Titel |
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01. Turn Me Loose (I’ll Never Be The Same) |
02. The Get Together |
03. Never Let A Day Go By |
04. The Great Pacific Garbage Patch |
05. Handsome John |
06. Sail On, My Friend |
07. Battle Hymn Of The Album |
08. Stoner Yodel Number One |
09. Agnostic Preacher’s Lament |
10. The Resignation Vs. The Comeback Special |
Musiker | Instrument |
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Todd Snider | Vocals, Guitars, Bass, Banjo, Piano, Harmonica |
Robbie Crowell | Drums, Percussion |
Tchad Blake | Piano, Guitars, Tuba, Flute |
Todd Snider goes Prince?
Man mag es kaum glauben, zählt Snider doch seit vielen Jahren zu den „Class-A“-Songwritern des Americana-Genre; ein Gitarren-Geschichtenerzähler vor dem Herrn, der mit Neal Casal, Emmylou Harris oder John Prine getourt hat und sein Bandprojekt HARD WORKING AMERICANS nannte. Und jetzt das: Funky Drum-Loops, Call-and-Response-Gesang und tiefschwarze Gitarren-Licks, die dem viel zu früh verstorbenen Musikmagier aus Minneapolis ebenso ihre Referenz erweisen, wie James Brown oder Sly Stone. Hat Snider womöglich zu viele Joints geraucht in der erzwungenen Covid-Tourleben-Pause?
Tatsächlich hat der Americana-Spezialist ein Album gemacht, das er seit langem machen wollte – und das Ganze funktioniert überraschend gut. Denn Snider weiß natürlich, dass er kein Sänger oder Gitarrist ist wie Prince, und versucht das auch gar nicht erst. Doch er nimmt mit ganzer Seele den „Spirit“ eines zweifelnden Priesters ein – eines ziemlich verschlagenen übrigens, aber dazu später mehr –, und los geht der Gottesdienst für die Zweifelnden und Ungläubigen. Ein spitzes Drum-Intro, ein markiger Akkord und die Aufforderung: „Is everybody ready for the Get Together?“ Und die Background-Stimmen mahnen „you better get ready“, als würde gleich Pops Staples mit seinen Töchtern Einzug halten.
Zusammen mit Robbie Crowell hat Snider Songs aufgenommen, die auf Bass und Drums aufbauen. Und dieser funky Stil zieht sich durch das gesamte Album. Ein paar Piano-Tupfer und ein paar exotische Flöten- oder Tuba-Töne hier und da sorgen für den weichen Kontrast, aber im Mittelpunkt steht der Prediger, der sich von der Gemeinde unterstützen lässt. „John Brown’s body may be dead and gone, John Brown’s soldiers still marching on…“ - nein, diese Battle Hymn Of The Album schreitet nicht mächtig und mit Pauken und Trompeten daher, sondern unheilvoll und dissonant. Nur einmal kommt der „klassische“ Todd Snider noch mal zum Vorschein, wenn er würdevoll und getragen seinen alten, verstorbenen Mentor John Prine auf den Schwingen eines alten Klaviers besingt (Handsome John).
Und: Trauen darf man diesem Priester ohnehin nicht. Denn Snider war schon immer ein Musiker, der mit Vorliebe die unangenehmen Wahrheiten des Lebens in seine Songs gepackt hat. Vor 20 Jahren beschrieb er mit Betty Was Black bereits den Alltagsrassismus für ein schwarz-weißes Pärchen. Jetzt zeigt er mit dem Finger auf die gigantischen Müllmengen im Pazifik (The Great Pacific Garbage Patch) oder lässt den Reverend seiner First Agnostic Church ein offenes Zwiegespräch mit Gott führen: „Weißt du, ich hab meiner Gemeinde einiges versprochen und ihr Geld genommen … und jetzt bräuchte ich etwas Hilfe.. oder Vergebung…“
Kein Wunder also, dass Snider im Schlusssong ganz großzügig seinen Abschied ankündigt: „I’m stepping down“ singt er, und der Chor sekundiert „he will not stand there and listen to any more of these wild accusations…“ Der Priester sucht den ehrvollen Abschied, das Stück verklingt und… WAIT! Da geht es nochmal los… „I’m making a comeback“…
Versprechen kommen und gehen, der funky Rhythmus bleibt…