Various Artists The Bullet Records Story, SPV Records, 2011 |
Verschiedene Interpreten | ||||
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CD 1: | ||||
01. Wynonie Harris - Dig This Boogie | 11. Sherman Williams Orchestra - Sherman's Boogie | |||
02. Wynonie Harris - Drinkin' By Myself | 12. Sherman Willams Orchestra - Baby Don't You Want To Go | |||
03. Cecil Gant - Nshville Jumps | 13. Smoky Hogg - Hard Times | |||
04. Cecil Gant - Anna Mae | 14. Smoky Hogg - Goin' Back Home | |||
05. Rudy Green Trio - No Good Woman Blues | 15. Walter Davis - Move Back To The Woods | |||
06. Big Three Trio - You Sure Look Good To Me | 16. Walter Davis - You've Got To Reap What You Sow | |||
07. St. Louis Jimmy - Goin' Down Slow | 17. Max "Blues" Bailey - Delinquency Blues | |||
08. St. Louis Jimmy - I Ain't Done Nothing Wrong | 18. Max "Blues" Bailey - Sting-A-Ree | |||
09. Joe Williams - Jivin' Woman | 19. B.B. King - Miss Martha King | |||
10. Joe Williams - She's A Married Woman | 20. B.B. King - Take A Swing With Me | |||
CD 2. | ||||
01. Texas Troubadours - That's All She Wants | 11. Leon Payne - They'll Never Take Her Love From Me | |||
02. The Turner Bros - Guitar Reel | 12. Autry Inman - Double Cross | |||
03. Chester Atkins & His All Star Hillbillies | 13. Butterball Paige - I'm Too Old To Boogie Anymore | |||
04. The York Bros - Hamatramk Mama | 14. Jimmy Work - Hospitality | |||
05. Johnnie Barfield - Doin' The The Boogie Wooge | 15. Ray Price - Jealous Lies | |||
06. Bill Nettles - High Falutin' Mama | 16. Calvin Turner - Heart Don't Complain | |||
07. Zeke Clements - Brown's Ferry Boogie | 17. Johnny Lee Wills - Rag Mop | |||
08. Smiley Burnette - Swamp Woman Blues | 18. Hardrock Gunter - My Bucket's Been Fixed | |||
09. Clyde Moody - I Worship You | 19. Jimmy Work - Mr. & Mrs. Cloud | |||
10. Leon Payne - Lost Highway | 20. Ray Batts - Wild Man Boogie | |||
CD 3: | ||||
01. Danny Cassalla - Hawiian War Chant | 11. Red Miller Trio - Nobility Boogie | |||
02. The Five Bars - I'm All Dressed Up With A Broken Heart | 12. Red Miller Trio - Bewildered | |||
03. Bob Troup - Bye Bye Blackbird | 13. Big Three Trio - Signifying Monkey | |||
04. Bob Troup - Heidi | 14. Rudy Greene Trio - | |||
05. Madge Suttee & Her Swing Trio - Avalon | 15. Vicki Zimmer - Take Another Guess | |||
06. Pepper Neely & The Ace Trio - Everything Reminds Me Of You | 16. Vicki Zimmer - He's A Bad Man But He Treats Me Good | |||
07. John Gordy - Raggin' The Blues | 17. Chuck Merrill - Rag Mop | |||
08. John Gordy - Frankie & Johnnie | 18. Tuff Green And His Orchestra - Let's Go To The Liquor Store | |||
09. Cecil Gant - I Wonder | 19. The Fairfield Four - Amazing Grace | |||
10. Cecil Gant - Boogie Woogie Baby | 20. Speer Family - Dig A Little Deeper | |||
Bereit für einen weiteren Sprung in die Zeitgeschichte? Was hat man sich so angehört, Mitte des 20. Jahrhunderts, wenn man am Radio gekurbelt hat? Zumindest in Amerika so ziemlich genau das, was auf diesen drei Scheiben hier konserviert ist. Nach dem Zweiten Weltkrieg wuchsen eine ganze Menge an Independent Plattenfirmen aus dem Boden und naturgemäß häufte sich das um die "Weltmusikhauptstadt" Nashville im Besonderen. Zumeist war es aber so, dass man sich auf eine Musikrichtung festlegte und da bewies Jim Bulliet (hieß wirklich so) eine gewisse Offenheit, indem er sein Label für verschiedenste Strömungen bereitstellte.
Deswegen auch der Beiname "The First Americana Label" auf diesem 3-CD Schuber, den SPV im Rahmen ihrer "Blue" Serie veröffentlicht. In der angrenzenden "Yellow" Serie wurde unser Horizont erst kürzlich mit "Nashville's First Country-Rock Group" erweitert.
Aber zurück zu "The Bullet Records Story", die sich tatsächlich über etliche Jahrzehnte zog und erst in den frühen 1990er Jahren ihr Ende fand. Diese Aufnahmen stammen aber praktisch alle aus der Frühzeit und man kann sich hier hinein versetzen, was damals ein, sagen wir, Bob Dylan sich so anhörte und ihn inspirierte.
Die erste CD ist dem Blues vorbehalten und man kann sich buchstäblich vorstellen, wie man in einer Kneipe in Mississippi, zu jener Zeit, sitzt und zu dem treibenden Boogie von Wynonie Harris sich auf die Schenkel klopft. Nahezu alle Songs hier sind von einem gehörigen Drive geprägt und man spürt förmlich, dass hier das Publikum angemacht und mitgerissen werden sollte. Man kann da schon deutlich hören, wo Rock'n'Roller wie Chuck Berry sich bedient haben. Songs wie Down The Road Apiece klangen später nicht so viel anders, wie hier Dig This Boogie.
Neben dem Boogie spielte der Schnaps in den entsprechenden Gegenden und dem Umfeld keine geringe Rolle und so kommen solche Nummern wie Drinkin' By Myself so häufig wie authentisch daher. George Thorogood's I Drink Alone war wahrscheinlich auch von so einem Song inspiriert.
Der Sound ist natürlich nichts für "High-Ender", da rauscht es stellenweise noch ganz gut, aber das tut solchen gnadenlos gehämmerten Pianos wie dem Cecil Grant keinen Abbruch. Es ist der "Spirit" der zählt. Wie ähnlich sich weiße und schwarze Musiker damals waren, hört man, wenn manche Interpreten auf der ersten Disc später noch einmal auf der dritten, mit veränderter Stilrichtung auftauchen.
Anna Mae dürfte sich schwerlich auf den Geburtsnamen von Tina Turner bezogen haben, aber ein herrlicher Boogie-Woggie bleibt es trotzdem.
Natürlich fallen einem hier immer Referenzen und andere Musiker ein und oft genug meint man, bekannte Blues-Sänger zu hören. Wenn Joe Williams, zur charmant verstimmten Gitarre, She's A Married Woman singt, scheint Robert Johnson am Türrahmen zu lehnen. Vom Thema her würd's ja auch zu dem passen.
Kleines Schmankerl am Schluss der ersten Scheibe: Zwei frühe Aufnahmen von B.B. King, der in Miss Martha King hier wundervoll puristisch klingt und in dem schwungvollen Boogie Take A Swing With Me erstaunlich flott unterwegs ist.
Ganz anders wird’s einem ums Herz, wenn die zweite CD sich zu drehen beginnt. Da präsentieren die TEXAS TROUBADOURS mit That's All She Wrote wundervollstes Country- und Bluegrass-Feeling. Textlich ist das lang nicht beschaulich, aber die Musik von diesem Texas-Swing verzaubert ungemein. Auch wenn die Geige manchmal grenzwertig ist.
Direkt progressiv erscheint mir die Lead-Gitarre in Guitar Reel, die direkt nach Gitarren-Effekten klingt, die damals noch in ganz weiter Ferne waren. Das klingt vielleicht aus heutiger Sicht ein bisschen simpel, aber wenn man sich die Technik von damals vor Augen führt, staunt man, was die aus ihren Möglichkeiten gemacht haben. Einmal scheint mir fast eine verzerrte Gitarre aufzutauchen. Na, hab mich vielleicht getäuscht.
Schwung in die Bude zu bringen, das hatten sie damals jedenfalls drauf. Ob mit ihren instrumentalen Fähigkeiten, oder mit ihren toll harmonierenden Stimmen, wie THE YORK BROS.
Natürlich geht’s auch hier stilistisch oft und meist um den Boogie (und den Woogie), bzw. grenzt das auch häufig an den Blues. Als Musiker machte man da keinen großen Unterschied sondern adaptierte, was einem gefiel. Ist direkt spaßig, wie dem Swamp Woman Blues ein Call-and-Response Backgroundchor in Countrymanier hinzugefügt wird.
Hin und wieder taucht eine Nummer auf, die man sicher kennt. Lost Highway wurde zu einem Klassiker der Country- und Americana-Geschichte und wurde u. a. von Künstlern wie Hank Williams adaptiert. Macht auch in dieser "Ur-Aufnahme" schon richtig Laune.
Die verschwimmenden Grenzen machen zeigen sich an dem Song Rag Mop, der sowohl auf der zweiten, als auch auf der dritten CD enthalten ist. Diese dritte CD widmet sich mehr dem Jazz und zum Teil auch Gospel. Dass hier mehr Raum für Improvisationen war, zeigt bereits der "Opener" Hawiian War Chant - gleich eine Instrumentalnummer, für die der Mainstreamhörer gute Nerven braucht. Aber die durchaus interessant klingt.
Natürlich findet sich hier auch jede Menge Swing und Jive und reichlich Titel zum gemäßigten oder auch wilderen Tanz. Die Musiker legen da noch einmal deutlich größeren Wert auf ihren Beitrag. Für leichtes Schmunzeln sorgt sicher der Song Heidi und wenn plötzlich so eine Art "Ragtime-Revival" in Form von Raggin' The Blues auftritt, kommen mir zum einen diverse Slapstick-Filme in den Sinn, aber auch die Verwandtschaft dieser Musik mit dem Blues, die Künstler wie Rory Gallagher gerne in ihr Programm integrierten.
Diese dritte CD endet mit dem Kuriosum, dass die schwarze Gesangsgruppe THE FAIRFIELD FOUR sich an einem eher konservativ, weißem, Gesangsstil versucht, während die "weiße" SPEER FAMILY eher zu einem farbigen Gospelgesang tendiert.
Und weit mehr interessante und außergewöhnliche Darbietungen sind hier versammelt. Wer sich also einmal auf die Spuren und Ursprünge der populären Musik begeben mag, der kann mit "The Bullet Records Story" hier einen kleinen Lehrgang belegen.