Titel |
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01. Bit By Bit |
02. Encoded At Heart |
03. Start Of Your Life |
04. Unleashed Power |
05. Trust In Yourself |
06. On My Odyssey |
07. Part Of Me |
08. Worlds Apart |
09. Go Viral |
10. Not A Goodbye |
Musiker | Instrument |
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Marco Glühmann | Vocals |
Matthias Harder | Drums |
Sebastian Harnack | Bass |
Volker Söhl | Keyboards |
Gast: | |
Jonathan Back | Guitar |
Zunächst muss ich gestehen, dass ich die seit 1998 bestehende Band SYLVAN erst im Jahr 2010 auf dem Night Of The Prog Festival, Loreley, kennen- und schätzen lernte. Dort traten sie neben Größen wie GAZPACHO, THE ENID, GALAHAD und den Platzhirschen MARILLION auf. Spätnachts, nach der Veranstaltung an der Biertheke bekam ich noch einige Gesprächsfetzen zweier aus Kanada angereister Progfans mit. Was mich nachhaltig beeindruckte war, dass sie sich trotz der vielen anwesenden Topbands fast ausschließlich über SYLVAN unterhielten. Bislang wohl auch für diese beiden Musikbegeisterten eine Neuentdeckung, schienen sie hin und weg und voll des Lobes für diese „fantastic German Band“. Das nenne ich Musikbotschafter, ausgehend davon, dass sie ihre Eindrücke zu Hause verbreiten werden.
Seit diesem Auftritt sind zwölf Jahre vergangen und zwei weitere Alben („Sceneries“ / 2012, „Home“ /2015) erschienen. Während SYLVAN neue Scheiben bislang also alle zwei bis drei Jahre herausbrachte, musste die Fangemeinde auf deren neuestes Werk gute sechs Jahre warten. Nun kehrt die Band mit ihrem neuen Album „One to Zero“, welches am 28. Mai über Gentle Art of Music veröffentlicht wird, zurück.
Produziert wurde das Album von Kalle Wallner und Yogi Lang (RPWL) in den Farm Studios in Freising / Bayern. ONE TO ZERO wird als Doppel-Vinyl-Gatefold (je 180 g mit Download-Code), CD-Digipak sowie im Streaming- und Digitalformat veröffentlicht.
In den Titel eines Albums kann vieles hineininterpretiert werden. „One To Zero“ würde ich, entsprechend der Songs und dem Inhalt des Albums, als „Nullen und Einsen“, wie sie in der Computersprache gebraucht werden, interpretieren. SYLVANs Heimat, „Gentle Art Of Music“, interpretiert es eher als „eine Reise durch zehn Songs" oder auch „vom ersten zum zehnten Album“. Dem soll hier jedoch nicht zu viel Gewicht beigemessen werden.
Nach 23 Bandjahren und zehn Veröffentlichungen kann es eine Gratwanderung sein, neue Elemente in ein neues Werk zu integrieren, ohne die alte Fangemeinde vor den Kopf zu stoßen. So fragte ich mich wie bei jeder meiner favorisierten Bands, die lange am Markt sind und viele Alben vorlegen: Kann der hohe Standard der vorherigen Werke gehalten werden? Hier eindeutig: Ja! Dies ist eine Rückkehr, die es in sich hat – handelt es sich doch um ein Konzeptalbum voll emotionaler Melodien, Texte und Vocals, wie sie bereits von Alben wie „Posthumous Silence“, „Home“ oder „Sceneries“ bekannt sind. Im Laufe ihres 20-jährigen Bestehens ist das hier vorgestellte Werk das zehnte Album der Hamburger Prog-/Artrockband. In den zehn Tracks des Albums geht es um das Verhältnis des Menschen zur künstlichen Intelligenz, dem Versuch, diese zu akzeptieren und zu verstehen bis hin zu deren Zerstörung und Neustart. Ein neuer Zyklus beginnt, mit neuen Entscheidungen, neuem Verständnis und vielleicht der endgültigen Akzeptanz. Die Band selber beschreibt es als eine "Autobiographie einer künstlichen Intelligenz aus ihrer eigenen Perspektive". Passend zur Geschichte des Albums ist diese Scheibe etwas „elektronischer“ und auch härter als dessen Vorgänger, ohne jedoch an Wärme und Emotionen einzubüßen.
Bit By Bit eröffnet das Album mit elektronischen Geräuschen, ein Computer scheint „hochzufahren“. Darüber wird ein fast himmlischer Keyboardsound gelegt, bis die komplette Band kraftvoll mit allen Instrumenten einsteigt. Flüsternd singt Marco Glühmann „Initialize, to begin. Magnetize. Assemble it. Piece by piece. Bit by bit …“, langsam entwickelt sich der Song, gemäßigte Power wechselt mit energiegeladenen Gitarrensoli, bis der Song wieder mit elektronischen Computergeräuschen endet und in das gefühlvolle Encoded At Heart übergeht. Das Stück ist melodischer und gefühlvoller als der Opener, Glühmann spielt mit seiner Stimme auf der ganzen emotionalen Klaviatur.
Kraftvoll, hart und metallisch geht es mit Start Of Your Life in den dritten Song. Drums und Bass legen den Rhythmus fest, sägende Gitarrenläufe und Glühmanns schneller Gesang treiben das Stück voran. Ganz abrupt endet es nach nur 3:14 Minuten und geht unvermittelt in das leicht schwermütige, von Klaviertönen und Glühmanns Stimme getragene Unleashed Power über. Der mal flüsternde, dann wieder in grandiose Höhen wechselnde Gesang erinnert mich direkt an das Album „Posthumous Silence“. Ein phantastischer Song, ich glaube, dies wird auch nach mehrmaligem Hören des Albums einer meiner Favoriten bleiben. Ich liebe es einfach, wenn eine leichte Melancholie über einem Song schwebt.
Etwas ungewohnt für SYLVAN ist auf diesem Longplayer die Kürze der Songs. Während die meisten Stücke sich bei einer Spieldauer von drei bis sieben Minuten einpendeln, sind mit Part Of Me / 09:16 und Not A Goodbye / 10:14 lediglich zwei echte Longtracks vorhanden. Dies jedoch fällt insofern kaum ins Gewicht, als dass die meisten Songs nahtlos ineinander übergehen und der Wechsel manchmal kaum bemerkt wird. Der Longtrack Part Of Me ist ein weiterer meiner Favoriten auf diesem Album. Wunderschöne Klavierparts, luftige Keyboardpassagen, gefühlvolles Saitenspiel und immer wieder diese emotionsgeladene Stimme machen diesen Song zu einem weiteren kleinen Highlight des Werkes.
Mit Go Viral, dem vorletzten Track, ist auf dem Album die bislang erste Singleauskopplung vertreten. Eine gute Wahl, wie ich finde. Voller Power stampft der Song voran und lässt kaum Luft zum Atmen. Während er für meinen Geschmack ruhig die 10-Minutenmarke knacken dürfte, läuft er auf dem Album nicht ganz sieben Minuten und wurde für die Singleversion sogar auf nur vier radiotaugliche Minuten gestutzt.
Der längste Track des Albums schließt es gleichsam ab. Hinter dumpfen Schlägen schälen sich auf Not A Goodbye langsam die E-Gitarre und das Keyboard in den Vordergrund, bevor Glühmanns Stimme einsetzt. In der Grundstimmung wieder ein getragener Song, der hin und wieder von heftigeren Bassläufen vorangetrieben wird. Die Computergeräusche, die Bit By Bit eröffneten, beenden nun den Song, schließen das Album ab, lassen es somit zum Anfang zurückkehren und den Zyklus erneut beginnen.
„One To Zero“ ist ein hervorragend produziertes, sehr atmosphärisches Album und lässt den Hörer eintauchen in ein Wechselbad der Gefühle. Die Intensität und der Variantenreichtum Marco Glühmanns Stimme lässt mich unweigerlich an die Band MEMORIES OF MACHINES denken, bei der Tim Bowness vergleichbar emotional am Mikro agiert und sich wie Glühmann die Seele aus dem Leib singt. Darüber hinaus kommt mit diesem Album jeder Progliebhaber voll auf seine Kosten: Ausladende Gitarrensoli, phantastische Keyboardklänge, präzise, auf den Punkt sitzende Drums und immer wieder der Wechsel zwischen ruhigeren, manchmal melancholisch-verzweifelt klingenden Songs und den brettharten Krachern sind zur Genüge vorhanden.