Real Gone, ANTI, 2004 | ||||
Tom Waits | Vocals, Guitar; Percussion, Chamberlain, Shaker | |||
Marc Ribot | Banjo, Guitar | |||
Larry Taylor | Bass, Guitar | |||
Les Claypool | Bass | |||
Harry Cody | Banjo, Guitar | |||
Brain | Percussion, Hand Clapping | |||
Casey Waits | Percussion, Drums, Turntables, Hand Clapping | |||
Mark Howard | Bells, Hand Clapping | |||
Kellesimone Waits | Voices, Group | |||
Sullivan Waits | Voices, Group | |||
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01. Top Of The Hill | 09. Circus | |||
02. Hoist That Rag | 10. Trampled Rose | |||
03. Sins Of My Father | 11. Green Grass | |||
04. Shake It | 12. Baby Gonna Leave Me | |||
05. Don't Go Into That Barn | 13. Clang Boom Steam | |||
06. How's It Gonna End | 14. Make It Rain | |||
07. Metropolitan Glide | 15. Day After Tomorrow | |||
08. Dead And Lovely | 16. (Hidden Track) Chick A Boom | |||
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Gleich eins vorne weg: Dies wird ganz sicher kein ellenlanges Review. TOM WAITS polarisiert wie kaum ein anderer Musiker.
Man liebt ihn oder hasst ihn!
Aber warum ausgerechnet "Real Gone", dass erst 2004 erschienene Waits-Album, im Time Warp?!
Ich versuch' euch mal den Grund zu rekonstruieren: Tom Waits hat sich schon einige Male selbst erfunden. Seine "Geschichten" (Waits macht keine Songs, er erzählt!) über die Underdogs des Lebens, über verlorene Existenzen, Huren, Kriegsversehrte, über Opfer, Täter, Seelenklempner und Tankstellenbesitzer sind in der gesamten Musikbranche einzigartig!
Nun wird sicher mancher Zeigefinger warnend erhoben und die Frage gestellt: Was ist mit "Swordfishtrombones" oder "Rain Dogs"?
Richtig: Beides sind über alles erhabene, überragende Alben des Meisters der schrägen Töne.
Aber sie sind einfach nicht "Real Gone"!
"Real Gone" ist sicherlich das radikalste und vielleicht auch das ehrlichste aller Waits Alben. Es ist schwer verständlich, ist eckig, krank und verstörend; es ist aber auch auf eine angenehme Weise hippelig, hintergründig und quergedacht.
Eines ist aber ganz sicher: "Real Gone" wird kein Album sein, mit dem Waits neue Fans gewinnen wird. Auch wird mit diesem Review aller Wahrscheinlichkeit nach kein neuer Fan gewonnen.
Letztendlich kann uns das, und TOM WAITS schon zweimal, ziemlich wurscht sein! Sollen Normalverbrauchers doch hören was sie wollen. Ein dreckiges Leben kennen die genauso wenig wie einen dreckigen Job, einen dreckigen Blues oder 'nen dreckigen...(na lassen wir das)! Was soll die mainstreamige, radiokompatible Masse also mit Waits einzigartiger Message anfangen?
Nichts! -Denn sie haben's einfach nicht kapiert und deshalb auch nicht verdient!
Grund genug sich kurz zu halten, denn den Freunden des exzentrischen Musikers muss man keinen Honig mehr ums Maul schmieren!
Seit der CAPTAIN BEEFHEART nur noch malt, und dass ist ja nun schon eine Weile her, brachte keiner mehr Musik und Text so auf einen Punkt wie Mr. Waits. -Und was am besten ist: Mit "Real Gone" zäumt Waits den Gaul musikalisch von hinten auf und besinnt sich auf Wurzeln von denen man als Freund seiner Musik zwar ahnte, sie aber nie so richtig zu Gesicht bekam.
Basis ist nach wie vor jener schleppende, chaotisch-dreckige Bar-Blues, den man von TOM WAITS nicht anders kennt. Als weitere Zutaten werden nun aber allerhand instrumentale und vor allem auch menschliche Effekte und Laute hinzugefügt.
Musik, die zuerst auf einem Hackklotz geklopft, anschließend durch den Wolf gedreht wird und dann so klingt, als würde sie unter einem Hunnen-Sattel mürbe geritten.
Doch das Fleisch ist zäh. Es wird nicht mürbe! -Nie!
Waits keucht, rotzt, hustet, röchelt, kutzt und spuckt sich durch dieses Album wie eine (pardon) Sau im Suhl. -Und trotzdem wirkt seine einzigartige Stimme immer kraftvoll und voller Elan.
Irgendwie und gerade deshalb nähert sich Waits damit, ohne seine Eigenständigkeit zu verlieren, dem großen CAPTAIN BEEFHEART und dessen irrwitzigen Alben "Trout Mask Replika", "Lick My Decals Off" und "Ice Cream For Crow" an. Diesen ungemein wichtigen, aber auch wirklich schweren Alben des Captains, die heute noch ihresgleichen suchen und in ihrer Art bis heute unerreicht sind.
Fast unerreicht sind!
Wer Tom Waits pur liebt, wird an "Real Gone" seine wahre Freude finden. Ein raues, hartes, dreckiges und vielleicht auch obszönes Album. Sperrig erstmal in jedem Tune, aber sobald man sich ein bisschen "einarbeitet", schimmert alsbald und irgendwo hinter dem nicht mürbe werdenden Fleischberg eines jeden Tracks ein kleines Licht.
Ein Licht voller Magie und Poesie, weshalb jedes der Takes, ohne Ausnahme, ein Gewinn ist!
Nehmen wir nur Take 16. Ein kurzer Hidden-Track Namens Chick A Boom in dem Waits sein einzigartiges "Human Beatboxing" zelebriert. -Irre!>br> Schmunzelnd kann man in Waits also nicht nur den legitimen Nachfolger eines CAPTAIN BEEFHEART sehen, sondern auch den legitimen Nachfolger eines Charles Bukowski (in dessen wildesten Jahren)!
Und genau deshalb und weil es Waits auch noch nach dreißig Jahren und was weiß ich wieviel Alben gelingt, seine Hörer und Fans zu fesseln -oder mit einem Fragezeichen im Gesicht zurückzulassen- steht "Real Gone" für's Time Warp an erster Stelle!
Waits lebt! Und er lebt seine Musik!
Und es kümmert die Eiche nicht, wenn eine Sau sich an ihr reibt...!