Aschaffenburg, Colos-Saal, 25.01.2005

Nachdem ich den Nachmittag schon vor Ort verbrachte, bin ich pünktlich um 20 Uhr wieder im Colos-Saal und der Zustrom der Massen hält sich noch in Grenzen. In der Hoffnung auf eine Wiederholung des Blues Caravans in ähnlicher Form wäre mir eine angemessene Besucherzahl ganz recht.

Sue Foley, Ana Popovic & Candye Kane Das wird aber auch mit der Zeit und im spärlich-stetigen Zustrom finden sich auch meine Freunde Peter und Jörg, die den Weg nicht gescheut haben, und, das verrat ich jetzt schon: Auch nicht bereut haben. Ebensowenig wie die anderen Besucher, denen sich pünktlich um 21 Uhr die Damen der "Ladies Night" präsentieren. Sue Foley, Ana Popovic und Candye Kane stehen für den ersten Blues-Song zusammen auf der Bühne und übernehmen jede kurz den Gesang für Come Tomorrow.
Unterstützt werden sie in vorderster Front von Lisa Otey am Keyboard, selbst eine renommierte Sängerin, die sich heute aber nur auf die Tastenarbeit beschränkt. Die Rhythmussektion besteht aus Mike Griot am Bass und Billy McClellan am Schlagzeug, die sonst in Michael Hill's Blues Mob tätig sind. Die haben sicher keinen einfachen Job heute Abend, aber sie meistern das überwiegend sehr gut.

Sue Foley Nach dieser Eröffnung verbleibt zunächst Sue Foley allein auf der Bühne und spielt den Delta-Blues Down The Big Road Blues. Sue's wunderbare, leicht brüchige Bluesstimme verleiht den Songs das richtige Flair und mit ihrem eher traditionellen Ansatz kommt sie sehr authentisch rüber.
Beim zweiten Song ist die Band mit an Bord und da swingt es denn auch gleich eine ganze Ecke mehr. Mit der ständig lächelnden, überaus sympathischen Lisa Otey am Piano liefert sich Sue ein kleines Duell. Shake That Thing stammt von ihrem aktuellen Album und zeigt, daß die Kanadierin auch gitarristisch einiges zu bieten hat.
Bei den Schlüssen der Songs geht es noch etwas "unrund" auf der Bühne zu, aber wer will hier schon alles perfekt haben. Und drei so unterschiedliche Künstler muß man erst mal begleiten. Auch wenn mal jemand sagte: "Ois is' Blues".
Bei einem furiosen Tex-Mex-Instrumental zeigt Sue ebenfalls tolles Rhythmus- und Solospiel und Lisa am Keyboard steht dem mit ihrem Orgelsolo nicht nach. Auch Bass, bzw. Upright-Bass und Schlagzeug bekommen ihre kleinen Solospots.
Davon, daß die Songs von "Change" auch mit E-Gitarre funktionieren, kann man sich bei dem groovig-rollenden Doggie Treats überzeugen. Bei diesem, wie beim folgenden Bad Luck Woman, wird die etwas spröde wirkende Sue langsam etwas lockerer und der Zuspruch aus dem Publikum wird auch größer.
Eine rasante Boogie-Woogie Instrumentalnummer beendet den ersten Teil dieser Show. Umbaupausen gibt es allerdings nicht, lediglich Lisa Otey verläßt die Bühne und "Miss Ana Popovic" wird angekündigt. Die ist ja in "Ascheberch" gut bekannt und wird entsprechend bejubelt.

Ana Popovic Jetzt geht es natürlich "aus einem anderen Fässle". Neben Sue's Fender-Combo ragt Ana's Mesa Boogie Halfstack drohend in die Höhe und mit Purismus ist es jetzt vorbei.
Wie bei ihren Solokonzerten startet Ana auch hier mit Don't Bear Down On Me, wobei sie gleich anschließend erklärt, daß sie - ausnahmsweise - mal nicht hier ist "to steal the show".
Wie gesagt, es ist eine ganze Stufe lauter geworden und die Besucher die sich im Streubereich von Frau Popovic's Amp aufhalten, greifen sich schon mal ans Ohr.
Das funkige Comfort To The Soul folgt. Kommt gut, anmachend, tanzbar. Lediglich der Sound ist etwas metallisch-höhenlastig. Das wird weiter hinten im Saal anders sein, aber wer wollte da schon stehen? Ana zupft zwischendurch immer wieder ihr trägerloses Oberteil nach oben, was zum ein oder anderen Grinsen bei den Anwesenden führt.
[An dieser Stelle möchte die Redaktion einflechten, daß Herr Schmidt ansonsten niemals nicht zu einem Bluesrock-Konzert gehen würde!]
Der Boogie Big Town Playboy rockt gewaltig und auch bei so einem relativ einfach gestrickten Song ist man von Ana's Fingerfertigkeit beeindruckt. Als wären keine Saiten auf ihrer Stratocaster gleiten die Finger darüber, so entspannt wirkt das. Das instrumentale Navajo Moon bringt so was, mit seinem eher jazzigen Ansatz, natürlich noch eindrucksvoller rüber.
Love Fever, von ihrem Album "Hush" kommt gewohnt funky und ist wieder zum mitgrooven geeignet. Die Band, jetzt nur noch Bass und Drums, müht sich redlich, kann sich aber soundmäßig nicht wirklich gegen die Gitarristin "wehren".
Die weißt im folgenden Akustikintermezzo auf eine leichte Erkältung und ein daraus folgendes, eingeschränktes Hörvermögen ihrerseits hin. Ah ja, das könnte eine Erklärung sein, warum ihr Verstärker etwas zu laut ist. Das stört bei den akustischen Songs naturgemäß nicht und Damn Your Eyes sowie Elmore James' Done Somebody Wrong kommen richtig gut an.
Ana's Slidespiel auf der 12-Saitigen war wieder ein Ohrenschmaus und wenn sie für Hometown, wieder mit Band, zur Elektrischen wechselt, läßt sie das Metallröhrchen gleich auf dem Finger und fegt damit in diesem funkigen Song über die Saiten, dass es nur so, ja: funkt!
Auch hier verabschiedet sie sich mit Love Me Again. Nicht nur Text, auch der anmachende Groove dieses Songs fährt einem in alle Glieder und da sieht man schon mal über ein paar Dezibel hinweg.

Lisa Otey Ihr Auftritt bekommt den verdienten rauschenden Beifall und es betritt, wieder ohne Pause, Lisa Otey die Bühne um das Stück, das sie zuerst auf dem Klavier lernte, zu präsentieren.
Mmmh, das klingt mir zunächst recht nach Klassik, aber eine erfahrene Entertainerin wie Lisa weiß wie man Stimmung verbreitet und ruckzuck ist sie in einem wilden Rock'n'Roll drin.
Wie ein späteres Handheben unterstreicht, sind doch einige erstmals bei einem Auftritt von der nun angekündigten "Miss Candye Kane!". So ist der Beifall zunächst eher wohlwollend, auch wenn die Körpermaße der Sängerin wohl jeden beeindrucken. Candye läßt sich von nichts beeindrucken, ist wie üblich bestens gelaunt, grinst und läßt mit I'm Not Getting Older gleich mal eines ihrer Mottos vom Stapel.
Ich hatte mir schon Sorgen gemacht, da in der "Backing-Band" ja kein Gitarrist war und nur mit Piano wäre mir das wohl etwas zu fad geworden. Erfreulicherweise übernahm Sue Foley den Job an der Gitarre und zwar so, als hätte schon immer in Candye's Band gespielt. Hut ab!

Candye Kane Tja, was soll man sagen? Candye reißt sofort das ganze Geschehen an sich, ob sie singt oder sich dem Publikum mitteilt, egal; sie ist schon jetzt die Attraktion des Abends. Flugs kramt aus ihrem gewaltigen Ausschnitt ein Bierflasche hervor (Gott, diese Oberweite könnte eine ganze Kiste Bier verbergen!), der später noch eine CD folgen sollte. Ein Kugelschreiber mußte zunächst als vermißt gemeldet werden, aber Candye war sich sicher, später könnte ihr jemand aus dem Publikum beim Suchen helfen.
[An dieser Stelle möchte die Redaktion einflechten, daß Herr Schmidt wirklich auf jeden billigen Trick reinfällt. Selbstverständlich war die Spur des Kugelschreibers nachvollziehbar. Seit Hänsel und Gretel weiß jedes Kind wie das geht]

Musik wurde natürlich auch gemacht und die "Bluesröhre" von Candye ist ebenfalls beeindruckend. You Need A Great Big Woman von ihrem Album "Diva La Grande" ist der folgende Beweis. Man ist geneigt, ihrer Meinung, eine Schwarze in einem weißen Körper zu sein, zu glauben.
Jetzt wechseln die Stile zwischen Swing, Blues und Rock'n'Roll hin und her und zwischendurch "missioniert" Candye wie üblich. Lehrt den Anwesenden, wie sie ihre Probleme durch einen "Scream" loswerden, erzählt ihre Lebensgeschichte (denen die sie bereits kennen legt sie nahe, inzwischen zum Bierstand oder zum Pinkeln zu gehen), erklärt, warum George Bush so, na sagen wir "so ist wie er ist" ("he don't get enough pussy") und was ein "White Trash Girl" eben ist. Den entsprechenden Song von ihrem neuen Album läßt sie gleich folgen und auch hier ist ihr Organ beeindruckend.

Candye Kane's Auftritte sind die einzigen, bei denen ich hinterher Muskelkater im Gesicht habe - vom vielen Grinsen und Lachen. Nicht alles was sie erzählt ist purer Fun, aber am Schluß bringt sie es doch immer wieder auf einen Lacher. Der Barkeeper wird, unter entsprechenden Drohungen, mit einem Whiskey auf die Bühne zitiert und der Geruch der nach ihren seitlichen Ausflügen von hinter der Bühne kommt ist auch eindeutig. Wurde da nicht vorhin von "Weed" gesprochen? Jedenfalls verschwindet auch Miss Foley auf Candye's Hinweis ein paar Mal kurz und ob es jetzt der Spaß auf der Bühne oder der ein oder andere "Zug" ist. auch Sue wird zusehends ausgelassener und grinst vor sich hin.

Ana Popovic Der 60's Klassiker What A Day For A Daydream kommt hier, wie auf CD, in diesem swingenden Gewand genial rüber. Als wenn das Lied schon immer so gedacht gewesen wäre.
Auch wenn Mrs. Kane über die "Dummköpfe" der Welt spricht, so hat sie doch ein großes Herz und auch für die ein Love 'Em & Forgive 'Em übrig. Das ist ihre Botschaft: Liebe!
Und auch die Liebe zum eigenen Körper. Nach ihrer Auffassung sollte es in den Erziehungsplan aufgenommen werden. Äääh... worum es im nächsten Song geht. Der Masturbation Blues hat mit Blues nix am Hut, sondern ein treibender Rock'n'Roll fegt aus den Boxen und ein kaum weniger anzügliches Put It All In There, ein Boogie, folgt.
Das "alte" Schlachtroß hat da oben alles im Griff. Auch mal den Kopf von Lisa Otey, deren Gesicht sie in ihren Ausschnitt preßt. Lisa ist ebenfalls bestens drauf - und was die aus ihren Tasten hämmert ist schon Klasse. "Unterstützung" dabei erhält sie auch mal von Candye, die demonstriert wie sie mit ihren Brüsten Piano spielt. Nicht übermäßig filigran, aber beeindruckend und sie verkündet, daß sie das jeder der anwesenden Damen beibringen könnte, selbst wenn deren Oberweite noch so spärlich sein sollte. Ja, selbst den Herren könnte sie das lernen! Dann allerdings mit einem anderen Körperteil...
[An dieser Stelle möchte die Redaktion einflechten, daß... ach was, es hat ja doch keinen Sinn. Verderbtes Pack]
Für All You Can Eat (And You Can Eat It All Night Long) übersetzt sie den Refrain kurz in ein paar Sprachen, um sicher zu gehen, daß dann auch jeder mitsingt. Und ihre eindeutigen Drohungen zeigen Wirkung: Ob auf deutsch oder englisch, beim Refrain sehe ich keinen stumm bleiben.

Ana Popovic Zur anschließenden Zugabe kommt dann auch Ana Popovic wieder mit auf die Bühne. Wieder ist sie gegenüber Sue Foleys Gitarre etwas überdominant, aber die beiden Bluesnummern machen, nicht zuletzt durch Candye's Mitwirken, trotzdem richtig Spaß.
Mit auf den Heimweg geben die drei Mädels dem Publikum die Botschaft Let There Be Peace On Earth. Diesen Song, von Candye's aktueller CD, singen die drei nur von Lisas Piano begleitet, quasi a cappella und mit teilweise richtig schönen Harmonien.
Gut drei Stunden ohne Pausen oder Langeweile sind vorbei und am CD-Stand bekommt Thomas Ruf alle Hände voll zu tun, denn viele wollen das Colos-Saal nicht ohne ein Souvenir dieses unvergeßlichen Abends verlassen.

Da mein erhofftes Interview mit Candye Kane bei diesem Andrang von "Autogrammsüchtigen" die nächste halbe Stunde kaum realisierbar wäre, trolle auch ich mich von dannen, mit den Worten des letzten Songs im Kopf: "Let there be peace on earth...". Schön wär's ja. Vielleicht sollten mehr Menschen solche Konzerte besuchen, dann würde das schon klappen.

Hier geht es zu den Interviews mit Sue Foley und Ana Popovic.

Epi Schmidt, 27.01.2005

 

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