Wolfgang Niedecken

Reinrassije Strooßekööter - Das Familienalbum

( English translation by Google Translation by Google )

CD-Review

Reviewdatum: 16.11.2017
Jahr: 2017
Stil: Folk Rock, Cajun
Spiellänge: 65:52
Produzent: Julian Dawson

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Plattenfirma: Universal Music


Redakteur(e):

Epi Schmidt


s. weitere Künstler zum Review:

Julian Dawson


Wolfgang Niedecken
Reinrassije Strooßekööter - Das Familienalbum, Universal Music, 2017
 
Wolfgan Niedecken Vocals, Guitar
Julian Dawson Akustikgitarre, Mundharmonika, Back-Up Gesang
J.J. Johnson Drums, Percussion
Roscoe Beck Bass Guitar, Upright Bass
Stewart "Spider" Smith Guitar, Piano, Hammond, Keyboards
Milo Deering Pedal Steel
Russ Broussard Rubboard, Triangle
Dwayne Dopsie Accordion
The New Orleans Horns Brass
     
01. Reinrassije Strooßekööter 08. Jebootsdaachspogo
02. Weisste noch 09. Suwiesu
03. Chippendale-Desch 10. Et ess lang her
04. Dä letzte Winter em letzte Kreech 11. Wie schön dat wöhr
05. Chlodwigplatz 12. Wann immer du nit wiggerweiss
06. Bahnhofskino 13. Frankie un er
07. Für 'ne Fründ 14. Et ess wie't ess

Er hat es nicht eilig. Der Wolfgang. Zwar war er seit seinem letzten Soloalbum, “Zosamme Alt“, durchaus umtriebig, hat getourt, neue Alben unter dem Firmenschild  BAP veröffentlicht, ist getourt und ist ja auch gern gesehener Talk-Gast bei unterschiedlichsten Fernsehshows, aber eine gewisse “Unaufgeregtheit“ strahlt er aus und die spiegelt sich häufig auch in seiner Musik wider.
Was soll einen auch noch aufregen, wenn man einen Schlaganfall hinter sich und diesen unbeschadet überstanden hat?
Und wenn man es entspannt angehen will, dann ist das Esplanade Studio in New Orleans sicher auch keine schlechte Wahl. Unter der Regie von Julian Dawson wurde dieses Album im Mai 2017 dort eingespielt. Gewohnt mitteilsam erzählt Wolfgang Niedecken im Booklet über Vorgeschichte und Entstehung der Songs und des Albums. Wunderbar, um sich hier reinzufinden.

Sein mittlerweile fünftes Soloalbum beginnt also eher unaufgeregt, mit der neuen Nummer Reinrassije Strooßekööter. Nicht gerade der Kick-Ass-Startsong, aber trotzdem so geschickt und spannend arrangiert, dass man hier gern und aufmerksam zuhört. Wie auf einer Kanu-Tour durch die Sümpfe Louisianas, so bahnt sich der Song seinen Weg. Und in der Tat ist es eine Tour, eine Reise, eine Zeitreise, auf die sich Niedecken mit seinem “Familienalbum“ begibt und er nimmt uns mit. Wie einst der Jupp.
Ähnlich weit, wie für den Jupp, muss man für Weisste noch zurückdenken. 1983, das Live-Album “Bess Dehmnähx“ – ja, das ist schon eine Zeit her und wehmütige Gefühle mögen einen überkommen. Die werden nicht gerade weniger, wenn man der Neueinspielung lauscht, aber ob der Klasse, mit der die hier zelebriert wird, ist man schon beeindruckt.
Sich mit J.J. Johnson den Drummer von der  TEDESCHI TRUCKS BAND auszuleihen, war ebenso ein Geniestreich, wie Roscoe Beck (den muss man kaum vorstellen, oder?) am Bass zu engagieren. Die lassen denn auch den Chippendale Desch so herrlich dahinfedern. Das ist, wie wenn man nachmittags auf'n Kaffee in eine Bar in den amerikanischen Südstaaten einkehrt. Vom Album “Pandora“ stammt Dä letzte Winter em letzte Kreech. Niedecken nennt es im Booklet “eigentlich ein Weihnachtslied“. Die Geschichte von seinem Opa und seinem Onkel Alex, gegen Ende des zweiten Weltkriegs wäre, ob des enthaltenen Optimismus vielleicht wirklich dafür geeignet. Zumal der locker Country-Folk jede Winter-Tristesse eliminiert.

Den Chlodwigplatz haben wir etwas Reggae-beeinflusster in Erinnerung, aber als “Nabel der Welt“ funktioniert der natürlich auch etwas getragener und mehr jazzig angehaucht. Wirklich schön gemacht.
Der Chlodwigplatz kommt auch in Bahnhofskino vor, welches uns wieder weit, ins Jahr 1984 (Album “Zwesche Salzjebäck un Bier“), zurückbringt. Ja, ein bisschen Schwung könnte man mittlerweile vertragen, aber zum “Dröhme“ ist die Nummer absolut geeignet. Zumal wenn man den einzelnen Musikern lauscht.
Für ‘ne Fründ ist jetzt nicht soo weit von der Ursprungsfassung auf “Schlagzeiten“ weg, außer dass hier einfach eine gehörige Portion Southern-Flair miteinfließt und das Ganze deutlich besser klingt.
Dass der Jebootsdaachspogo so gut klingt, ist in erster Linie ein Verdienst von Dwayne Dopsie, der mit seinem Akkordeon hier für den Cajun-Drive sorgt. Die erste Nummer hier, bei der man nicht mehr stillsitzen kann.
Suwiesu war auf dem Album “Aff Un Zo“ sicher von manch anderem Lied überschattet worden und auch hier …, ja, aber man lauscht dann doch interessiert zu.

Mancher mag Anne de Wolfs Geige in Et ess lang her vermissen, dafür findet man in der Neueinspielung das Swamp-Feeling, welches sowieso für dieses Album tonangebend ist.
Wie schön dat wöhr - hier muss man einfach zuhören. Und hoffen, dass es die Menschheit irgendwann mal kapiert. Die hervorragende Trompete hebt diesen Song noch ein paar Zentimeter an. Und wenn man einen Hoffnungs-Song braucht, dann eignet sich vielleicht Wann immer du nit wiggerweiss vielleicht am Besten . Auch musikalisch.
Dem in Argentinien geschriebenen Text trägt die südamerikanisch angehauchte Instrumentierung von Frankie un er Rechnung. Ob seiner Einfachheit eine der schönsten Nummern hier. Aber so grüblerisch will uns Niedecken dann doch nicht aus dem Album lassen und legt mit Et ess wie’t ess einen flotten Abschied aufs Parkett. Mit seinen Bläsersätzen leicht an Carole Kings Hard Rock Cafe erinnernd, macht der Song bei jeder Veranda-Fete – oder After-Work-Party – eine gute Figur.
Da schwingt man locker in den Hüften und vergisst seine Sorgen und schaut wieder etwas positiver in die Zukunft. Und das macht man überhaupt mit diesem Album, den die Rückschau macht einem auch klar: Es ess viel passiert – die Zukunft kann nur noch halv su wild werden. Man muss es ja nicht so eilig damit haben.

Epi Schmidt, 12.11.2017

 

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