Umbra Et Imago

Der Teufelskreis

( English translation by Google Translation by Google )

Interview

Reviewdatum: 05.06.2010
Stil: Gothic

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Redakteur(e):

Martin Schneider


Umbra Et Imago
Der Teufelskreis, Interview

UMBRA ET IMAGO sind ihrem Weg stets kompromisslos gefolgt und haben damit mehr als einmal angeeckt. Am 2. Juli erscheint nun das letzte Studioalbum in der zwanzigjährigen Geschichte der Gothic Rock-Trendsetter. Nicht die bisweilen sehr unsachliche Kritik hat die Band zermürbt, es sind schlicht wirtschaftliche Zwänge. Umso spannender von Chefdenker Mozart Statements aus erster Hand zu bekommen.

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Sicher wird die Ankündigung des finalen Studioalbums der Karlsruher wieder einige mediale Heckschützen auf den Plan rufen, die der Band kommerzielles Kalkül unterstellen. Das mag auf die SCORPIONS zutreffen, nicht aber auf eine Undergroundband, deren Möglichkeiten ihre Kunst der Öffentlichkeit zugänglich zu machen bei der aktuellen Lage der Musikindustrie einfach an ihre Grenzen gestoßen ist. Wer Mozart und seine Mitstreiter ein wenig kennt weiß, diese Entscheidung ist keinem von ihnen leicht gefallen, aber einfach unumgänglich.
Was empfindet aber ein Künstler wie Mozart, wenn er ein letztes Mal die Werbetrommel für ein Studioalbum rühren muss? Wehmut, weil eine Ära zu Ende geht oder gar Vorfreude, weil die lästige Auseinandersetzung mit nicht immer wohlgesonnenen Medienvertretern zukünftig entfällt?

"Es ist mehr eine Perspektivlosigkeit.", erklärt der Sänger. "Wir wussten, dass es so einfach nicht weiter gehen kann. Wir sind Band und Label in einem und haben schon lange gemerkt, dass die Musik einfach nur noch ein teures Hobby ist, bei dem wir extrem drauf zahlen. Wir können uns in der derzeitigen Situation des Marktes Studioalben einfach nicht mehr leisten. Die Industrie selbst weiß ja auch nicht wie es weitergehen soll. Da hört man zwar die Talsohle ist erreicht, aber Perspektiven haben die auch nicht zu bieten. Es ist eine kontinuierliche Abwärtsspirale. Früher hattest Du eine LP als Gesamtkunstwerk. Durch die CD wurde das Kulturgut Musik ein Stück weit reduziert und entmenschlicht. Der aktuelle Trend mit mp3 treibt das noch weiter."

"Opus Magnus" ist allerdings nicht das komplette Aus für UMBRA ET IMAGO, wie Mozart versichert.

"Wir haben jetzt das neue und letzte Studioalbum und im Herbst kommt dazu eine Tour. Zum 20-jährigen Jubiläum im nächsten Jahr haben wir eine Live-DVD in Planung und dann haben wir uns erst einmal den Freiraum geschaffen um zu überlegen, wie es weiter gehen kann.
Wir beschäftigen uns gar nicht mehr mit dem Gedanken mit unserer Kunst Geld zu verdienen. Es geht um das nackte wirtschaftliche Überleben. Der Ansatz mit einem Album das Nächste zu finanzieren ist für uns nicht mehr realistisch. Rein elektronische Alben kann man auch heute noch billig produzieren, aber wir sind eine Gitarrenband. Unsere analogen Aufnahmen sind einfach aufwändiger und damit teurer. Jedem von uns war im Vorfeld klar, dass auch "Opus Magnus" für uns ein Minusgeschäft wird. Die Frage ist nur, wie groß das Minus sein wird.
Wir müssen uns Gedanken über neue Wege machen. Vielleicht finden sich Möglichkeiten, damit wir sporadisch noch einzelne Songs veröffentlichen können."

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Fans dürfen sich auf ein hochklassiges Album freuen, wobei sich auch Mozart der Gefahr bewusst ist, dass die Qualität der Veröffentlichung durch die aktuelle Diskussion über die Bandentscheidung in den Hintergrund gedrängt werden könnte.

"Leider kann das passieren, wobei das sehr schade wäre. Wer UMBRA ET IMAGO kennt weiß aber, wir taktieren nicht, sondern sagen gerade heraus was Sache ist, auch wenn es weh tut. Das Wissen, du machst das letztes Album, hat sich natürlich psychologisch auf uns ausgewirkt. Wenn wir uns noch einmal den Luxus einer Studioproduktion gönnen, dann wollten wir auch noch einmal eine ordentliche Scheibe abliefern. In gewisser Weise haben wir unseren Hörern den schwarzen Peter zugeschoben und ihnen die Entscheidung über unsere Zukunft überlassen. Ich glaube aber nicht, dass sich die Masse groß davon beeindrucken lassen wird und plötzlich jeder für die CD bezahlt. Viele werden sich trotzdem nur eine Kopie brennen lassen oder sich die Songs irgendwo illegal besorgen."

Dann wollen wir doch mal nur über "Opus Magnus" an sich sprechen. Der erste Eindruck: Ein für die jüngere Geschichte der Band typisches Album, aber musikalisch und kompositorisch das bislang reifteste Werk.

Mozarts Einschätzung dazu: "Ganz ehrlich, ich habe das Album noch nicht so richtig reflektiert. Die Eindrücke sind einfach noch zu frisch. Wie ich schon sagte, zu wissen, das wird das letzte Album war eine zusätzliche Motivation. Ich habe schon das Gefühl, dass es eine in sich sehr stimmige und runde Sache geworden ist. Gleichzeitig ist es ein sehr philosophisches Album, was sich besonders gut bei Stücken wie Ohne Dich oder Gebet Nr. 1 zeigt. Wir wollten aber auch einige Sachen anders machen als bisher. Deshalb haben wir dieses Mal auf die erotische Komponente in unseren Texten völlig verzichtet. Was mich selbst am Meisten überrascht hat, aber das ist mir erst aufgefallen, als wir fertig waren, wie hart die Scheibe letztendlich geworden ist. Ich dachte das Ergebnis klingt aufgrund der besonderen Situation vielleicht etwas besinnlicher und wehmütiger als sonst.
Du hörst auch deutliche Unterschiede zwischen den Songs, die ich mit Lutz (Anm. Demmler, Gitarre) und mit Alchimo (Anm. Achim Vogel, ehemaliger Keyboarder) komponiert habe. Ich habe das Gefühl, wir sind dadurch vielfältiger geworden."

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Dennoch entsteht der Eindruck, das UMBRA ET IMAGO ganz bewusst noch einmal ihr komplettes stilistische Spektrum abgerufen haben. Ein bisschen wirkt "Opus Magnus" wie eine Best Of-CD mit ausschließlich neuen Songs.

Mozart nimmt das unterschwellige Kompliment lachend entgegen und räumt gerne ein: "Wenn Du das so ausdrückst, dann müssen Dir ganz viele Tital aber sehr gut gefallen. Klar, wenn Du einen Song wie Sonntagsandacht nimmst, da findest Du in unserer Vergangenheit ein paar ähnliche Nummern. Da ging es mir aber noch einmal darum Kritik an unserem Gesellschaftssystem loszuwerden und da eignet sich der Predigtstil einfach hervorragend. Natürlich haben unsere Erfahrungen der letzten zwanzig Jahre mit hinein gespielt. Ich denke aber, wir haben viele Dinge dieses Mal einfach schnörkelloser und besser auf den Punkt gebracht."

Neben bekannten Markenzeichen wie den Predigten, episch bombastischen Balladen und geradlinigen Gothic Rock Songs, mal mit mehr mal mit weniger Elektronik aufgehübscht, gibt es aber tatsächlich einige Überraschungsmomente für langjährige Anhänger. Nicht nur, dass Wanderers Nachtlied mit fast schon punkigen Klängen das Album beendet. Mehr noch, dass eine Band aus der Düster-Szene mit Is this love einen Schönwettermusiker wie Bob Marley covert.

Auf den Reggae-Großmeister angesprochen, gerät Mozart ins Schwärmen: "Mich hat es schon lange gereizt einmal Bob Marley zu covern, weil ich ihn seit ich seine Biographie gelesen habe als Menschen total faszinierend finde. Er war ja ein sehr sozial eingestellter Charakter. Er war zwar das Aushängeschild der WAILERS, aber für seine Jungs hat er alles getan. Die bekamen auch alle die gleichen Anteile, egal wie stark sie sich eingebracht haben und er hat ihnen sogar ein kleines Dorf gebaut und ihnen damit den Weg aus den Slums ermöglicht. Okay, mit der religiösen Seite der Rastafari kann ich gar nichts anfangen.
Das Stück war eine riesen Herausforderung. Jeder sagte erst einmal, das geht gar nicht in unserem Sound, weil der Reggae ja sehr auf die Rhythmen aufbaut. Es war eine Heidenarbeit das für uns umzuarrangieren und das Risiko war groß, dass es der volle Griff ins Klo wird. Wir haben das Stück dann sehr trocken interpretiert und viele detailierte Umspielungen des Originals ausgelassen, denn in unserer Variante hätte das doch sehr ermüdend geklungen. Hör Dir aber mal beide Versionen im Vergleich an. Wir haben ein anderes Ende für das Stück gefunden. Ich bin sehr stolz auf unsere 'Opium-Version', wie Migge, unser Drummer, sie nennt."

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Zu Recht, denn da haben UMBRA ET IMAGO Großes geleistet. Is This Love hat Klasse, das Potenzial eines riesigen Hits und könnte zudem problemlos zu jeder beliebigen Uhrzeit im Radio laufen. Normalerweise wäre es die naheliegendere Single als zwar bärenstarke aber fast siebenminütige Ohne Dich, was auch Mozart zumindest teilweise einräumt.

"Natürlich, das hätte auch eine gute Single abgegeben, aber wir haben uns sehr früh auf Ohne Dich festgelegt, weil das Stück sehr viele in der Band sehr tief berührt. Es hätte auch unserer Philosophie widersprochen ein Cover als Single auszuwählen, selbst wenn es noch so viel Potenzial hat."

In der Vergangenheit hat man UMBRA ET IMAGO oft auf die visuelle Darstellung des thematischen Schwerpunktes S/M-Erotik reduziert. Verständlich, dass sich Mozart bisweilen mehr Anerkennung als Komponist und Musiker gewünscht hätte.

"Es gab Zeiten, da hat es mich wirklich genervt andauernd hören zu müssen, die machen nur live so eine große Show, weil sie sonst nichts zu bieten haben. Die Leute haben aber einfach nicht verstanden um was es uns geht. Ich stamme aus einem abendländischen Kulturkreis. Das kann und will ich nicht verleugnen, weil es mich ausmacht. Ich stamme aus einem Land, dass sich einst das Attribut 'Land der Dichter und Denker' verdiente. Unsere Vorbilder sind zwangsläufig Wagner, Mozart (lacht) und Beethoven. In unserer Kultur war die Kombination Theater und Musik immer stark vertreten und dieses Erbe haben wir fortgeführt. Ich bin auch ein großer Fan von Nietzsche und der hat sinngemäß gesagt: 'Ein Musiker macht Musik wie das Wetter seiner Umwelt.' Da ist wirklich was dran. Je weiter nördlich Du Dich orientierst umso trüber ist das Wetter und so schwermütiger die Musik. Wir haben nicht diese südländische Leichtigkeit und das passt auch nicht zu uns. Deswegen klingt ja auch unsere Bob Marley-Interpretation so anders.
Worauf ich gar nicht abkann, ist wenn man zwangsweise Musik in einen Kulturkreis importiert, die da einfach nicht hinpasst. Das ist dann nur seelenlos imitiert. Schau Dir doch die Gangster-Rapper in Berlin an. Die haben null Glaubwürdigkeit für mich. Das sind echte Witzfiguren, die nur etwas kopieren, was gar nicht zu ihnen passt.
Wir sind zwangsläufig im Gothic gelandet, weil in dieser Szene die Kombination aus Visuellem und Musik am stärksten ausgeprägt war. Da haben wir hingepasst.
Es gab Zeiten, da habe ich überhaupt keine Kritiken mehr gelesen. Du steckst eine Menge Herzblut in ein Album und dann kommt jemand daher, der gar nicht versteht, worum es Dir geht und haut dich in die Pfanne. Das musste ich mir nicht geben.
So langsam bekommen die Kritiken aber mehr Substanz und werden fairer. Manchmal frag ich mich: Denken die, wir sind schon tot, weil sie gar nichts mehr auszusetzten haben und man über die Toten ja nichts Schlechtes sagen soll?
Weißt Du, wir haben ein Genre geprägt und viel geleistet. Mittlerweile wird diese Leistung von vielen anerkannt und gewürdigt. Der eigentliche Erfolg ist aber so lange durchgehalten zu haben. Was viele übersehen: Da sind Bands wie RAMMSTEIN mit einem riesigen Etat und hier sind wir, die kleinen UMBRA ET IMAGO, die ganz andere Voraussetzungen haben. Trotzdem müssen wir mit diesen Bands konkurrieren. Dem Hörer lässt es sich nicht vermitteln, dass ein Album von uns aufgrund wirtschaftlicher Rahmenbedingungen normalerweise schlechter klingen sollte."

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Wobei wir wieder beim Thema sind. Bringen wir aber eine neue Facette ins Spiel. UNHEILIG haben ein Nummer 1-Album und eine Nummer 2-Single gelandet. Der Graf gastiert bei The Dome und TV Total. Selbst wenn die Szene das erwachte Interesse des Mainstreams mit Argwohn betrachtet, könnten auch andere Künstler davon profitieren. Wie beurteilt Mozart die Erfolgsgeschichte. Fluch oder Segen?

"Das kann ich nicht recht einschätzen. Wenn der Graf damit glücklich ist was er macht, dann soll es mir recht sein. Ich neide ihm den Erfolg nicht. UNHEILIG sind ja auch schon eine Weile dabei und haben es sich verdient mal ein größeres Stück vom Kuchen abzubekommen. Ich persönlich finde es aber was sie machen sehr flach und es gibt mir nichts.
Mit Universal im Rücken ist aber so ein Erfolg auch kein Kunststück. Die Frage ist doch: Wer entscheidet was gemacht wird? Welche Zwänge werden dem Künstler auferlegt? Wer schreibt die Songs oder entscheidet was aufs Album kommt und was nicht?
Wir haben auch schon solche Möglichkeiten geboten bekommen. In der Regel verlierst Du dabei die künstlerische Freiheit. Außer dem Namen bleibt nichts übrig und das Konzept, das umgesetzt wird, arbeitet jemand anders für Dich aus. Respekt hab ich bis heute vor einem A&R-Mann von der EMI, die es ja inzwischen nicht mehr gibt. Der war wenigstens ehrlich und sagte: 'Jungs, mit euch zusammen zu arbeiten wäre für uns extrem schwierig. Ihr seid zu alt und zu lange im Geschäft. Ihr wisst wie der Hase läuft und wir können euch nicht mehr verarschen!' Wörtlich hat er es so nicht gesagt, aber sinngemäß und etwas eleganter formuliert.
Ob der UNHEILIG-Erfolg der Szene etwas bringt? Es wäre zu wünschen, aber ich glaube es nicht. Wem hat denn der Erfolg von RAMMSTEIN oder OOMPH genützt, außer ihnen selbst?
Unsere Promoterin hat natürlich versucht unsere Single Ohne Dich zu positionieren. Das ist eine Ballade und das Stück hat keinerlei Anzüglichkeiten im Text. Das Ding wurde trotz des UNHEILIG-Booms abgelehnt. 'Nee, das ist dann doch nicht unser Sound', hieß es…
Also für uns hat sich bisher dadurch nichts geändert, vor allem aber ändert sich durch so eine Erfolgsgeschichte nicht das Musikgeschäft insgesamt. Irgendwie ist der Karren verfahren. Selbst wenn die Schachtel Zigaretten nur noch 50 Cent kosten würde, würden die Leute doch die Gratiskippen, die auf der Straße liegen, aufsammeln."

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Eine gute Überleitung zur Herbsttournee unter dem Motto: "Geist ist geil!", ein intelligenter Seitenhieb auf die "Geiz ist geil"-Mentalität der Gesellschaft. Das Tourneen und Liveauftritte wieder an Bedeutung gewonnen haben, müsste UMBRA ET IMAGO als ausgesprochenem Live-Act doch in die Karten spielen.

"Wir stecken da aber auch in einem Teufelskreis.", gibt sich Mozart skeptisch. "Ohne ein neues Album kannst Du in Deutschland praktisch keine Tour spielen. Wir konnten das zuletzt durch Auftritte im Ausland etwas kompensieren. Auf einer Tour verkaufst Du jetzt aber auch nicht so viele Tonträger, dass Du damit das nächste Album finanzieren kannst. Ein bisschen geht was über Merchandise, aber das reicht nicht. Weißt Du, wie Megaacts wie Madonna das inzwischen machen? Die lassen sich die Zusicherung einer gigantischen Welttournee bezahlen, und spielen damit das nächste Album ein. Im Mainstream funktioniert das und da bleibt auch beim Künstler was hängen. In unserem kleinen Spartenbereich kannst Du das vergessen."

Die Geschichte scheint verfahren zu sein. Bleibt nur zu hoffen, dass UMBRA ET IMAGO eine Möglichkeit finden der Szene in welcher Form auch immer erhalten zu bleiben.

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Besonderer Dank an Mozart für das ausführliche Gespräch und Sandra Eichner (Rosenheim Rocks) für die Organisation.

 

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