.

Lorelei war für mich der erste Song des Abends, den ich nicht im Set erwartet hatte, und da sollten noch einige folgen. Doch zunächst war mit Lady die älteste Nummer, die sich noch im Programm befindet an der Reihe. Eine starke Version, etwas umarrangiert und vor allem sehr druckvoll gespielt, damit sich der Song zumindest zum gemäßigten Headbangen noch eignet.
Nach dem atmoshärisch-düsteren Brave new world, dem eher überflüssigen Snowblind und einem von Samples durchsetzten und von Glen Burtnik gesungenen Edge of the century, in das geschickt einige Minuten von Mr. Roboto einflossen, präsentierte die Band Sing for the day vom 78er-Album "Pieces of eight", das scheinbar erstmals in der Bandgeschichte auf dieser Europatour im Liveset berücksichtigt wurde. Die Nummer hatte ich seit Ewigkeiten nicht mehr gehört und mir war gar nicht bewusst, wie nahe sich STYX damit an YES anlehnen.
Auch mit Half penny - two penny hatte ich nie gerechnet, zumal mir der Song in der Studioversion gar nicht gefällt. Live kam er aber genial, vor allem, wenn die Gitarren dermaßen heftig den Zuhörer eine überbraten.

Danach traf einen die Vollbremsung um so härter, denn ein akustisches Gitarrensolo von Tommy Shaw, was noch recht gut rüberkam, leitete den gemütlichen Teil des Abends, sprich einen Akustikset, ein.
Lights kam gut, wenngleich ich die Nummer lieber elektrisch gehört hätte, gefolgt von Sometimes love just ain't enough, eine Glen Burtnik-Komposition, mit der Don Henley und Patty Smyth vor einigen Jahren einen Nummer 1-Hit hatten. Okay, der Song ist ganz nett, aber eigentlich haben STYX genug eigenes Material, das so eine knapp überdurchschnittliche Ballade locker hinwegfegt. Und wenn wir schon bei den Nummer 1-Hits sind drängt sich das unvermeidliche Boat on the river, dazu noch in einer ewig langen Version, auf. Der Masse des Publikums gefiel es und die Stimmung war am Überkochen, während mir das folgende Best of times die Galle hochkommen lies. Das war jetzt einfach eine Akustiknummer zuviel und nervte nur noch. Ich dachte: 'You guys are here to rock!'
In der Phase der Show mutierte ich zum Kettenraucher, denn was will man bei so musikalischem Unfug denn anders machen als eine (nach der anderen) zu rauchen und darauf zu warten, dass es endlich vorbei ist, wenn man seinen Platz in zweiter, dritter Reihe nicht für ein weiteres Bier opfern will? Jetzt noch Babe oder Don't let it end und die Bildzeitung hätte eine klasse Schlagzeile über einen Amoklauf gehabt. Aber die Band hatte ein Einsehen. Das Keyboardsolo von Lawrence Gowan galt es zwar noch zu überstehen, aber der gute Junge hämmerte einfach einen schmissigen Ragtime in seine Tasten, was ganz witzig war.

Was nun folgte, hatte ich noch nie bei einem Konzert erlebt. STYX stiegen unvermittelt und recht heftig mit Love is the ritual wieder ins Programm ein und das Publikum, das eben noch begeistert war, machte den Eindruck als hätte man ihm einen Tiefschlag verpasst, sperrte alle verfügbaren Löcher auf und starrte ungläubig zur Bühne. Alle? Nicht alle, denn es gab außer mir einige Unentwegte, darunter PRIMAL FEAR-Drummer Klaus Sperling, die froh waren, dass es endlich wieder Musik zu hören gab und extatisch ausrasteten, was einem weitere verständnislose Blicke einbrachte. Bis zum Ende des Songs, in den Helter skelter, der wohl überzeugenste Titel der BEATLES, miteingebunden wurde, hatte sich das Entsetzen weitestgehend gelegt und die Party konnte gemeinsam weitergehen.
Eine gigantische Version von Crystal ball, noch einmal einen Nackenbrecher mit Miss America (Ja, Ralf, ich hab für dich mitgebangt), und dank dem Publikum, das geschlossen an den richtigen Stellen im Refrain mitklatschte, ein sehr starkes Too much time on my hands bildeten das Finale, das mit Come sail away seinen würdigen Höhepunkt und Abschluss fand.
Spätestens jetzt überzeugte Lawrence Gowan auch den letzten Zweifler, dass er ein mehr als vollwertiger Ersatz für Dennis De Young ist.

Nach kurzer Pause folgte als erste Zugabe nicht (!!!) Rockin' the paradise oder Great white hope, sondern Tush. Auch diese Entscheidung konnte ich nur mit einem Kopfschütteln quittieren, aber in horizontaler Richtung. Der Song ist okay und fetzt, aber man sollte doch erst mal die Hausaufgaben machen und das eigene Material bevorzugen, zumal ich immer noch vier, fünf Nummern schmerzlich vermisste.
Nach Renegade war dann leider Schluss im Schacht, wobei ich diesen Song trotz seiner Beliebtheit bei den Fans eher in der Mitte des Konzerts platziert hätte. Nach zwei Stunden Spielzeit kamen die doch recht anspruchsvollen und anstrengenden Gesangslinien nun nicht mehr 100%ig perfekt. Brave new world reprise kam bereits von Band, STYX verabschiedeten sich ausgiebig von schätzungsweise 1.800 begeisterten Personen, badeten zirka 5 Minuten im Applaus und versprachen, dass sie Europa nicht noch mal 19 Jahre links liegen lassen würden.
Und das war es jetzt? Wo war die STYX-Nummer schlechthin: Suite Madam Blue? Es kann doch nicht sein, dass man solch einen Song irgendwelchen halbgaren Coverversionen und einem strunzlangweiligen Akustikset opfert? Scheinbar schon! Und obwohl es über weite Strecken ein gigantisches Konzert war, blieb ein fader Nachgeschmack auf dem Nachhauseweg. Was sie gespielt haben war größtenteils genial, nur was sie nicht gespielt haben...

Ach ja, VENICE haben auch noch gespielt. Die Band war mir bislang kein Begriff und, warum auch immer, erwartete ich von denen 08/15 Bavarian Melodic Rock, so BONFIRE, VICE, FAIR WARNING für Arme... aber man hörte und staunte, VENICE kommen aus Kalifornien und boten 08/15-Westcoast. Gut, das war ein Scherz. Westcoast geht in Ordnung, aber ich fand die recht gut. Auch VENICE operierten mit vier Leadsängern, die aber meist zeitgleich agierten. Musikalisch würde ich die Band Richtung AMERICA oder ruhige DOOBIE BROTHERS einordnen, allerdings haarscharf an der Grenze um noch als Rockband durchzugehen. Die Songs waren angenehm und dezent, aber sie rockten einfach nicht, es sei denn der Leadgitarrist setzte so einem Solo an.
Der Gedanke, der sich bei mir am intensivsten festsetzte war: Das ist Sommermusik. Oder besser '6er-im-Lotto'-Musik. Wenn man gut drauf ist, dann gehen einem VENICE runter wie Öl, ist man es nicht, dann tritt man nach dem zweiten Song die Boxen kaputt. Das Publikum aber hatte überwiegend gute Laune und feierte VENICE dermaßen ab, daß sich die Musiker auf der Bühne sichtlich beeindruckt zeigten.

Martin Schneider, 26.10.2000

 

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