Stuttgart, LKA, 06.10.2002

PRIMAL FEAR und RAGE gemeinsam auf großer Europatournee, und das auch noch mit zwei phantastischen Alben im Handgepäck, zählen doch "Unity" und "Black sun" zu den absoluten Highlights des Jahres. Musste das nicht zwangsläufig auch die Heavy-Metal-Tournee des Jahres werden?

Logo Rage

Setlist: All I want, Paint the devil on the wall, Insanity, Down, Set this world on fire, Straight to hell, Unity, Mike Terrana Drum Solo, From the cradle to the grave, Viktor Smolski Guitar solo, Dies Irae, Don't fear the winter, Higher than the sky

PRIMAL FEAR hatten großen Anteil am perfekten Gelingen des Abends, indem sie ihrem Opener RAGE Bedingungen einräumen, die denen eines Headliners durchaus würdig gewesen wären. So verfügten Peavy und seine Mitstreiter über eine ansprechende Lightshow, die keinerlei Parallelen zu der des Headliners aufwies, selbstverständlich über einen ordentlichen Sound und mit fünfundsiebzig Minuten über eine mehr als üppig bemessene Spielzeit.

Im Nachhinein betrachtet, hätte man RAGE ruhig fünfzehn Minuten davon abziehen können. Da entwickelt die Band die Instrumentalnummer Unity, die durchaus mit vergleichbaren Werken von RUSH konkurrieren kann, um sich auf der Bühne solistisch austoben zu können, was an sich eine hervorragende Idee ist. Keine so gute Idee ist es aber dann, zusätzlich noch elendig lange Soli von Gitarrist Viktor Smolski und Schlagzeuger Mike Terrana, dem Fleisch gewordenen Duracell-Hasen, in die Show mit einzubauen.

Leute, mittlerweile wissen wir doch alle, dass ihr hervorragende Musiker seid. Hättet ihr statt dessen doch lieber drei Songs mehr gespielt... und mal ehrlich: Bei aller Finesse, so unterhaltsam war das Geschepper und Geschrubbe nun auch nicht, wenn man Mikes Frank-Sinatra-Einlage und die witzige Huldigung von PRIMAL FEAR-Kollege Klaus Sperling mal außen vor lässt.

So blieben aber immer noch sechzig Minuten, in denen RAGE eine verdammt überzeugende Vorstellung ablieferten. Mit Mike Terrana und Viktor Smolski wurde eine neue Ära in der RAGE-Geschichte eingeläutet, was sich auch mehr als deutlich in der Setlist niederschlug. Den Schwerpunkt ganz klar auf das "Unity"-Material ausgerichtet, blieb am Ende gerade mal noch Zeit für zwei Klassiker in Form von Don't fear the winter und Higher than the sky. Doch diese Mischung kam beim Publikum hervorragend an, die RAGE amtlicher als so manchen Headliner abfeierten. Gerade die auf "Unity" gepflegte, etwas düstere Grundstimmung, die vor allem bei Dies Irae, aber auch bei From the cradle to the grave von XIII besonders gut zum Tragen kam, steht RAGE hervorragend zu Gesicht und verleiht der Band eine gewisse Einzigartigkeit in der aktuellen Heavy Metal-Szene.

Logo Primal Fear

Setlist: Chainbreaker, Black sun, Church of blood, Mind control, Running in the dust, Henny Wolter Guitar solo, Under your spell, Silver and gold, Eye of the eagle, Nuclear fire, Stefan Leibing Guitar solo, Fear, Tears of rage, Armageddon, Band introduction, Final embrace, Angel in black, Living for Metal, Medley: One with the world/Satisfied/Born to rock/Metal gods, Batallions of hate

Keine leichte Aufgabe für PRIMAL FEAR diesen Auftritt noch zu toppen, aber bei einem Heimspiel zum Abschluss der Tournee lässt man sich natürlich nicht mehr die Butter vom Brot nehmen. Schon gar nicht, wenn man die Show für die kommende DVD mitschneidet.

PRIMAL FEAR legten mit Chainbreaker los wie die Feuerwehr und überraschten bereits während der ersten drei Songs durch eine sehr variable Lightshow. So was freut natürlich die Jungs und Mädels im Fotograben. Wenn jetzt beim nächsten Mal auch noch Klaus für ein paar Fotos kurz an den Bühnenrand kommen könnte...

Spaß beiseite. Im Gegensatz zu RAGE wurde dem aktuellen Album "Black sun" im Laufe der Show nicht die erwartet dominante Rolle zuteil. Vier Songs gab es vom aktuellen Werk zu hören, ergänzt durch eine ausgewogene Mischung aus den restlichen drei Alben der Band. Da wird einem dann erst einmal so richtig bewusst, wie viele großartige Songs PRIMAL FEAR in relativ kurzer Zeit geschaffen haben, und dabei blieben einige echte Kracher sogar noch außen vor.

Dennoch war die Setlist über alle Zweifel erhaben. Als Ergebnis der von Nuclear Blast vor der Tour durchgeführte Umfrage, welche Songs unbedingt gespielt werden sollen, befand sich zum ersten Mal das hymnische Living for Metal im Set. Besonders erfreulich eine weitere Premiere: Erstmals war auch das von mir stets schmerzlich vermisste Tears of rage im Programm.

Ich habe die Band nun ja schon einige Male gesehen, aber nie zuvor in solch bestechender Form. Ralf Scheepers, dieses Mal stimmlich in einer großartigen Verfassung, in der ihm nur ganz wenige Heavy Metal-Shouter das Wasser reichen können. Stefan Leibing und Henny Wolter beseelt von unbändiger Spielfreude rockten sich die Seele aus dem Leib. Mat Sinner: Stark und routiniert in seiner Funktion als zweiter Frontman und Blickfang. Dazu Klaus Sperling als unermüdlicher Antreiber hinter seinen Drums. Vor allem aber präsentierte sich die Band als perfekt harmonierende Einheit und bot eine Heavy Metal-Show der Extraklasse.

Kleinere Abstriche musste man dann bei den Zugaben machen, weil die sich doch sehr in die Länge zogen, bis jeder an der Tour irgendwie Beteiligte sich seinen wohlverdienten Applaus abgeholt hatte. Dafür entschädigte das Medley mit Songs von den ehemaligen Bands der aktuellen PRIMAL FEAR-Besetzung ergänzt um den JUDAS PRIEST-Klassiker Metal gods. Geniale Idee, nur wo war der PROLO POWER-Song? Der Mäddl man, Aldi Schnaps oder Wir saufen uns die Hucke voll wären doch wirklich geil gekommen.

Trotzdem, wer an dem Abend nach den beiden mehr als gelungenen Shows von RAGE und PRIMAL FEAR enttäuscht die Halle verließ, dem ist wohl wirklich nicht mehr zu helfen. Dieses Package hat Metal-Geschichte geschrieben und wird mir genau so in Erinnerung bleiben wie die legendäre 81er-Tour von JUDAS PRIEST mit SAXON.

Besonderer Dank an Jaap Wagemaker von Nuclear Blast

Martin Schneider, 18.10.2002

 

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