Wolfgang Niedecken

70 Jahre

( English translation by Google Translation by Google )

Buch-Review

Reviewdatum: 30.03.2021
Stil: Biografie
Autor: Wolfgang Niedecken
Seitenzahl: 896
ISBN: 978-3-455-01146-3
Preis: 28,00 EUR

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Verlag: Hoffmann und Campe


Redakteur(e):

Epi Schmidt


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Es ist viel passiert. “Viel passiert“, so heißt auch der Dokumentarfilm über die Band BAP, den Wim Wenders 2001, nach einer längeren Produktionzeit, die auch einige Veränderungen mit sich brachten, veröffentlichte. Viel passiert, richtiger Weise müsste es lauten “vill passiert“, ist im Leben von Wolfgang Niedecken allemal und häufig hat es Veränderungen und Wendungen gegeben, bevor das Ziel erreicht werden konnte.

Am heutigen 30. März 2021 wird er 70 Jahre alt. In dieser Veröffentlichung wurden aus diesem Anlass seine beiden Biografien “Für ne Moment“ und “Zugabe“ und zu einem fetten Wälzer von fast 900 Seiten vereint. Ein ausführliches Vorwort zur Sonderausgabe gibt’s obendrein.

 

Was hat so einer zu berichten, der mit, zumindest nach außen getragenen, Sex & Drugs nicht großartig aufwarten kann? Wahrscheinlich mehr und mit klarerem Verstand, als die meisten, bei denen dadurch etliches im Nebel verloren gegangen ist. Da bleibt natürlich ganz viel Platz für Musik. Wobei seine Karriere ganz und gar nicht nach Plan verlief. Da hätte, wenn auch in den 60er schon musikalisch tätig, genauso gut ein Maler oder ein anderer bildener Künstler daraus werden können. Der Einfluss des Malers Howard Kanovitz und dessen Fotorealismus spiegelt sich im Prinzip bis heute in den Texten des Songschreibers ebenso wider, wie es der Einfluss des Künstlers Larry Rivers in seinem Wesen tut.

 

So ist es für Niedecken weit weniger absonderlich, dass er die Malerei zunächst an erster Stelle betrieb und letztlich fast durch Zufall Musiker wurde. Einen “Kasten Bier leer zu proben“ genügte ihm und Gefährten lange Zeit und wäre es nicht zum Wechsel in die “Köl'sche Sprooch“ gekommen, wer weiß, wie es weitergegangen wäre. Oder eben nicht.

Dankenswerter Weise können wir so mit ihm auf eine Reise durch Zeit und Geschichte gehen. Vom Nachkriegs-Köln, durch die 60er und 70er Jahre, bis zu Anfängen und Erfolgen mit BAP und darüber hinaus. Chronologisch geht es dabei nur bedingt zu, denn gerne schweift der Autor zu Ereignissen in Vergangenheit oder Zukunft ab, ohne dass der Faden verloren geht. Die Fans kennen das aus Liedern und Konzerten.

 

So finden sich etliche Annekdoten, mit oder um Freunde und Bandmitglieder. Mancher “Augenöffner“, was die Titel oder Entstehung von Songs angeht (“Wenn das Beten sich lohnen würde, was glaubst du was ich beten würde, damit du diese Scheißjacke endlich findest!“), aber auch über die nicht wenigen Unstimmigkeiten unter den früheren Bandmitglieder, die für manchen Frust sorgten und deren Schilderung hier und da schon fast an etwas Verbitterung heranreichen.

Man lernt und erfährt viel. Wie oder warum fanden Umbesetzungen statt? Warum wurde die geplante DDR-Tour damals abgesagt? Warum hat er nicht den Liedtext für Beuys geschrieben und diesen damit vor Sonne statt Reagan bewahrt? Welchen Akkord spielte Wolfgang “mit Ach und Krach“ auf Rory Gallaghers berühmter Strat und warum hätten BAP die Teilnahme am zugehörigen Rockpalast-Festival fast abgesagt? Antworten auf mehr Fragen, als man sich ausdenken kann, finden sich hier.

 

Und dann gibt es natürlich noch die Ereignisse, bei denen Niedecken und/oder BAP nur die zweite Geige, aber dennoch eine wichtige Rolle spielten. Wie die “Arsch huh“-Konzerte, der deutsche Live-Aid Beitrag, samt der von Niedecken geschriebenen Single Nackt im Wind, oder das “Rebound“-Projekt, bei dem es um die Resozialisierung ehemaliger Kindersoldaten in Uganda geht. Bei den Beschreibungen über die Geschehnisse vor Ort tritt die Musik auch beim Leser erst mal ganz weit in den Hintergrund. Lieder wie Noh Gulu wird man sicher in Zukunft mit anderen Ohren hören.

 

Natürlich ist auch der mit 60Jahren erlittene Schlaganfall ein Thema, jedoch ist die Art und Weise, mit der Wolfgang Niedecken diesen bewältigt schon recht beeindruckend. Zumal gewisse Boulevard-Medien da wie üblich keine Rücksicht kannten.

Der Background aus Familie und Freundeskreis hat hier auch seinen Anteil daran, dass die Rekonvaleszent so gut klappte und dachte man im Verlauf des Buches, man hätte das Wort “Schutzengel“ nun häufig genug gelesen, kommt man dann zu anderer Einsicht.

 

Der Autor, das wissen seine Fans, ist ein Meister der Worte und das bringt mit sich, dass er – an wenigen Stellen – sich auch mal in Beschreibungen verliert, sehr ausführlich wird. Man könnte sagen, ins Plaudern gerät. Wahrscheinlich würde er sagen: “Da kann ich euch 'etz ooch net helfe, do müsst ihr durch“.

Das Buch ist “durch“, mit der Fertigstellung des Soloalbums “Zosamme alt“. Und nachdem das mittlerweille auch schon wieder einige Jahre und eine Handvoll Alben (Discografie im Anhang) her ist, könnte man sich doch in absehbarer Zeit Gedanken über eine Fortsetzung der “Niedecken-Chronicles“ machen, oder?

 

Aber jetzt ist erst mal “Jebootsdaach“ und deswegen, lieber Jung, alles Jode!

Mit den Worten von Neil Young: Long may you run!

 

 

 

 

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